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Cornelius und Pakcheon - Homosexualität bei Ikarus

Flieg, IkarusCornelius und Pakcheon
Homosexualität bei Ikarus

Eigentlich sollte das Thema der heutigen Kolumne überhaupt kein Thema sein. Im Zeitalter der Homoehe ist die geschlechtliche Orientierung des einzelnen jedem selbst überlassen. Die Zeiten sind vorbei, in denen die Kirche mit ihren Moralvorstellungen die Gesellschaft bestimmte und Abweichler verfolgte und buchstäblich an den Pranger stellte. Ob Klaus Wowereit mit seinem berühmten "Ich bin schwul - und das ist auch gut so", Ole von Beust oder Guido Westerwelle, homosexuelle Politiker sind längst Alltag in der Deutschland.


Gleiches gilt für das Fernsehprogramm. Carsten Flöter in der Lindenstraße machte den Anfang, inzwischen hat fast jede Soap ihr lesbisches oder schwules Paar. Das ist längst kein Aufreger mehr. Aber ist Homosexualität wirklich allgemein akzeptierter Teil unserer Gesellschaft?

Die katholische Kirche vertritt doch immer noch in etwa den Standpunkt, dass dem Homosexuellen aus seiner sexuellen Orientierung kein Vorwurf gemacht werden soll, er aber bitte schön darauf zu verzichten habe, diese auch auszuleben. Bei einem der letzten evangelischen Kirchentage gab es Aufregung um "Angebote zur Heilung" bei homosexueller Orientierung. Und schwule Fußballer vermeiden es immer noch sich zu outen, aus Angst vor negativen Folgen.

Wie hält man es eigentlich im Film und in der Spannungsliteratur? Jüngst gab es im Zauberspiegel einen Beitrag zu Homosexualität bei Star Trek und der User Larandil äußerte sich so:

"Ich sag's mal so: wenn irgend jemand sich die "Raumpatrouille" vornimmt und an Stelle von Eva Pflug einen muskulösen GSD-Beamten einkopiert, mit dem McLane am Ende von Folge 7 wild zu knutschen anfängt - das wäre mir nicht recht." 

(Larandil, 30.7.2013)

Also ganz selbstverständlich und unbefangen scheint der Umgang mit Homosexualität noch nicht zu sein. Und das führt zu der Frage, wie homosexuelle Beziehungen beim in der Regel heterosexuellen Leser aufgenommen werden. Im Scifi-Forum z.B. gibt es bereits seit 2001 eine angeregte Diskussion darüber, ob es bei Star Trek homosexuelle Charaktere bzw. Hauptpersonen geben sollte. Dort findet man dann Beiträge wie

"Wenn ein junger Lt. die Brücke der Enterprise betritt und seine Augen nicht an Troy hängen bleiben sondern an Riker´s Popo, dann wäre das genau der Zeitpunkt das Hypospray zu zücken und diesem jungen Lt. zu helfen."

(Defiantxyx 18.09.2012)

Mit anderen Worten Homosexualität wird als "zu heilende" Krankheit beschrieben, die es in der Zukunft, dank der Fortschritte der Medizin sicher nicht mehr geben wird. Der Thread wurde eröffnet u.a. mit folgender Aussage:

"Ich bin nicht homosexuell, sollte das nun jemand denken, (meine Freundin hätte da nicht so freude Cry) aber ich möchte mich für die soziale Akzeptanz von Randgruppen einsetzen, und ich denke, Star Trek könnte in dieser Beziehung eine sehr wichtige Rolle übernehmen! Was denkt ihr dazu? Bitte schreibt, wenn schon, mehr als nur "Amerika ist eh prüde und darum klappts nie". Würdet ihr einen solchen Charakter begrüssen? Würdet ihr eine solche Entwicklung begrüssen? Würden einige von euch sich dann gar von Star Trek abwenden?"

(Bynaus, 30.7.2001)

Ist wie gesagt irgendwie bezeichnend für den Umgang mit der Thematik, dass der heterosexuelle Poster erst einmal klar stellen muss, dass er nicht schwul ist.

