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Around The Corner - Das Zusammenspiel des Fernen Ostens und des Nahen Westens

Around The CorberDas Zusammenspiel des Fernen Ostens und des Nahen Westens 
Die Wege der gegenseitigen Beeinflussung

Neben einer Exploration des Jazzigen Soundtracks von „Cowboy Bebop“ und einer kurzen Bemerkung zur amerikanischen Serie „Avatar: The Last Airbender“ in der Artikel Serie über den Anime im Allgemeinen, habe ich es bisher vermieden weiter in das komplexe Thema einer gegenseitigen Beeinflussung einzutauchen.

 

Jedoch, in Zeiten einer voranschreitenden Globalisierung und der daraus resultierenden Vermischung von kulturellen Einflüssen, die auch vor den zahlreichen Medieninhalten nicht Halt machen, ist es extrem spannend zu beobachten, in welcher Form diese Einflüsse kommen und wie sie sich jeweils in das medial-kulturelle Umfeld einordnen.

Auf einen ersten Blick erscheinen die Berührungspunkte als nicht besonders zahlreich, jedoch je weiter man sich umschaut, um so mehr Serien fallen auf.

Dabei ist zwischen drei Dingen wesentlich zu unterscheiden.

Zum einen gibt es die entsprechenden Zusammenarbeiten, die in den letzten Jahren einen Anstieg zu verzeichnen haben. Hier geht um Werke, bei denen beide Seiten ein Maß an Beteiligung nachgewiesen werden kann. Das impliziert umfangreiche Produktionen, sowie auch die Federführung bei einzelnen Episoden oder auch entsprechende Designs von Charakteren oder auch Welten.

Ein anderer Punkt ist das Aufgreifen von Motiven und Thematiken. Das umfasst das Umsetzen von Büchern und anderen Werken des einen Kulturkreis in den eigenen.

HeidiEine vielleicht noch andere Ebene ist vor allem die Adaption von bestimmten Techniken bei der Produktion, hier vor allem auf das Design der Charaktere bezogen.

Natürlich lässt sich in den meisten Fällen nicht eine einzelne Ebene auf den entsprechenden Anime oder auch die Cartoon-Serie anwenden, sondern es ist fast immer eine Kombination aus mehreren Merkmalen aller Ebenen.

Ebenso lässt sich die Beeinflussung an einem unterschiedlichen Grad fest machen. Die Bewegung von West nach Ost scheint dabei im Wesentlichen einfacher zu erfolgen, als eine thematische Aufnahme in die andere Richtung. Die japanische fiktionale Welt ist wie ein Schwamm, der alles aufnimmt was passen könnte (oder auch nicht). Themen, Motive, Geschichten, Märchen, Legenden, Symbole etc. finden einen umfangreichen Einzug in die vielfältige Welt des Anime und Manga Genres.

Die Translation in die andere Richtung fällt ungleich schwerer, da in vielen Punkten fremder. Die japanische Mythenwelt, oder auch im Allgemeinen die asiatische, ist eine anders beherrschte, als eine europäische oder gar amerikanische. Die Symbolsprache ist anders und nicht einfach zu durchdringen.

Hier ist es meist weniger die Übernahme von Symbolen, sondern viel mehr ein Bezug zum anderen Animationsstil, die Art des Geschichtenaufbaus und die Strukturierung der gesamten Produktion. Dies spiegelt sich viel in der Frage von Held und Gegenspieler wider. Die Grenzen im japanischen sind meist nicht auf eine solch einfache Art zu ziehen, wie es in vielen amerikanischen Produktionen ist. Wer Gut und Böse ist, ist nicht immer gleich zu erfassen, die Frage liegt immer in der Motivation: Warum tut ein Charakter etwas? Natürlich finden wir hier auch das simple Böse, aber in vielen Fällen gilt es zu unterscheiden, und Böse ist nicht gleich Böse.

Die eine Richtung
Der einfachste Weg, eine fremde Kultur in die eigene zu übernehmen, ist wohl an Hand deren Literaturadaption. Der eine oder andere mag sich vielleicht daran erinnern, das einmal vor Jahren im deutschen Fernsehen Animationsserien ausgestrahlt worden waren, die klassische Kinderbücher aufgegriffen hatten. All diese waren Anime-Produktionen im Rahmen des „World Masterpiece Theater“.

Anne mit den roten HaarenEine Produktionssreihe, die von 1969 bis 1997 jedes Jahr eine klassische Buchadaption herausbrachte. Sie umfasst dabei Titel wie „Peter Pan“ (Peter Pan no Bouken, 1989, nach J.M. Barries), „Anne mit den roten Haaren“ (Akage no Anne, 1979, Lucy Maud Montgomery), „Heidi“ (Alps no Shoujo Heidi, 1974, Johanna Spyri), „Wunderbare Polyanna“ (Ai Shoujo Pollyanna Monogatari, 1986, nach Eleanor H.Porter), „Kleine Prinzessin Sarah“ (Shoukoujo Sarah, 1985, nach Francis Hodgson Burnett), „Das Geheimnis von Daddy Langbein“ (Watashi no Ashinaga, 1991, nach Jean Webster).

