Brauchts das? - Ist das denn echt?
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Weit gefehlt, wer glaubt, dass die künstlich erschaffenen Welten billiger sein würden als aufwendiger Kulissenbau und das Bezahlen von Statisten. Nach wie vor halten sich Programmierer und Handwerker finanziell die Waage. Um beim Exempel LEGALLY BLONDE 2 zu bleiben, war hier das Einhalten des Drehplans der Vater des Effekt-Kindes. Absurde Verträge machen einen zusätzlichen Drehtag um ein Vielfaches teurer als einen herkömmlichen.
Es ist alles eine Frage des Image, wenn man einen Film auf CGI (Computer Generated Imagery) hin ausrichtet. Damit entfällt allerdings ein künstlerischer Entstehungsprozess während der Dreharbeiten, weil keine Freiheiten mehr gegeben sind. Die Arbeiten am Computer laufen zeitgleich zum Dreh der Live-Action-Sequenzen. Eine Abstimmung beider Arbeitsprozesse für kurzfristige Änderungen ist nicht einfach nur kostenintensiv, sondern auch ein logistischer Alptraum. Das mussten die Effekt-Spezialisten von WETA erfahren, als zwei Monate vor der Premiere Regisseur Peter Jackson entschied, das im bereits fertigen Film KING KONG der Hauptdarsteller älter, gemeiner und geschundener aussehen sollte.
Im Bereich der Effekte wird innerhalb der Branche zwischen den Spezial-Effekten und den visuellen Effekten unterschieden. Der Spezial-Effekt wird vor dem verwendeten Aufzeichnungsgerät erzeugt und direkt aufgenommen, der visuelle Effekt hingegen entsteht nach der Aufnahme durch Manipulation des Materials. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist dieser Unterschied überhaupt nicht relevant, doch als Bezeichnung betrifft es vollkommen unterschiedliche Handwerkstypen.
Filmische Effekte gibt es seit Anbeginn des Films. In gewisser Weise kann man sogar ANKUNFT EINES ZUGES der Brüder Lumière von 1895 schon als einen einzigen Effekt bezeichnen, in dem die Filmpioniere einen Zug in einen Bahnhof auf die Kamera zu fahren ließen. Der noch unbedarfte Zuschauer kannte solche Aufnahmen noch nicht und erschrak selbstverständlich ob des immer größer werdenden Objektes. Ob tatsächlich Menschen in Panik schreiend aus den Vorführzelten stürmten, gehört wohl zu den modernen Legenden des Kinos. Aber die Wirkung war nicht verfehlt.
Als sich das Kino um die Jahrhundertwende immer mehr kommerzialisierte, begann man auch viel bewusster mit den ersten Spezial-Effekten zu arbeiten. Wobei der älteste aller Tricks noch viel früher erfunden wurde, nämlich die angehaltene Kamera. Eine Aufnahme wird gedreht, die Kamera angehalten, nichts darf sich weiter bewegen, dann entfernt man ein Objekt oder fügt eines hinzu und dreht weiter. Wie durch Magie erscheint oder verschwindet etwas in der Szenerie. Natürlich sieht das heute mehr als lächerlich aus, allerdings nur, weil wir die Zusammenhänge besser begreifen. Zur damaligen Zeit brachte das die Leute zum Staunen. Oder waren wir nicht alle erschrocken, wie real der T-Rex in JURRASIC PARK uns anschrie?
Mit der Jahrhundertwende kam schon das Verfahren von MATTE PAINTING ins große Spiel der Illusionen. Eine Glasscheibe wird vor der feststehenden Kamera ebenso fest installiert. Man kann darauf Vordergründe malen, wie zum Beispiel Palmen, wenn sich dahinter die Protagonisten in einer Dschungellandschaft bewegen sollen, oder Gesteinsformationen wie bei Méliès 1902 entstandenen TRIP TO THE MOON.
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Warum Glas? Weil man mit entsprechender Beleuchtung von hinten das Bild in Helligkeit und Brillanz der realen Umgebung anpassen konnte. Nebenbei sei erwähnt, dass die Matte-Maler echte Künstler in der fotorealistischen Darstellung von Umgebung sind. Na ja, die meisten jedenfalls. Dennoch wurde ihre Leistung bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts nie im Vor- oder Abspann gewürdigt. Die Studios wollten nicht zugeben, dass sie mit Hilfe dieser Künstler kräftig im Budget gespart hatten.
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Die Kamera konnte sich aber noch immer nicht bewegen. Doch die Lösung war nicht sehr weit, weil sich auch Matte Painting um wesentlich verbessert hatte, mit deutlich höherem Aufwand selbstverständlich.