Doch lassen wir Star Trek einmal Star Trek sein. Ist ja schließlich Amerika und Hollywood. Schauen wir doch mal,  wie sieht das in Deutschland bei Marktführer Perry Rhodan mt der Homosexualität aus? In der Perrypedia heisst es dazu:

"Homosexualität wird in der Perry Rhodan-Serie in Bezug auf Liebe und Zärtlichkeit sehr selbstverständlich beschrieben. Ausnahme bildet der Geschlechtsverkehr, der ebenso wie die Wörter schwul oder lesbisch in der Regel ungenannt bleibt.
Schwule und lesbische Charaktere befinden sich zumeist auf einer bestimmten Figurenebene. Von den Hauptpersonen ist niemand homosexuell, die Darstellung Homosexueller beschränkt sich auf Nebencharaktere bzw. Charaktere einzelner Hefte. Dabei ist zu bemerken, dass bisher kein schwuler oder lesbischer Charakter wegen seiner/ihrer Sexualität handlungsrelevant war. Eine Ausnahme kann im Diebstahl des Zellaktivators von Julian Tifflor durch die Ertruserin Lyndara gesehen werden, die den Aktivator stahl, um ihre schwerverletzte Freundin zu heilen. Eine so genannte »Quotenlesbe« bzw. einen »Quotenschwulen« hat es in der Perry Rhodan-Serie noch nicht gegeben.
Schwule und Lesben werden grundsätzlich nicht klischeehaft dargestellt und besitzen keine Merkmale, die auf ihre Sexualität hinweisen"

(Perrypedia, Stichwort Homosexualität, Auszug)

1Die sechs Romane mit und um die Ertruserin Lyndara erschienen bereits im Jahre 1993. Der erste war 1656, der letzte 1671. Autoren waren Peter Terrid, Horst Hoffmann, Robert Feldhoff, H.G. Francis, Ernst Vlcek und Arndt Ellmer.

1Die Konkurrenz ging anders mit der Thematik um. Bei Sternenfaust, Basteis letzter SF-Heftserie, gab es nämlich im letzten Erscheinungsjahr 2012 einige Romane, in denen der homosexuelle Marine Ashley Briggs mitspielte (ab Band 186 "Veränderungen" von Thomas Höhl). Seine sexuelle Orientierung war dabei wichtiger Bestandteil der Romane, er war nicht irgendein Marine, der "zufällig" schwul war.

Kommen wir schließlich zum eigentlichen Gegenstand dieser Kolumne: Rettungskreuzer Ikarus.

Dort führte Irene Salzmann bereits im Jahre 2002 im Nexoversum den bisexuellen Charakter Taisho ein und räumt seit Band 28 "Welt der Adlaten" (2006 ) in vielen ihrer Romane auch der Beziehung zwischen dem vizianischen Telepathen Pakcheon und dem menschlichen Diplomaten Junius Cornelius breiten Raum ein. Beide sind keine Sidekicks, sondern agieren in den Romanen als Hauptpersonen. Am Anfang wurde eigentlich eher angedeutet, wurde die erotisierende Wirkung der vizianischen Hormone dafür verantwortlich gemacht, dass sich Cornelius zum Vizianer hingezogen fühlte. Behutsam wurden die Liebesgeschichte zwischen den beiden dann weiter ausgebaut.

1Inzwischen gibt es doch recht eindeutige homoerotische Beschreibungen in den Romanen.

"Cornelius drückte Pakcheon mit dem Rücken auf den Schreibtisch und warf sich über ihn. Es gefiel ihm, obwohl er sich in seinen Fantasien immer oben gesehen hatte. Die hungrigen Küsse und eine sehr talentierte Hand zwischen seinen Beinen brachten ihn dem Höhepunkt schnell nahe."

