Blumen des Schreckens
Blumen des Schreckens
Heute würde mein Therapeut sagen, wenn ich mir einen leisten könnte, dass mein Problem meine älteren Geschwister waren. Oh, keine Missverständnisse, ich habe die besten Geschwister die man sich vorstellen kann. Leider. Sie nahmen mich in ihre Obhut, umsorgten mich, waren immer für mich da und hatten Verständnis für all meine Leidenschaften. Mein Bruder rief mich sogar mal vom Spielen nach oben, weil im Fernsehen das Video von D. D. Jacksons Automatic Lover lief. Er dachte, ich würde den Roboter darin toll finden, schließlich war ich ja von so begeistert gewesen. Na ja, der gute Wille zählt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke, ich war zwölf, höchstens dreizehn Jahre alt. Wahrscheinlich waren meine Geschwister dazu verdonnert worden, auf mich aufzupassen, wollten aber nicht auf einen guten Kinoabend verzichten. Sie hatten mich also an der Backe, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, denn normalerweise durfte ich sie zu den Prügelorgien von Bud Spencer und Terence Hill begleiten. Da waren also meine Schwester und ihr Freund sowie Bruder mit Freundin und ich mittendrin. Und ich erinnere mich, wie sich mein jetziger Schwager zu mir runderbeugt und sagt: Und du sagst kein Wort, bis wir drin sind!
Es war die Es musste eine Wiederaufführung gewesen sein, weil der Film 1975 in Deutschland Premier hatte und da war ich erst zehn. Also noch viel zu jung. Zu diesem gegebenen Anlass allerdings fühlte ich mich auch nicht alt genug. Nun mag ja sein, dass Just Jaeckin künstlerisch wertvolle Sexfilme gedreht hat, für mich spielte das aber in dem Moment wirklich keine Rolle. Ich kann mich an keine, auch nicht eine einzige Szene von erinnern. Und ich habe bis heute nicht das Verlangen, Erinnerungen wieder hochkommen zu lassen. Was immer ich damals gesehen habe, in bester Absicht meiner Geschwister, hat mich, wenn überhaupt, sehr schlecht schlafen lassen.
Dafür war ich wirklich erst zehn Jahre alt, als von Norman Jewison in die Kinos kam. Gut, den Film hat damals keiner verstanden, und er war vollkommen unterbewertet, aber das hat uns als Kinder ehrlich nicht interessiert. Erstens war der Film ab achtzehn und zweitens war da ne super Sportart zu sehen, mit noch viel besseren Regeln. Wer sich wundern sollte wegen meines Alters, dem sei versichert, das ich hormonell überversorgt war. Aber nicht überversorgt genug und ein ungesundes Selbstbewusstsein tat das Übrige. Es wurde ein Schlachtplan erstellt, der vorsah, dass wir nach Nürnberg ins Rex-Kino mussten.
Zwei Kinos, eine ganze Etage von der Kasse getrennt, fast nie ein Platzanweiser da, die zwei Kinoeingänge lagen sich direkt gegenüber. Also mit einem unschuldigen Lächeln Karten gekauft für , hinauf zum Kinoeingang... Stand da ein Platzanweiser. Na super, Belmondo war ja nicht sooo übel, aber war eigentlich angedacht. Gesehen, vergessen. Wir behielten die Strategie bei, wechselten nur den Tag und die Zeit der Vorstellung. Und steht da nicht wieder der Platzanweiser? Mussten wir uns etwa ein zweites Mal ansehen? Wir mussten, und nicht nur an diesem Tag. Erst nach dem dritten Mal gaben wir entnervt auf. Wir haben dann erst in dem Alter gesehen, das die Freiwillige Selbstkontrolle für uns vorgesehen hatte.
Bei war ich bereits fünfzehn. Aber der Film war so kontrovers, dass die 18-er Freigabe ziemlich streng kontrolliert wurde. Im City-Kino wollte ich die alte Strategie anwenden. Ich ging brav in meinen Film, der 15 Minuten früher startete, ging dann mal etwas verrichten und irrte mich aus Versehen in der Eingangstür des Kinos. Stand da nicht die Platzanweiserin hinter der Tür? Ich gab vor ein Eis kaufen zu wollen. Und für die folgende halbe Stunde gab ich noch zweimal vor Eis kaufen zu wollen. Die Platzanweiserin schien genauso viel Interesse an Al Pacino zu haben. Mangels Publikumsandrang in den anderen Sälen konnte sie sich genüsslich ansehen, während mir von zu viel Eis schlecht geworden war.
