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Griff nach den Sternen - Sonderausstellung in Nürnberg

Griff nach den Sternen - Sonderausstellung in NürnbergGriff nach den Sternen
Sonderausstellung in Nürnberg

Das hört sich ja interessant an. Bin eigentlich kein Museumstyp. Aber GRIFF NACH DEN STERNEN könnte witzig sein. Hab beruflich schon so viele Ausstellungen gefilmt und mich nie wirklich dafür interessiert. Na ja, im Spielzeugmuseum ist das bestimmt was anderes, außerdem hat‘ ich ja selbst mal 'nen Roboter.

Komm, das machste.

Zum Spielzeugmuseum gefahren und mir vorgestellt, jetzt 'ne ganz tolle Ausstellung zu sehen. Ich könnt‘ ja dann in ganz distinguierten Worten im ZAUBERSPIEGEL darüber schreiben und dabei unheimlich intelligent klingen. Komm, das machste.
Die dicke Kassiererin hinter der Kassentheke lächelt ihr Nürnberger Lächeln, nämlich gar nicht.
„Ich wollte in die Sonderausstellung.“
„5 Euro.“
„Nee, nur den GRIFF NACH DEN STERNEN.“
„Alles drin,“ typisch fränkische Antwort. Kurz und prägnant. Hinter dem Kassenbereich kann ich schon den Raum sehen, wo es verdächtig abgedunkelt ist und aus Vitrinen funkelt. Scheint nicht groß zu sein und dann 5 Euro? Ich tue, was ich noch nie getan habe, und spiel die Fernseh-Karte aus.
„Ist denn jemand zu sprechen, der für die Ausstellung verantwortlich ist?“ Na klar, es ist Samstagnachmittag.
„Wer denn?“, kommt es nach wie vor fränkisch kurz zurück.
„Bin vom Fernsehen und bin eher spontan hier, deswegen hab ich mich noch gar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt. Wollte aber gleich mal recherchieren.“
Die Fernseh-Karte funktioniert immer perfekt, vor allem wenn man dann seinen Ausweis zeigt, wie ich es gerade professionell mache. Die Dicke bleibt ungerührt. Wir würden gut zusammenpassen, sie hat meine Statur.
Sie verweist mich mit verstörend knappen Worten auf Montag, um noch mal einen Verantwortlichen zu erreichen, und knöpft mir 5 Euro ab, weil ich die ja wiederbekommen würde, wenn ein Verantwortlicher sich meiner annehmen würde. Ihre Aussage allerdings hatte nicht mal halb so viele Worte.
Raketenwagen und Lunchbox

Ich versuche den Raum abzuschätzen. Wenn jemand professionell darüber berichten will, muss er so was wissen. Schätze 120 Quadratmeter. Wahrscheinlich weniger, bin darüber etwas verwirrt und suche einen Durchgang zu einem nächsten Raum, den es natürlich nicht gibt. Gehe also nochmal auf ein Pläuschchen zu meiner neuen Freundin.
„Gibt es noch mehr Räume für die Sonderausstellung?“
„Is‘ alles.“
Aha, also wieder zurück und Roboter und Weltraumspielzeug geguckt. Als erstes fällt mir ein Brettspielzeug aus den Fünfzigerjahren auf. DAS RAKETENFLUGZEUG – EINE LUSTIGE REISE von einem Hersteller aus meiner Heimatstadt Fürth. So was macht blödsinnigerweise stolz. Als nächstes fällt mir auf, wie wenig es eigentlich zu sehen gibt. Na ja, bin ja kein Museumsbesucher, vielleicht gehört das so.

SF-Spiellandschaften Oh, da ist 'ne Figur, die kenne. Mehrere Raumfahrer mit Gummigelenken und ihren Plastikzubehör. Stark, hatte ich auch eine. Les‘ das Schild und bin schockiert, das soll MATT MASON sein? Wird mit Tom Hanks und ganz großem Budget verfilmt. Tom Hanks mit Gummigelenken? Bin sehr gespannt.

Eine Vitrine ist mit Büchern, Bildern und einem Maßstabsmodell der V2-Rakete bestückt. Versuche den Zusammenhang dieser Geschichte zum Aspekt des Spielzeuges zu verstehen. Bin gescheitert.