Damit sind sie alle eine japanische Adaption eines westlichen kulturellen Materials. Viele dieser Bücher haben auch durch die westliche Welt eine Umsetzung im Rahmen von Filmen oder auch Serien erfahren.

Robin Hood no DaibokenViel wurde an ihnen teilweise nicht geändert. Peter Pan nimmt hierbei wohl die stärkste Ausnahme ein, eine Adaption, die sich zu phantastischen Höhepunkten empor schwingt. Ebenso lassen sich auch andere Umsetzungen finden: „Hanni & Nanni“ von 1991 nach Enid Blayton, oder auch die vielleicht etwas eigenwillige Umsetzung der Robin Hood Thematik in „Robin Hood no Daiboken“, die von 1990 bis 1992 im japanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Doch da hört es nicht auf.
 
Wer die letzten Produktionen von Studio Ghibli verfolgt hat, wird auch hier Umsetzungen von westlicher Fiktion gefunden haben: In Ursula L. Guins Erdsee-Saga fand Goro Miyazaki seine Inspiration für „Gedo Senki“ (Die Chroniken von Erdsee) aus dem Jahr 2007. In dem bereits vorgestellten Film „Ponyo“ (2008) lassen sich Motive aus „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen wieder finden, „Das Wandelnde Schloss“ (2004) von Hayao Miyazaki ist eine nahezu direkte Umsetzung von Diana Wynne Jones' Kinderbuch „Sophie im Schloss des Zauberers“.

Auch die neuste Produktion aus dem Hause Ghibli findet seine Wurzeln in der fiktionalen Welt des Westens: „Karigurashi no Arriety“ (2010) von Hiromasa Yonebayashi ist eine Umsetzung der Novelle „Ein Fall für die Borger“ (The Borrowers) von Mary Norton.

Star Wars MangaDoch nicht nur die klassische oder auch literarische Welt wird herangezogen um neue Geschichten erzählen zu können, auch mediale populären Themen finden ihren Niederschlag. So erfasste auch Japan das einstige und immer noch anhaltende Phänomen  „Star Wars“. 1997 wurde eine mehrteilige Reihe von Manga zu jeweils einem der Filme der originalen Trilogie herausgebracht, jeweils von unterschiedlichen Künstlern und mit einer etwas eignen Interpretation bestimmter Schlüsselmomente. 1999 folgte dann auch die Interpretation des ersten Films der neuen Trilogie.

All diese Beispiele sind die offensichtliche Aufnahme von Momenten der westlichen kulturellen Welt und ihre Umsetzung und auch Translation auf das japanische Medium von Anime und Manga. Mal mehr und auch mal weniger gelungen.

Doch ebenso gibt es auch die subtileren Einflüsse, bekannte Bücher und Filme, die die Geister der Schreiber einst beeinflusst haben und auch immer noch beeinflussen, Werke aus dem Fantasy und Science-Fiction Bereich, die mit Motiven arbeiten, die sich in verschiedenen Thematiken wieder finden lassen.

Auf der anderen Seite gibt es auch neuerdings Zusammenarbeiten von Sektoren, die man lange als nicht allzu vereinbar gesehen haben mochte. Marvel und Madhouse Studios haben eine längere Kollaborationsarbeit begonnen, die am Ende vier Animeproduktionen umfassen soll. Den Anfang hat dabei die Animeadaption von „Ironman“ gemacht, in der nächsten Season 2010/2011 gefolgt von „Wolverine“. Ebenso folgt vom gleichen Studio eine mehrteilige Umsetzung der US-Amerikanischen Prime-Time Serie „Supernatural“ (The WB 2005-2006, The CW 2006-jetzt).

Hier lässt jedoch im Gegenteil von den oberen Beispielen von einer direkten Zusammenarbeit sprechen. So wird vor allem Marvel sein Ruder nicht leichtfertig aus der Hand geben.

Dabei ist dies aber auch nicht wirklich die erste japanische Umsetzung einer amerikanischen Heldenwelt. So fand schon „Spiderman“ 1970 bis 1971 eine Manga Adaption durch Ryoichi Ikegami.

HeromanEin besonderes Augenmerk gilt es hier noch einmal auf Spidermans Erfinder Stan Lee zu werfen. Dieser setzte zusammen mit Studio BONES „Heroman“ im Jahr 2010 als Anime und Manga um. Leider gilt es festzuhalten, das es eine der schlechteren Produktionen des renommierten Studios ist. Nicht in Fragen der Animation, sondern in Fragen der storytechnischen Entwicklung, die über die am Anfang gesetzten Grundsteine der Geschichte nicht hinausgehen. D.h., dass die Erzählung sich nach ein paar Episoden einfach nicht mehr weiterentwickelt.

BatmanAber auch Batman fand seine Adaption in „Batman: The Child of Dreams“ im Jahr 2000, adaptiert von Kia Asamiya. Bekannter wurde aber wahrscheinlich 2008 die Kurzanimationsfilmreihe „Batman: Gotham Knight“, deren einzelne Teile recht harscher Kritik unter ielen.

