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Koschnick antwortet - Eine Frage des Formats?

Koschnick antwortet...Eine Frage des Formats?

Zauberspiegel-Leser: Sie sagen zwar, Ihnen fehlen die intimen Kenntnisse des Heftromanmarkts, um sich dezidiert zu äußern, meinen aber der Heftroman könne sich erneuern. Die Frage zielt dabei weniger auf den Inhalt als vielmehr auf das Format.

Der Heftroman ist ja Roman wird aber als Zeitschrift vertrieben. Welches Format erscheint Ihnen da schlüssiger: Das Taschenheft (in der Größe eines Taschenbuchs) oder das Tabloid Format einer Zeitschrift?

 

Wolfgang J. Koschnick: Ich kann nur davor warnen, mein Fachwissen über Heftromane zu überschätzen. Bei der Forschung über dieses Gebiet kenne ich mich ganz gut aus. Von Heftromanen selbst weiß ich so gut wie nichts. Die letzten Heftromane, die ich gelesen habe, waren „Tom Prox“ und „Billy Jenkins“. Und ich war damals ein Kind von weiß der Teufel wie wenigen Jahren.

Mein Urteil basiert auf einem einigermaßen umfassenden Wissen über die Entwicklungen auf dem allgemeinen Medienmarkt der letzten 50 Jahre. Da drängen sich einige Einsichten geradezu auf. Sicher ist: Die bisher bekannten Formate Taschenheft, DIN-A5 oder meinetwegen auch Tabloid sind weder das Problem noch die Lösung.

Zum Thema kann ich allgemein sagen: Romanhefte auf schmuddeligem Recyclingpapier und schäbigem Erscheinungsbild, die den Charme der frühen Nachkriegsjahre versprühen, werden ganz sicher in Zukunft nicht mehr der Brüller sein. Das ist aber auch wahrhaftig keine originelle Erkenntnis, die irgendjemanden vom Hocker wirft. Dieses Produkt ist gerade dabei, vom Markt zu verschwinden. Und ich beschreibe da ja nur den Prozess, der sich vor unser aller Augen abspielt.

Ich kann mir vorstellen, dass Geschichten vom Typ der Heftromane mit der Ausbreitung von E-Books und als E-Book-Romane und als Kurzform mit vielen neuen Features wie Bewegtbildern und farbigen Illustrationen eine Art Wiedergeburt erleben könnten, weil sie geschmacklich grenzwertige Unterhaltung mit einem attraktiven Erscheinungsbild verknüpfen. Der Boom der geschmacklich grenzwertigen Unterhaltung ist nun einmal ungebrochen.

Der Niedergang der Romanhefte resultiert ja nicht daher, dass seichte Unterhaltung nicht mehr gefragt wäre. Ganz im Gegenteil. Wenn ich nur einmal anschaue, was das Fernsehen Abend für Abend an Unterhaltung bietet, dann beschleicht mich mitunter der Eindruck, als sei die totale Infantilisierung und Entertainisierung unserer Kultur nicht mehr zu überbieten. Da gibt es ja kaum noch etwas, was man als auch nur einigermaßen seriös betrachten könnte. Und in Filmen reichen einander die edlen Grafen, adeligen Frolleins und Ärzte in weißen Kitteln die Klinken in die Hand. Seichtes Zeuch konsumieren die Leute mit wachsender Begeisterung. Schon Mitte der 1980er Jahre hat der amerikanische Medienphilosoph Neil Postman darüber ein Buch geschrieben, das im Titel feststellte „Wir amüsieren uns zu Tode“.

Die Leute suchen sich jedoch aus der schier unerschöpflichen Fülle des Angebots, das aus, was in jeder formalen und inhaltlichen Hinsicht auf der Höhe der Zeit ist. Sie wollen das nicht auf billigem Schmierpapier in einer Zeit präsentiert bekommen, in der es ausgezeichnet gestaltete und formal facettenreich produzierte Unterhaltung in hervorragendem Design an jeder Straßenecke zuhauf gibt – einer Zeit, in der selbst billiger Kitsch in wohlgestaltetem Design und gepflegtem Ambiente daher kommt.

Die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung rühren aus dem Umstand, dass Heftromane für die meisten Verlage über Jahrzehnte hinweg ein Erfolgsmodell waren. Das ist nur scheinbar ein Paradox. Hätten sie wechselhafte Zeiten durchlebt, wären sie vielleicht problemlösungsfähiger geworden.