Die hatten 1963 in Deutschland eine Altersfreigabe von 16. Sicherlich hätte ich auch einiges unternommen, um ihn zu sehen. Damals. Heute würde ich kaum soviel Aufwand betreiben, um Blumen zu sehen, die wild umherlaufend nach Menschenfleisch gieren. Nun, vielleicht sollte man versuchen, sich mehr in die Zeit von 1963 hineinzuversetzen. Filme wie diese Science-Fiction-, Horror- und Monsterfilme waren weitestgehend für ein junges, unterhaltungssüchtiges Publikum gedreht worden und grundsätzlich für Freigaben ab 12 vorgesehen. Da lohnt es schon mal, die genauer zu betrachten.
Ein ungewöhnlicher Meteoritenschauer geht rund um den Globus nieder. Ein einmaliges Lichtspektakel, das die meisten Menschen fasziniert beobachten. Außer unserem Helden Bill Masen, der mit Augenverband im Krankenhaus verweilt. Am nächsten Morgen muss er seinen Verband selbst abnehmen, weil es niemanden mehr gibt, der ihm helfen kann. Das Licht der in der Erdatmosphäre verglühenden Meteore hat die mit den Augen verbundenen Nervenstränge aufgelöst. Wer das Spektakel beobachtet hat, ist unwiedersehlich blind. Doch mit den Meteoren kamen auch Sporen auf die Erde, die zu riesigen Blumen heranwachsen, den
Während Bill Masen die ebenfalls nicht erblindete junge Susan rettet und mit ihr versucht, per Boot nach Spanien zu gelangen, sitzen die sehenden Akademiker Karen und Tom Goodwin in ihrem Labor auf einer kleinen Leuchtturminsel fest. Während Tom mit seiner Alkoholsucht beschäftigt ist, darf Karen sich die Seele aus dem Leib schreien, weil die auch auf der winzigen Insel emporwachsen und einer aus Menschen bestehenden Mahlzeit nicht abgeneigt sind. Über Radio und Sprechfunk sind sie bestens informiert, wissen sich zu wehren und finden eine Lösung.
. Die können sich untereinander verständigen, haben Menschen zum Fressen gern und können sich bewegen. Sie kommen zwar nur langsam voran, aber blinde Menschen sind ja auch leichtere Beute. Ausgefuchste Außerirdische. In einer Szene sagt Kieron Moore, der einen herrschsüchtigen, unflätigen Trinker gibt, dem der Alkohol fehlt: Sei vorsichtig, es macht keinen Sinn, von einer Pflanze gefressen zu werden. Was für eine Aussage, ein echter Brüller im letzten Drittel des Filmes. Und in der Tat ist das ganze Konzept mit diesen umherwandernden Pflanzen etwas für seichte Gemüter, und manchen Szenen kann man auch nicht viel Spannung abgewinnen. Aber aufgemerkt, denn
Wenn Bill Masen durch ein fast leeres London läuft, ist er nur von hilflosen Gestalten umgeben, die sich verirrt durch die Straßen tasten. Es macht schon den Eindruck, dass man es hier mit einer explizit englischen Produktion zu tun hat, die Dinge zeigt und aufgreift, die einem amerikanischen Film viel zu heikel gewesen wären. Und tatsächlich bestechen die mit Bildern, die man seinerzeit bestimmt nur schwer verdauen konnte. Dazu gehört ein Zug, der ungebremst in einen Sackbahnhof rast, und dessen blinde Überlebende dann vollkommen verstört durch die Unfallstelle stolpern. Die sehende Susan wird dabei von den Blinden attackiert, weil sie ihnen helfen soll. Später dann die Szene im Flugzeug, das sich noch auf Kurs befindet. Die Crew versucht die (Achtung, Wortspiel) blinden Passagiere zu beruhigen, verzweifelt funkt der Navigator noch nach irgendwelchen Flughäfen. Es endet mit den ins Leere gehenden Blicken von Piloten und Crew, die wissen, dass nur ein fataler Absturz sie zurück auf die Erde bringen wird.