In der gering bestückten Vitrine des Sowjet- und DDR-Spielzeugs seh ich ein Raketenauto aus Blech, das mein Vetter aus dem Osten mal hatte. Warum erinnere ich mich dran? Das is‘ 35 Jahre her. Bin überzeugt, das ich noch fünf Minuten vorher alles verwettet hätte, wenn jemand behauptet hätte, ich könnte mich an Spielsachen von irgendeinem Vetter erinnern, den ich seit 25 Jahren nicht mehr gesehen habe. Fühle mich alt, gehe aber trotzdem weiter.

Lese auf fast jedem Schild den Namen Gernot Münk, der alles ausgeliehen hat. Muss Münk dann mal zu Hause ‚googeln‘. Bin aber sofort abgelenkt, als ich bemerke, dass ich schon durch den Raum durch bin. Dreh deswegen noch eine Runde und entdecke 'nen japanischen Plastikscheiß, der meine Jugend bereicherte. Mann, mann, mann, wie konnt‘ ich den übersehen. Der klobige, dreißig Zentimeter hohe, schwarze Roboter steht viel zu dicht gedrängt zwischen acht bauähnlichen Artgenossen. Meiner hatte 'ne weiße Walze im Bauch, und wenn er ungelenk umherstapfte, wurde diese Walze von innen beleuchtet und zeigte schlechte Weltraum-Bilder. Beinahe übersehen, werde aber nicht wehmütig.
futuristische Spielzeugpistolen (li.) - Raumkapseln (re.)

Werde mürrisch, weil alles so eng in den Vitrinen beisammen steht. Keine Erklärungen, nur Hersteller und Jahrgang. Von Klaus Bürgle hängen in sämtlichen Vitrinen Gemälde utopischer Szenerien. Sehen aus wie die Cover von PERRY-RHODAN-Romanen. Muss mich bei Gelegenheit erkundigen, ob Rhodan und Bürgle schon mal was miteinander zu tun hatten.

Roboterparade Im hinteren Teil des Raums is’n zirka 18 Quadratmeter großes, durch 'ne Glasscheibe abgetrenntes Separee. Eine mit Sand simulierte Mondlandschaft. Eine Modepuppe hat den Anzug von Charles Conrad an, Pilot bei Apollo 12. Stark, bin begeistert. Die Puppe hat keinen Helm auf, deswegen wirkt sie extrem albern. Das Schild bezeichnet den Anzug als Nachbildung. Schade, bin enttäuscht. Nicht mal original und dann so albern in Szene gesetzt. Im Hintergrund ist ein gigantischer Bildschirm, auf dem unzusammenhängende, dafür unscharfe Videos vom Mond laufen. Disneyland wäre entsetzt. Ach, da ist ja Wall*E. Ganz hinten in der Mondlandschaft, Plastik und fünfzehn Zentimeter groß. Das jüngste Spielzeug in dieser Ausstellung. Beschließe, mir am Abend Wall*E auf DVD anzusehen.

Mit Wall*E sind Barbie und Ken in ihren Weltraumanzügen und R2D2 sowie C3PO die jüngsten Beispiele von Weltraum- und Roboter-Spielzeug. Viel Blech, ein bisschen Plastik, sogar die aus Lochblech zusammengeschraubten Exemplare sind da. Kapseln, Raketen, mit Fernsteuerungen, mit Aufziehschlüssel, viel aus den Neunzehnhundertzwanziger Jahren, noch viel mehr aus den Fünfzigern, trotzdem alles unkommentiert. Die Mondlandung jährt sich 2009 zum vierzigsten Mal, mag ja ein guter Anlass sein, der Aspekt fehlt in der Ausstellung trotzdem komplett. Bin ja kein Museumsgänger, vielleicht gehört das so.
Raumfahrzeuge

Alles zu dicht gedrängt. Stört mich echt. Fünf, sechs Exponate steh’n in Einzelvitrinen. Sind die was Besonderes, und warum? Kinder die mit ihren Eltern durch den Raum gehen, sind schnell wieder draußen. Aha, sollte das in meinem durchaus seriösen Bericht erwähnen, dass die Alten den Blagen nicht vermitteln konnten, dass mit sowas früher mal gespielt wurde. Also, die Ausstellung tut’s jedenfalls nicht, dieses Vermitteln. Macht nur alte Knacker wie mich wehmütig. Versuch‘ jetzt Kinder näher zu beobachten, wie sie reagieren. Natürlich kommen keine mehr. Stelle dann entsetzt fest, dass ich erst fünfzehn Minuten hier bin. Wie drück ich das bloß wohlwollend in meinem distinguierten Bericht aus?