Der amerikanische Innovationsforscher Clayton M. Christensen hat sich empirisch mit der Frage beschäftigt, warum gerade hervorragend geführte Unternehmen scheitern. Er gelangte zu der bestens dokumentierten Schlussfolgerung, dass große erfolgreiche Unternehmen am häufigsten an tiefgreifenden Marktveränderungen scheitern, während kleine Kreativschmieden zu ungeahnter Größe aufsteigen können.

Wenn Erfolgsmodelle ein bisschen zu kriseln beginnt, fangen Unternehmen an, ein bisschen an den Symptomen herumzukurieren: ein bisschen besseres Papier, ein neues Layout, eine etwas bessere Gesamtausstattung und ein Farbfoto auf dem Titel. Was es da so alles gibt. Ein Relaunch halt – wie das auf Deutsch heißt.

Da die Krise sich jedoch daraus ergibt, dass all das, was bisher das Erfolgsmodell ausgemacht hat, nicht mehr funktioniert, lässt sie sich mit Kinkerlitzchen nicht aufhalten. Und plötzlich ist der große Totalzusammenbruch da. Die alten Rezepte, die bisher zum Erfolg geführt haben beziehungsweise genauer: den Erfolg ausgemacht haben, lösen nun den Totalzusammenbruch aus.

Wenn das alte Erfolgsmodell nicht mehr funktioniert, gibt es nur eine Lösung: Das Unternehmen muss nach völlig neuen Denkansätzen suchen. Am besten beschäftigt sich jemanden mit Lösungsansätzen, der mit keinem der alten Erfolgsmodelle überhaupt nur vertraut ist. Jemand, der völlig neu und unbefangen an die Situation herangeht und vor keiner noch so abgefahrenen Idee zurückschreckt.

Einschneidende Marktveränderungen sind nicht kalkulierbar. Sie unterlaufen die in bestehenden Unternehmen angewendeten Rentabilitätskalküle. Etablierte Unternehmen sind auf ihre bereits vorhandenen Kunden und damit die bestehenden Märkte fixiert. Der Beitrag radikaler Neuerungen zu Gewinn und Umsatz ist zunächst inkremental, somit für bestehende Unternehmen geschäftlich uninteressant. Radikale Neuerungen verlangen meist neue Qualifikationsprofile und sind damit an die bestehenden nicht anschlussfähig. Sie verlangen unternehmerische Kompetenzen, die in bestehenden Unternehmen nicht verfügbar sind.

Paradox daran erscheint auf den ersten Blick: Bestehende Unternehmen scheitern nicht weil ihr Innovationsmanagement nichts taugt oder ihr Controlling versagt. Gerade Unternehmen mit hervorragendem Management scheitern beim Versuch, einschneidende Veränderung schöpferisch zu bewältigen.

Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit für etablierte Firmen, den Weg der revolutionären Innovation zu gehen. Um sich aus der Abhängigkeit von Konsumenten und Investoren zu befreien, ist es notwendig, eine autonome Organisation zu bilden, deren Aufgabe es ist, ein neues Geschäft zu bilden, das gänzlich auf die neue Technologie zugeschnitten ist. Ausschlaggebend ist dabei die veränderte Kostenstruktur. Die gegründete Organisation spricht dann einen neuen Kundenstamm an, der sich fern vom Konsumenten des Kerngeschäfts befindet.

Die meisten Printmedienhäuser betrachten das Internet noch immer nicht als eine nachhaltige Innovation. Etablierte Verlage neigen institutionell dazu, auf nachhaltige Technologien zu setzen, das heißt auf die kontinuierliche Verbesserung dessen, was sie schon immer getan haben. Man kann auch Romanhefte als Paradebeispiel dafür betrachten, wie etablierte Unternehmen im permanenten Rückzugskampf durch nachhaltiges Innovieren in der Bewältigung einer radikalen Veränderung des Markts an Boden verlieren und fassungslos dem eigenen Bedeutungsverlust zuschauen.

Kommentare  

#1 Pisanelli 2010-11-16 09:43
Diese Aussagen decken sich genau mit dem, was ich selbst auch denke. Ich bin überzeugt davon, dass im Bereich von Ebook und Internet Möglichkeiten für den Heftroman liegen - nur darf man ihn nicht mehr Heftroman nennen und muss quasi einen Neustart mit einem neuen Kundenkreis beginnen. Ich werde mich in meiner nächsten Kolumne ein wenig mit dem Thema auseinandersetzen. Aber ich bin schon mal ganz angetan, dass meine eigenen Überlegungen offenbar in eine ähnliche Richtung gehen wie Herr Koschnick das hier so gut zusammenfasst.
#2 karl 2010-11-16 14:06
Neuer Kundenkreis ist immer gut. Und ich würde mir auch keinerlei Sorgen machen, daß der alte Kundenkreis nicht irgendwann auch dazu stößt. Sollten sie nicht sowieso bei den Pionieren dabei sein. :lol:
Die "Alten" murren und maulen seit Jahrzehnten rum, daß ihnen ihre Lieblingsserie nicht mehr gefällt, bleiben aber sowieso immer bis zum bitteren Ende dabei.
Und falls einer aus dem alten Kundenstamm mal bockig und trotzig den Kauf einstellt, holt ihn in einem halben Jahr eh wieder die Versuchung ein und er kauft sich seine Reihe nach.