Ja, die bösen sind nur Kostüme, in denen Menschen stecken. Schon gut, ist ja auch nicht ungewöhnlich. Und wäre der Film nicht so kurz gewesen, hätte man nicht noch nachträglich eine zusätzliche Blumen-Attacke am Leuchtturm gedreht. Das hätte wenigstens die wandernden Kostüme etwas reduziert. Und wer sich auch noch über die Abweichungen zur literarischen Vorlage auslassen möchte, sollte Filme von Truffaut gucken. Ansonsten kann man nur staunen, mit welchem verschwenderischen Aufwand der Film umgesetzt wurde. Die Spezial-Effekte sind für ihre Zeit mehr als angemessen und überzeugend umgesetzt. Dadurch wird der Streifen zu einem Katastrophenfilm, der eine wirklich gruselige Weltuntergangsstimmung nicht scheut. Selbst eine marodierende Bande von männlichen Sehenden fehlt nicht, die in ein Haus mit vielen blinden Frauen einfällt. Viel Freiraum für die Phantasie lässt der Film dabei nicht.
bietet ein Gesamtszenario, das für seine Zeit ungewöhnlich düster ist und mitunter wirklich unter die Haut geht. ist ein seltenes Beispiel für einen Film, der zwar im Herzen seiner Geschichte albern ist, dem man aber trotzdem viele gute Seiten abgewinnen kann. Ungeachtet seines Alters fasziniert er noch immer und stimmt durchaus auch etwas nachdenklich. Noch dazu ist seine Atmosphäre ausgesprochen fesselnd.
Nach den heutigen Standards kann er natürlich nicht mehr so viel Eindruck schinden, doch wenn man sich ein bisschen in seine Zeit zurückversetzt und ein bisschen nachdenkt, dann wird sehr schnell klar, dass eine Altersfreigabe von 16 durchaus berechtigt war. So verstörendes Material war viel zu starker Tobak für die sehr jungen Freunde von Riesenechsen, Invasoren vom Mars oder unblutigen Indianerfehden. Eine Altersfreigabe hat besonders in diesem Fall ihren Sinn und Zweck bewiesen.
Versteht eigentlich jemand, warum ich mit fast elf Jahren problemlos dreimal in den ab 16 Jahre freigegebenen kam, aber mit Bartwuchs und stolzen 15 nicht sehen konnte? War das eine blöde Zeit. In meinem damaligen Lieblingskino war eine sehr freundliche Kassiererin, die manchmal nicht alles so streng sah. Wie alt bist du denn, fragte sie, weil der Film erst ab 18 war. Gewappnet wie ich war antwortete ich mit meinen 14 Jahren, 17. Wann bist du geboren? Abgebrüht antwortete ich wie aus der Pistole geschossen: 1964. Sie nickte freundlich, so war sie eben, eine nette Person. Dann bist du erst 15. Natürlich war ich nicht wirklich auf die Frage vorbereitet gewesen, und so schlau wie ich mir auch vorgekommen war, hatte es mich letztendlich überfordert. Ich trollte mich geschlagen mit den Worten Oh, stimmt ja.
Day of the Triffids Blumen des Schreckens
Darsteller: Howard Keel, Kieron Moore, Nicole Maurey, Janette Scott, Janina Faye. Mervyn Johns, Ewan Roberts u.a.
Regie: Steven Sekely - Drehbuch: Bernard Gordon, Philip Yordan - Kamera: Ted Moore - Musik: Ron Goodwin - Ausstattung: Cedric Dawe - Spezial- Visuelle Effekte: Wally Veevers, Bob Cuff
England / 1962 ; circa 93 Minuten
Versteht eigentlich jemand, warum ich mit fast elf Jahren problemlos dreimal in den ab 16 Jahre freigegebenen kam, aber mit Bartwuchs und stolzen 15 nicht sehen konnte? War das eine blöde Zeit. In meinem damaligen Lieblingskino war eine sehr freundliche Kassiererin, die manchmal nicht alles so streng sah. Wie alt bist du denn, fragte sie, weil der Film erst ab 18 war. Gewappnet wie ich war antwortete ich mit meinen 14 Jahren, 17. Wann bist du geboren? Abgebrüht antwortete ich wie aus der Pistole geschossen: 1964. Sie nickte freundlich, so war sie eben, eine nette Person. Dann bist du erst 15. Natürlich war ich nicht wirklich auf die Frage vorbereitet gewesen, und so schlau wie ich mir auch vorgekommen war, hatte es mich letztendlich überfordert. Ich trollte mich geschlagen mit den Worten Oh, stimmt ja.
Day of the Triffids Blumen des Schreckens
Darsteller: Howard Keel, Kieron Moore, Nicole Maurey, Janette Scott, Janina Faye. Mervyn Johns, Ewan Roberts u.a.
Regie: Steven Sekely - Drehbuch: Bernard Gordon, Philip Yordan - Kamera: Ted Moore - Musik: Ron Goodwin - Ausstattung: Cedric Dawe - Spezial- Visuelle Effekte: Wally Veevers, Bob Cuff
England / 1962 ; circa 93 Minuten