Ein ähnliches Projekt wurde schon einmal ins Rollen gebracht, 2003 erschien „The Animatrix“. Ein Kurzfilmprojekt, bestehend aus 9 Animationen, die den Film „The Matrix“ (1999) noch einmal ein Stück weitererzählen und auch einige Aspekte einer eigenen Interpretation nach vertiefen.

Drei Jahre Arbeit und eine direkte Zusammenarbeit mit den Wachowski Brüdern stehen dabei hinter diesem Werk. Auch hier waren die Kritiken für die einzelnen Stücke recht unterschiedlicher Natur.

Jedoch offensichtlich ist das Eigene, das das Genre Anime in diese Welt hineingetragen hat. So ist bekannt, das die Wachowski Brüder Fans von Anime und Manga sind. Ein Einfluss, der sich in ihrem Werk durchaus finden lässt.

Die andere Richtung
Wie schon an Hand der Matrix zusehen geht diese Beeinflussung natürlich auch in eine andere Richtung. Neben dem ewigen Streit um die Frage in wieweit Disney seinen „König der Löwen“ (The Lion King, 1994) auf „Kimba – Der weisse Löwe“ (Jungle Taitei, 1965 bis 1966, nach dem gleichnamigen Manga von Osamu Tezuka) beruhen ließ, trotz erstaunlicher Ähnlichkeiten, bestreitet Disney noch heute darauf Bezug zu nehmen, gibt es auch das eine oder andere Glanzstück.

AvatarDie wohl bekannteste Serie der letzten Jahre in dieser Beziehung ist: „Avatar – Der Herr der Elemente“ (Avatar: The Last Airbender, 2005 – 2008, Nickelodeon). Sie vereint nicht nur Symbole des asiatischen Kontinents in sich, sondern erfreute den Zuschauer auch mit einer wunderbaren Storyentwicklung, die für viele animierte US-amerikanische Comicserien leider ein Fremdwort ist. Doch Avatar vereint in sich, glaubwürdig, die Style beider Welten und schreckt auch nicht vor Themen wie Tod, Verrat und Hass zurück.

In eine etwas andere Richtung ging die Umsetzung von Marvel Protagonisten in der Mini-Reihe: „Marvel Mangaverse“ (2000-2002, Sequel in 2005/2006). Basierend auf einem ehr alternativen Marvel Universum, porträtiert es einen recht kruden amerikanischen-japanischen Zeichenstil.

Ninja High SchoolBeruhend auf einem ähnlichen Stil aber um einiges älter ist die Comicserie: „Ninja High School“ von Ben Dunn (seit 1987). Sie nahm ihren Anfang als eine tatsächliche Parodie auf das japanische Anime Genre und entwickelte sich von da zu einer allgemeineren Parodie auf die Comicwelt, dennoch mit dem Fokus auch weiterhin auf populäre Anime-Serien.

Ein besonderes Augenmerk gilt es hier noch auf Realverfilmungen zu werfen. Hollywood hat begonnen, mehrere populäre Serien als umsetzungsfreundliches Material zu betrachten. Neben der wirklich schwachsinnigen Version von Dragonball in „Dragonball Evolution“ (2009, James Wong), gibt es konkretere Pläne für „Cowboy Bebop“ und Gerüchte um „Neon Genesis Evangelion“ und  „Vampire Hunter D“.

Damit hören die Beispiele natürlich nicht auf. Einflüsse in der Comic Welt sind teilweise ebenso schwer zu durchdringen wie im klassischen Literatur Genre oder auch in der Welt der realen Filme. Denn natürlich fließen all die Dinge, die man einmal gesehen hat, in die Konstruktion einer fiktionalen Welt mit ein. Immer wieder dabei in unterschiedlichen Maße.

Gewisse Stilveränderungen in den Zeichnungen lassen sich jedoch zu einem unterschiedlichem Grad aus machen. Natürlich lässt sich nicht hinter jedem großgezeichneten Auge ein größerer japanischer/asiatischer Einfluss vermuten, dennoch hat sich seit der westlichen Öffnung für den asiatischen Osten einiges in der Aufnahme und Umsetzung von Comics geändert.

Aber auch Japan hat viel der westlichen kulturellen Welt angenommen und sich mehr und mehr der Möglichkeit geöffnet, auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu gehen und mit anderen Welten zusammenzuarbeiten um etwas Neues kreieren zu können.

Hier und da klingen dabei auch Töne an, die von einer Veröstlichung der einen Richtung, oder auch Verwestlichung der anderen sprechen. Ich sehe es mehr als ein Zusammenwachsen und gegenseitiges Lernen um daraus für seinen eigenen Kulturkreis etwas eigenes kreieren zu können.

Einflüsse fremder Natur sind dabei unvermeidlich und sollten als eine Bereicherung gesehen werden und nicht als ein Fremdkörper.

In zwei Wochen: Die Inventur-Liste: Deutsche Manga von deutschen Künstlern

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