Wohin mit dem Schrott? Juli 2011
Wohin mit dem Schrott?
Juni 2011
Juni 2011
Ist es bei dir schon mal vorgekommen, dass du einen komplett fertigen Roman in die Tonne getreten hast, weil du von ihm nicht überzeugt warst?
: Kurz und bündig: Nein.
: Kurz und bündig: Nein.
Wie ist das bei Auftragsarbeiten: Die Deadline ist nahe, aber was du bisher geschrieben hast, gefällt dir nicht. Was machst du dann?
: Sämtliche Telefonnummern und Internet abmelden. Den Namen ändern. Ein Ticket nach Timbuktu buchen. Erzählen, es wäre das zweite böse Ich gewesen.
Ist zum Glück noch nie passiert.
Passiert ist aber schon, dass dem Lektor nicht gefallen hat, was ich geschrieben habe. Das ist viel schlimmer ...
Viele Anfänger plagen Selbstzweifel. Hast du als professionelle Autorin auch manchmal Selbstzweifel?
: Immer. Die sind ganz wichtig. Wie das Lampenfieber beim Theater. Nichts ist Routine, denn ab dem Zeitpunkt, wenn es das ist, ist man nicht mehr mit dem Herzen dabei. Manchmal - nicht immer - ist es so, je mehr man völlig überzeugt und selbstsicher von einem Roman ist, umso mehr einem Auftrags(Heftserien-)Roman, liegt man total daneben, hat sich vergaloppiert, sich in irgendwelche Details verliebt, die keinen Leser interessieren, und eine Geschichte erzählt, die neben der Spur liegt. Ist jedem von uns schon passiert. Jede Abgabe ist eine Premiere, und man zittert und fiebert dem Feedback entgegen. Es gibt ja Autoren, die nehmen sich einen Teil des Kitzels (oder glauben es zu tun), indem sie sich First Reader aus ihrem Kollegenkreis suchen, bevor sie abgeben. Die wiederum sorgen schon dafür, dass der Selbstzweifel bleibt.
Bei "großen Romanen" arbeitet man sowieso ununterbrochen mit dem Lektor zusammen, da werden Probleme von Anfang an erkannt und ausgemerzt.
Bis zur nächsten »Mail mit Uschi« im August!
Kommentare
Ich hatte der Tage allerdings mit einem Manuskript zu kämpfen, das ich am liebsten in die Tonne gekloppt hätte, weil es sich ganz anders entwickelt hat, als ich das geplant hatte. Das einzige, was mich daran hinderte, war der Abgabetermin. Hab mich dann 1000 Mal bei meiner Lektorin für den Schrott entschuldigt - und was war? SIE war begeistert und fand den Roman sogar besser als meinen vorherigen. Kann ich immer noch nicht nachvollziehen, aber ich werde ihr nicht (mehr) widersprechen.
Wir Autorinnen und Autoren sind an unseren eigenen Texten einfach zu nahe dran, um sie auch nur annähernd objektiv beurteilen zu können. Ob uns ein Roman/eine Story etc. gelungen ist oder nicht, entscheiden am Ende sowieso die Leser.
Die Selbstzweifel bleiben. Jedesmal aufs Neue.
Gut zu wissen, dass das anderen auch so geht, sogar den Profis.
Das hat mir übrigens lange Zeit den Spaß am Schreiben genommen und meine Selbstzweifel genährt. Erst nach der Schule konnte ich mich davon lösen. Das wäre doch mal eine Frage für die Kolumne hier, auch in Bezug auf McEL: Ist der Lektor manchmal eine Art Therapeut für die gebeutelte Autorenseele?
Zitat:
Das Problem ist, dass die Leser (zumindest einige) das aber erwarten und dann dem Autor ziemlich übel nehmen, wenn er mal ein Werk in den Sand gesetzt hat.
Zitat: Selbst wenn man selbst das (noch rechtzeitig) bemerkt, ist die Verzweiflung über die eigene Unvollkommenheit, das Entsetzen, dass man (gerade als Profi) so einen (subjektiven) "Mist" verzapft hat, groß. Dann kommen die Gedanken daran, das Ding in die Tonne zu kloppen, sich aus der Terrassentür nach draußen zu stürzen und dergleichen mehr.