(Rettungskeuzer Ikarus Nr.52, S.108)

Bei einzelnen Lesern kam so etwas nicht gut an. Ich erinnere mich in einem SF-Forum mal sinngemäß gelesen zu haben. "Für einen Band lasse ich mir das ja gefallen, aber inzwischen nervt mich das Geschwuchtel ab. Mir reichts, ich werde deshalb aussteigen." Zugegeben, das war nur eine Meinung. Wie die Mehrheit der Leser dazu steht, bleibt ungewiss. Irene Salzmann selbst, sagte dazu im Zauberspiegelinterview:

"Da das "Ikarus"-Universum in der Zukunft angesiedelt ist, dürften die gängigen Geschlechter-Rollen kein großes Thema mehr sein. Aber "Rettungskreuzer Ikarus" ist eine SF-Serie, und SF wird immer noch überwiegend von einem männlichen Publikum gelesen. Aus diesem Grund ist es kein Wunder, wenn die Paarungen Mann x Frau und Frau x Frau toleriert werden, aber Mann x Mann und männliche Bisexualität auf Unverständnis oder gar Ablehnung stoßen - so ist das nun mal bei manchen "toleranten SF-Fans", und ja, ich bin mir dessen bewusst, dass ich einige damit provoziere -- wobei ich hinzufügen muss, dass ich von den "bitterbösen Kommentaren" nicht viel mitbekommen habe. Tatsächlich reagieren viele Leser gar nicht schockiert und die Leserinnen sogar äußerst positiv auf diese weniger konventionellen Charaktere." 

(Interview mit dem Zauberspiegel v. 4.1.2012)

In den SF-Romanen der 60er und teilweise auch noch der 70er Jahre spielte Sexualität kaum eine Rolle. Da wurde bestenfalls mal geküsst und geheiratet. Nur langsam kam Bewegung in das Thema. Bei Ren Dhark ließ Kurt Brand 1966/67 die spätere Anja Riker mit zwei Nummern zu kleinen Pullovern rumlaufen. Bei Raumschiff Promet ging es dann 1972-74 schon mehr zur Sache. Da blieb es nicht bei zu engen Pullovern. In anderen Romanen gab es Helden, die wie James Bond agieren sollten mit entsprechenden weiblichen Groupies. Aber das alles ging nicht ins Detail und bei Perry Rhodan blieb es in dieser Zeit sogar gänzlich jugendfrei. Und an Homosexualität in den damaligen Romanen kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.

Sexualität und Partnerschaft haben inzwischen auch in den Heftromanen einen Platz gefunden. Dies ist m.E. ein richtiger Schritt zur Einbeziehung von Realität in die früher sehr sterile und oft gänzlich stereotyp gestaltete Romanwelt. - Die Einbeziehung von Realität ist übrigens auch ein Anliegen des treuesten Zauberspiegellesers in seinem unlängst erschienenen Artikel. (Insider wissen, wen ich meine). - Homosexualität im Besonderen ist heute Teil unserer Gesellschaft, folgerichtig findet sie auch in den Romanen ihren Platz. Für ältere Semester ist dies sicher noch gewöhnungsbedürftig, jüngere Leser dürften dies dagegen kaum noch als außergewöhnlich wahrnehmen. Insofern folgt auch Irene Salzmann bei Rettungskreuzer Ikarus dem allgemeinen Trend. Sie und die Serie dürfen aber für sich in Anspruch nehmen, erstmals ein homosexuelles Paar als Protagonisten eingeführt zu haben.

Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann sogar eine Serie um einen schwulen Helden oder eine lesbische Heldin? Im Bereich der Computer Spiele gibt es jedenfalls anscheinend bereits ein solchen SF-Ego-Shooter:

"Normalerweise sind in Action-Computerspielen nur heterosexuelle Männer anzutreffen. Beim neuen Science-Fiction-Spiel XCom, das im März 2012 auf den Markt kommen soll, ist das anders: Mit Dr. Weir soll dort einer Schwuler, der seine Sexualität geheim hält, im Kampf gegen Außerirdische helfen. Der Ego-Shooter handelt von einer Alien-Invasion in den 1960er Jahren in den USA."

(Queer.de)  

Die Beschäftigung mit Science Fiction führt nicht automatisch dazu, dass Leser und Autoren dem Thema Homosexualität aufgeschlossen gegenüber stehen wie das Beispiel des Autors Orson Scott Card zeigt. Der Verfasser von "Enders Game" hat sich jahrelang an führender Stelle gegen die Einführung der Homo-Ehe in den Vereinigten Staaten eingesetzt. Dabei hat er sich eines Vokabulars bedient, dass eindeutig homophoben Charakter aufweist. Im Zauberspiegel wurde dies ja auch thematisiert.