Auf der Glasplatte vor der Kamera wurde der Bereich des zu ersetzenden Hintergrundes schwarz bemalt, damit dieser nicht belichtet wird. Die Szene mit dem minimalen Set wurde gedreht, und anhand eines Referenzstreifens fertigt der Künstler die MATTE. Die eigentliche Szene wird noch nicht entwickelt. Bei der fertigen MATTE wird nun der Bereich schwarz angemalt, in dem sich die Live-Action abspielt. Erneut helfen Teststreifen, das Material der MATTE-Aufnahme bei der Entwicklung an den Live-Action-Film anzupassen. Der Teil mit den Darstellern wird jetzt noch einmal belichtet, nämlich mit dem MATTE-Material, das nun in den noch nicht belichteten Bereich des Live-Action-Films gebrannt wird. Dass der vorher belichtete Bereich wieder mit Schwarz abgedeckt werden muss, versteht sich fast von selbst, man will ja eine Doppelbelichtung vermeiden. So schreitet Claudette Colbert in Los Angeles durch die Landschaft des Himalaya.
Wie sollte es auch anders sein, auch von dieser Methode gibt es leicht differenzierte Varianten, die in ihrer Gesamtheit aber nichts zur Sache tun, weil das Prinzip bestehen bleibt.
MATTE bedeutet eigentlich nichts anderes als Maske. Wie konnte sich nun zum Beispiel ein Mensch in einer vollkommen irrealen Welt bewegen? Angenommen wir haben eine Aufnahme einer Mondlandschaft, mit einer wunderschönen Raumstation. Nun soll sich hier einer im Raumanzug bewegen und wichtige Dinge tun.
Oder man will ein Raumschiff durch eine total unwirkliche Welt fliegen lassen? Frank Williams meldete da bereits 1923 ein Patent an. Die bewegliche Maske, das bis heute gültige Kernstück visueller Effekte.
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Im Labor wird nun dieser Hintergrund auf die REVERSE MATTE kopiert. Da nur der weiße Teil lichtdurchlässig ist, bleibt die Silhouette des einzufügenden Objektes (unbelichtet) über dem Hintergrund.
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Warum manche dieser Effektschüsse aus den 1940ern besser aussehen wie welche aus den 1980ern, hat erstaunlicherweise nichts mit dem Material, oder den Gerätschaften, oder der Zeit zu tun. Es liegt schlicht und ergreifend an der Qualität der Rotoskopie. Natürlich bleiben oftmals sichtbare Ränder bei einem TRAVELING-MATTE-Effekt. Sehr, sehr einfach ausgedrückt, wird bei der Rotoskopie der fertige Effekt nachbearbeitet, indem die Ränder zwischen Hintergrund und eingefügtem Objekt Bild für Bild, meist per Hand, nachbearbeitet werden.
Besonders wahnsinnige Spezialisten kopierten wirklich jedes einzelne Filmbild der 22mm x 16mm großen Vorlage auf zum Beispiel DIN A 4 Größe auf, retuschierten kräftig und filmten diese Bilder wieder mit Einzelbildschaltung ab, ganz wie bei einem Zeichentrickfilm. Wenn man bedenkt, das eine Filmsekunde vierundzwanzig Bilder hat Respekt!
Was 1923 begann, hatte noch uneingeschränkte Gültigkeit, als 1976 STAR WARS in Produktion ging. Alles eine Frage der Maske. Was nichts anderes heißen soll, als dass das als Beispiel genannte Objekt durchaus auch durch einen Darsteller ersetzt werden kann. Und schon zieht Clark Gable sein Pferdegespann durch das brennende Atlanta.
Oder wir machen den Unsichtbaren. Frank Whales Ballade des bedauerlichen Wissenschaftlers, die er 1933 mit Claude Raines drehte, ist mustergültig im Gebrauch von TRAVELING MATTE. Für sein Entstehungsdatum verzeichnete INVISIBLE MAN einen extremen Aufwand und eine heute noch erschreckende Perfektion in seiner Tricktechnik.
MATTE PAINTING und das daraus entwickelte TRAVELING MATTE bilden den Grundpfeiler der Tricktechnik, weil sie in Kombination mit anderen Tricktechniken erstaunliche Welten öffneten. Dazu sei noch erwähnt, dass man in den Disney Studios mit speziellen Hintergründen und Sodium-Lampen das Verfahren dahingehend veränderte, dass es möglich wurde, reale Darsteller in eine gezeichnete Welt zu transferieren. Ub Iverks würdigte man dafür 1965 mit einem Oscar, als dies erstmals bei MARY POPPINS gezeigt wurde.
TRAVELLING MATTE ist im Übrigen ein Verfahren, das sich von der rein mechanischen Arbeit 1923 bis in den Computer heutzutage hinein erhalten hat. Je nach Quelle werden INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE oder DIE HARD 2: DIE HARDER genannt, die als erstes ein MATTE PAINTING im Computer mit Realfilm zusammenfügten.
Bis auf die Tatsache, dass noch so einige Tricktechniken zu behandeln sind, können wir schon ein schönes Fazit ziehen. Welches hier lautet? MATTE PAINTING kann ein Spezial-Effekt sein und TRAVELING MATTE ein visueller Effekt. Schönen guten Abend.
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