In so einer Krise ist man als Autor/in verdammt dankbar dafür, wenn man eine/n Lektor/-in hat, die/der einen ermutigt nach dem Motto "Wir schaffen das schon!"
Denn eins darf man nicht vergessen. Gerade bei jenen Profis, die vom Schreiben leben, geht jede Krise mit einer ausgewachsenen Existenzangst einher. "Versagt" man, gibt der Verlag keinen weiteren Roman in Auftrag, bricht hier eine (für die, die nur für einen einzigen Verlag arbeiten, die einzige) Einnahmequelle weg. Das kann u. U. für eine/n Noch-nicht-Bestseller-Autor/in das (vorübergehende) Ende der freiberuflichen/ selbstständigen Tätigkeit als Schriftsteller/in sein. (Ein Grund, warum ich mich bemühe, so viele Eisen wie möglich im Feuer zu haben; die Taktik geht bis jetzt sehr gut auf. )
Gute Lektoren wissen, dass Autor/innen, die unter dem Druck der Existenz- oder sonstiger Angst stehen, ebenso schlecht arbeiten wie solche, deren Werke man mit herabsetzenden Worten kritisiert, selbst wenn die berechtigt sein mögen.
Ein selbst erlebtes Beispiel: nach der Abgabe eines "suboptimalen" Romans pflaumte der Lektor (wörtlich!): "Das ist völliger Schrott. Wenn ich so was nochmal von Ihnen bekomme, schreiben Sie mir das ganze Ding noch mal von vorn." (Warum der "Schrott" dann trotzdem in fast (!) unveränderter Form so "schrottig" gedruckt wurde, ist mir bis heute ein Rätsel.) ABER: 1. So geht man generell nicht mit Menschen um. Eine gewisse Höflichkeit und vor allem Respekt vor einem anderen Menschen muss sein. 2. So geht man erst recht nicht mit Menschen um, von denen man in Zukunft noch (gute) Romane zu bekommen hofft. DENN: Wer so abgekanzelt wird, hat keine Motivation, sich ins Zeug zu legen, sondern sucht sich (so er/sie kann) gleich einen anderen Verlag, bei dem man mit Autor/innen höflicher umgeht.
In solchen Situationen ist tatsächlich psychologisches Geschick von den Lektoren gefragt, wenigstens aber Höflichkeit.
Denn man darf auch etwas anderes nicht vergessen: Die Autoren sind das Kapital des Verlages, je erfolgreicher sie sind, desto mehr. Kein (vernünftiger) Verlag publiziert (absichtlich) Schrott; andernfalls würde er sich nicht allzu lange am Markt halten. Hat er sich erst mal einen Stamm guter Autor/innen aufgebaut, ist er bestrebt, den zu halten. Gute Verlage und somit deren Lektoren geben sich Mühe, ein gutes Verhältnis zu den Autoren zu pflegen und sie bei der Stange zu halten. Dazu gehört eben auch, sie in der Krise psychologisch aufzubauen und nicht noch zusätzlich niederzumachen.
Gute Lektoren sind nicht nur von Verlagen heiß begehrt. Es gibt Autoren, die arbeiten nur mit einem einzigen Lektor zusammen. Verlässt der den Verlag, wechselt auch der Autor zu dem Verlag, bei dem "sein" Lektor dann arbeitet. (Der neue Verlag freut sich darüber natürlich.)
Wie man sieht, ist das alles ein sehr komplexes Gefüge.
Fazit: Ich würde zwar nicht so weit gehen, vom Lektor "therapeutisches" Arbeiten zu erwarten, aber wenn er in der Lage ist, seine Autor/innen aufzubauen, dann ist das sehr viel wert und macht das Arbeiten angenehm. Für solche Lektor/innen zu arbeiten, macht wirklich Spaß. Das Schönste ist, wenn man am Ende gemeinsam die Premiere des Werkes feiert, das man in bester Kooperation zu dem gemacht hat, was (hoffentlich) die Leserschaft begeistert.
Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
Zitat: Oh ja, nur allzu wahr!