Kalcher-Dähne, A und Kalcher, H. - Arme-Leute-Essen - heute Delikatessen

Annette Kalcher-Dähne & Herbert Kalcher - Arme Leute Essen - Heute DelikatessenArme-Leute-Essen - Heute Delikatessen
von Annette Kalcher-Dähn, Herbert K. Kalcher

Hand aufs Herz - wer hat vor ein paar Jahren freiwillig auf Waldböden nach Bärlauch gesucht und sich später in Form von Bärlauchbutter daran delektiert? Oder wer weiß, dass Miesmuscheln Fleisch- und Fischersatz der armen Meeresanwohner oder Weinbergschnecken Abfall der Weinbauern waren? Wer sich für die Geschichte der Ernährung als Teilbereich der Geschichte interessiert, weiß darüber vielleicht Bescheid, ansonsten dürfte dies dem "Alltagskoch" eher unbekannt sein. Dieses Buch aus dem Felix-Verlag will das ein wenig bewußter machen. 


Wie die meisten Kochbücher aus dem Wintricher Verlag ist auch dieses optisch schön anzusehen. In einem handlichen Format, angenehmer Dicke und guter Verarbeitung "macht sich das Buch gut". Der Einband ist einem alten Kochbuch nachempfunden, das schon deutliche Benutzungsspuren hat.

Mit rund 60 Rezepten auf seinen 96 Seiten wird deutlich, dass der Schwerpunkt weniger  auf der breiten Darstellung der historischen Aspekte liegt, als dies bei anderen Kochbüchern aus der historischen Reihe der Fall ist. 

Wer sich für diese Geschichte hinter den Lebensmitteln interessiert, wird in den Einleitungssequenzen zu einzelnen Zutaten fündig, beispielsweise der Kartoffel, verschiedenen Rübenarten oder eben Miesmuscheln und Weinbergschnecken. Einleitend machen einige Erläuterungen und Listen deutlich, wie unterschiedlich die Verhältnisse von Einkommen, notwendiger Arbeitszeit und Durchschnittspreisen für Lebensmittel waren. Wenn man vergleicht, dass in der Tat ein Kilo Rindfleisch 1950 nur 3,25DM kosteten, 1990 aber mehr als 10DM, kommt man leicht zur Aussage "früher war alles besser". Wenn man dann aber betrachtet, dass der durchschnittliche Monatsverdienst heute ca. 100mal höher ist (ca. 3.700DM 1990 im Vergleich zu 304 DM 1950), und damit die durchschnittliche Zeit, die man arbeiten musste um ein solches Kilo Rindfleisch zu kaufen, ca. 2/3 niedriger liegt, sieht das schon wieder anders aus. Lediglich beim Fisch hat sich das Preisverhältnis nicht so drastisch verändert.

Zu den einzelnen Hauptzutaten wie dem Hering,  Muscheln oder beispielsweise Steckrüben wird ein kurzer Abriss über die historische Bedeutung des Nahrungsmittels gezeigt, der einen in die folgenden Gerichte einstimmen soll.

Da beginnt dann auch mein Dilemma: Als jemand, der sich sehr gerade für diese historischen Aspekte interessiert, sind diese Texte zu kurz, zu wenig spezifisch; und mir genügt es nicht, einen römischen Ursprung zu erwähnen. Allerdings ist dies auch nicht der Sinne eines Kochbuches.So etwas gehört eher in ein historisches (Fach-)Buch.

Die Rezepte sind teilweise historisch und finden sich so auch in original historischen Kochbüchern,  was mir sehr gefällt, auf der anderen Seite gibt es moderne Rezepte (z.B. Rotkohlsalat mit Orange), was wieder einen besonderen Reiz dieses Buches ausmacht. Eine voll umfangreiche Abhandlung des Themas (ehemals Nahrung armer Leute, heute Delikatesse) ist im Rahmen eines auf Kochpraxis ausgerichteten Buches, das preislich sehr attraktiv ist, kaum möglich. Insofern ist vieles, was ich vermisse, nicht machbar.

Entstanden ist so eine Melange aus interessanten historischen Aspekten rund um die Arme-Leute-Küche, die heute Delikatessen sind (auch wenn ich auf Weinbergschnecken weiterhin dankend verzichte), und praktisch gut und einfach nachkochbaren Gerichten, die nicht nur den Magen füllen, sondern auch dem Gaumen gefallen.

Arme-Leute-Essen - Heute Delikatessen
von Annette Kalcher-Dähn, Herbert K. Kalcher
96 Seiten, 14,95€
Mai 2006
ISBN: 978-3788810696
Neumann-Neudamm

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