Kommentare  

#1 Jonas Hoffmann 2013-08-27 08:19
Im Bezug auf
Zitat:
Also ganz selbstverständlich und unbefangen scheint der Umgang mit Homosexualität noch nicht zu sein.
als Reaktion auf Larandils Aussage bin ich der Meinung dass eine Fehlinterpretation vorliegt.

Man muss bei der Sache ja auch die gesamte Geschichte als Basis mit beurteilen und Cliff McLane macht in der Serie nicht den Eindruck schwul zu sein. Dieses Outing käme deshalb etwas aus heiterem Himmel.

Das ist nämlich m.E. der springende Punkt. Die sexuelle Orientierung muss sich dem Kontext der Geschichte unterordnen und nicht umgekehrt. Einen Quotenschwulen brauche ich nicht, aber wenn es in die Geschichte passt, warum nicht?

Letztlich will ich primär SF lesen und keine Sexgeschichten, weshalb mir die sexuelle Orientierung der Figuren letzten Endes egal sind. Nichts muss, alles kann.

Es gibt da das Perry-Rhodan-Taschenbuch wo sich Fellmer Lloyd als xenosexuell (nennt man das so, wenn man auf Ausserirdische steht?) outet und mit einer Pferdeköfpigen die Nacht verbringt. (TB Die Sirenen von Dhatabaar)

Das geschieht beiläufig und ist für die Geschichte passend, des Weiteren erweitert sie den Charakter der Figur. Würde es dagegen den Mittelpunkt der Geschichte bilden, dann wäre es am Thema, nämlich SF-Story, schlicht vorbei.
#2 Larandil 2013-08-27 09:26
Zitat:
Im Bereich der Computer Spiele gibt es jedenfalls anscheinend bereits ein solchen SF-Ego-Shooter:Zitat:
"Normalerweise sind in Action-Computerspielen nur heterosexuelle Männer anzutreffen. Beim neuen Science-Fiction-Spiel XCom, das im März 2012 auf den Markt kommen soll, ist das anders: Mit Dr. Weir soll dort einer Schwuler, der seine Sexualität geheim hält, im Kampf gegen Außerirdische helfen. Der Ego-Shooter handelt von einer Alien-Invasion in den 1960er Jahren in den USA."
Ach. Am 6. März 2013 erschien "Mass Effect 3" mit zwei Nebenfiguren, mit denen der Spieler auch eine Beziehung anfangen kann. Shuttlepilot Steve Cortez trauert um seinen Mann, und Commander Shepard kann ihn da auf andere Gedanken bringen und (wenn er möchte) im Nachtclub auf der Citadel eine Beziehung mit Steve einfädeln. Allerdings nur, wenn Shepard ein Mann ist. Und Signalgast/Yeoman Samantha Traynor spielt zwar gern Schach mit ihrem Commander, aber nur bei einem weiblichen Vorgesetzten fängt sie an, von der Dusche zu schwärmen ... unter der man sich ihr dann anschließen kann (sieht aber ein bißchen doof aus, weil Traynor in Unterwäsche duscht). Laut youtube kann ein männlicher Shepard auch den Kameraden Kaidan Alenko aus dem ersten Teil für eine Beziehung gewinnen.

Und ich sträube mich dagegen, McLane mit einem Kerl knutschen zu sehen, weil man dafür das Original komplett durch den Wolf drehen würde, um ihm seine eigene Message aufzuzwingen. Schneide ein Musikvideo, in dem Du herausarbeitest, dass Wamslers Adjutant Michael Spring-Brauner McLane nicht haßt, sondern im Gegenteil tiefunglücklich in ihn verliebt ist und genau weiß, dass seine Träume sich nie erfüllen können ... oder dass Mario DeMonti den Frauenhelden nur spielt, weil er seine wahren Gefühle für seinen unerreichbaren Commander nicht ausleben kann ... aber lass die Pfoten von McLane.

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