Seit fünf Jahren will z.B. ich mit dem Konsum der strumpfbehosten Superhelden aufhören. Und immer wieder gibt es ein Mega-Event, das ich lesen möchte.

"Der Heftroman" ist prädestiniert für den neuen Markt. Heißt dann "neudeutsch" E-Dime(nsion) Novel, bringt dem Kunden drei Variantcover zum Aussuchen, eine dynamische Online-Leserbriefseite, eine Print on Demand-Funktion mit einem Cover oder allen dreien für den eingefleischten Sammler und noch andere Online-Gimmicks, die für Marketingstrategen nicht so schwer erkennbar sein sollten.
#3 Thomas Knip 2010-11-17 01:56
eBooks müssen nicht einmal unbedingt der Weisheit letzter Schluss, wenn wir von der Zukunft des Heftromans sprechen.

Wenn man es schafft, sich von der Form zu lösen - sei es Romanheft oder Taschenheft -, geht es um das Wichtigste: den Inhalt.
Wichtig ist, dass es die Art von Geschichten weiter gibt. In eBooks geht das günstig. Die Alternative machen Verlage wie Zaubermond vor: Relativ hochwertige Hardcover zu relativ günstigen Preisen.
Als Fan kann man sie sich leisten, Zaubermond kann davon leben. Damit ist beiden gedient.

Wobei solche Hardcover natürlich nicht das Grundprinzip des Heftromans widerspiegeln: Leichte Unterhaltung zu einem unschlagbar günstigen Preis.

Das ermöglicht das eBook dann wiederum gerade Autoren ohne Verlag im Hintergrund; ein eigenes Projekt ohne finanzielles Risiko zu beginnen - ohne jegliche Vorgaben durch Lektoren oder Redakteure. Für neue Serien sehe ich hier sogar mehr Chancen als für etablierte.
#4 Harantor 2010-11-17 02:22
Zaubermond und die anderen, die Heftnachdrucke in Hardcover oder Paperback anbieten sind IMHO (auch wenn die Preisgestaltung unter Berücksichtigung von Auflage, Lizenzen etc. nachvollziehbar ist) eben nicht zu "relativ günstigen Preisen" zu bekommen.

Zum Beispiel: Zwei Heftromane kosten mich am Kiosk nicht einmal vier Euro. Zwei Taschenhefte unter 6,- ?. Für ein Zaubermond-HC mit zwei Heften zahle ich 14,95 ?. Verdoppele ich diese Summe bekomme ich den neuesten Follett mit über 1.000 Seiten dafür. Auch Taschenbücher bekomme ich für 14,95 ? in gewaltiger Auswahl und Umfang. Für mich ist das ein deutlich besseres Preis/Leistungs-Verhältnis.

Und da ist die Crux der Kleinverlage. Sie erreichen nicht mehr als das Ghetto der Sammler und Fans. Als Alternative zum Heftroman, der Massenunterhaltung sein soll, nicht das Mittel der Wahl.

Für Sammler und Fans aber mit Sicherheit eine Hilfe und Bereicherung.
#5 Thomas Knip 2010-11-18 01:22
Ganz klar, die Hardcover-Ausgaben richten sich an ein Sammlerpublikum (wobei die Auflagen mancher Romanhefte inzwischen auch schon eher Sammlerauflagen sind ... :-* ).

Nur das ist eben auch der Punkt: Wenn aus einem Massenmarkt nun ein Nischenmarkt wird, dann macht es Sinn, für diese Nische so hochwertig wie möglich herzustellen.
Sammler und Fans sind gemeinhin eher bereit, auch mal mehr Geld für ihr Hobby springen zu lassen.

Den Massenmarkt erreichen Romanhefte derzeit schon nicht einmal mehr. Und eBooks sind in D noch weit davon entfernt, ein Massenpublikum anzusprechen.

Ergo wird der Heftroman bis auf Weiteres sein karges Dasein fristen.

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