Berger, Klaus - Die Urchristen
Die Urchristen
von Klaus Berger
Will man fundiert über einen ethisch, geschichtlich, sozial so bedeutsamen Bereich schreiben und sich nicht nur im Schwadronieren ergehen will, kommt um eine tief(er)gehende Recherche nicht herum. Das Buch von Klaus Berger leistet hier für die Zeit der ersten Christen einen guten Dienst.
Als die "Gründerjahre" der Christentums wird jener Zeitraum bis zum Tod der ersten Generation nach Jesus gesehen, teilweise auch das Jahr 70n.Chr. mit der Zerstörung des Tempels und damit der jüdischen Gesellschaft in ihrer damaligen Form.
Jesus, das war (...) der Startschuss, die Matrix, die Initialzündung, der Auftrag, was auch immer. Aber damit brach es ja nicht ab. Damit ging das Abenteuer erst richtig los. Aus einer Lokalveranstaltung unter Fischern und Bauern im letzten Winkel der Antike wurde in Windeseile eine Weltreligion. Wenn das kein Stoff ist! (Klaus Berger über die Motivation zu dem vorliegenden Buch)
In der Tat ist die sogenannte "urchristliche Gemeinde" eine ausgesprochen spannende Angelegenheit, die sicher nicht wenige Plots für spannende, ergreifende, erschreckende Bücher bietet.
Dabei ist klar, dass sich ein religiös-theologisches Buch - und das ist "Die Urchristen" bei aller geschichtlichen Information - sich nie ohne Rückgriff auf das eigene Glaubensbild und die eigene Einstellung lesen lässt. Insofern sollte man zumindest dazu bereit sein sich auf den Rahmen von Klaus Berger einzulassen und seine Basis einer Akzeptanz der Bibel anerkennen. Klaus Berger ist in der christlichen Szene kein Tycoon, aber auch kein Unbekannter. Seine Bücher beschäftigen sich alle mit christlich-theologischen Themen: Jesus, der Teufel, die Funde von Qumran, der Professor für neutestamentliche Theologie setzt sich kontrovers, fundiert und klar platziert mit zentralen aber auch modernen christlichen Themen auseinander. Für ihn steht fest, dass Jesus Gottes Sohn ist, und man ihn sich nicht einfach passend machen kann. Entsprechend ist "Die Urchristen" kein Geschichtsbuch, sondern eine soziale, geschichtliche und theologische Darstellung.
Das Buch greift verschiedene Kernthemen um die ersten Christen und die Bildung der ersten Gemeinden auf. Es geht um die Auseinandersetzung im Apostelkreis über das ob und wie der Heidenmission, die zentralen Personen in den ersten Gemeinschaften (z.B. Paulus und Petrus, aber auch Jakobus) und deren Grundüberzeugungen, den inneren Aufbau und die Gremien und - geschichtlich sehr interessant - die Entwicklung der Gemeinden in den großen Metropolen Antiochia, Korinth und Rom.
Seine Thesen zum "Erfolgsmodell" Urchristen bieten neben dem theologischen Ansatz einen Einblick in die Gesellschaft, in der das Christentum entstand, ausgehend von der Sehnsucht nach einer Leitfigur, die Jesus zweifelslos bot, über die "Art von Barmherzigkeit in der Religion" der Urgemeinde bis hin zu ihrer Einstellung zur Rolle der Frau und dem Umgang mit Sklaverei. Dabei verfällt er nicht in eine Verklärung der Urgemeinden als dem Idealzustand eines christlichen Frühkommunismus und Ort des idealen Glaubens sondern geht durchaus auch auf das nicht unerhebliche Konfliktpotenzial ein, das es damals gab. Nicht umsonst kam es zu einer Trennung von Petrus und Paulus in ihrer Arbeit der Mission. Da es ihm um die Urchristen geht, führt er die nicht unerheblichen Fehlentwicklungen (und Verbrechen) späterer Jahrhunderte nicht aus, aber in einigen Abschnitten stolpert man unvermutet über die eine oder andere Bemerkung und denkt "ja, klar ... dies hat dann dazu geführt, dass ..."
Und an vielen Stellen dachte ich unwillkürlich "da könnte man doch..." ... "das wäre doch ein tolles Thema ..." - es finden sich viele Anstreichungen und Anmerkungen.
Für einen Menschen mit christlich-theologischem Interesse und Hintergrundwissen ist das Buch eine nicht unkontroverse, nicht immer leicht zu verfolgende Auseinandersetzung mit den Keimzellen der christlichen Bewegung und eine Fundgrube an Ideen.