Raketen Gehe zu meiner Freundin, bei der nicht zu erkennen ist, ob es sie quält, oder freut mich zu sehen. Mann, die hat echt meine Figur.
„Haben sie vielleicht einen Katalog, oder irgendetwas Erklärendes für die Sonderausstellung?“
„Nur den Flyer.“
Ah, ein englisches Wort richtig angewandt. Hilft mir aber nicht weiter, außer, dass ich hinter dem Mädel ein Schild entdecke, welches das Fotografieren ausdrücklich verbietet. Gute Idee. Ich gehe zurück und hole die Digitalkamera heraus. Knipse fröhlich vor mich hin, bis ich endlich feststelle, dass der Blitz sich in den Vitrinen spiegelt und die Bilder unbrauchbar macht. Wenn meine dicke Freundin wegen des Fotografierens kommen sollte, sie hat ja alle Monitore im Blick, würde ich sie wegen Beschneidung des Presserechts beschimpfen und einfach gehen. Stelle fest, dass dies allerdings grober Unfug wäre. Bleibe beim erneuten Ablichten Gott sei Dank wiederum unbehelligt und erspare mir eine große Blamage.

Beschließe, nach Hause zu gehen. Bin irgendwie enttäuscht, ohne es näher definieren zu können. Überlege dabei kurzzeitig, wie man ‚Definition‘ buchstabiert. Lenkt mich aber auch nicht weiter ab. Verabschiede mich schon aus Trotz nicht von meiner Freundin. Verwerfe auf dem Weg die blödsinnige Idee, einen Artikel über das Gesehene zu verfassen, bin ja kein Museumsgänger und vielleicht gehört das ja alles so. Beschließe dabei, lieber abzunehmen. Komm', das machste.
Mondlandschaft
GRIFF NACH DEN STERNEN
3. April bis 11. Oktober 2009

Spielzeugmuseum Nürnberg
Karlstrasse 13-15
90403 Nürnberg
Di. - Fr. 10 - 17 Uhr
Sa. + So. 10 - 18 Uhr
www.museen.nuernberg.de


 

Kommentare  

#1 Laurin 2009-06-23 02:03
Lach...der Artikel war gut :lol: , ich fand ihn erfrischend!
So einen schwarzen Roboter hatte ich auch mal, zwei Klappen die aufgingen und ratternd wie ein Maschinengewehr (sollte wohl auch eines sein).
Die Kassiererin hatte ich nicht :-* , Gott sei gedankt!
#2 Larandil 2009-06-23 08:37
Matt Mason - wollte ich damals auch mal, habe aber keinen bekommen.
Ich erinnere mich (neben den Robotern) noch an Vehikel, die auf Reihen von Beinchen vorwärts stampften (natürlich fragte ich mich damals nie, wie so ein Gerät wohl eine Kurve "läuft") und an eine "Hot-Wheels"-artige Kunststoffrennbahn, auf der man seine Apollo-Kapsel um den mitgelieferten Mond jagen konnte.
Einer der Rivalen von Matchbox - Corgy? Oder so ähnlich? - brachte pünktlich zu Apollo 15 ein Modell des Mondautos heraus, das dann pflichtgetreu unseren Garten erkundete.
#3 Pisanelli 2009-06-23 09:04
Vielen Dank für den sehr lustigen Artikel! Jaja, immer diese Konfrontationen mit Kindheitserinnerungen - oder auch nicht... ;-) Meine Brüder hatten nie einen Roboter oder ähnliches (ich sowieso nicht als Mädchen), das war für uns immer nur ein beneidenswertes Utensil im Besitz anderer Kinder (die man für solche Zwecke dann immer gut besuchen konnte ;-) ).
#4 Andrew P. Wolz 2009-06-23 11:50
Der "Mitbewerber" von Matchbox heißt Corgi, den gibt es heute noch. Hat traditionell auch meistens zum jeweils aktuellen Bond was rausgebracht. Zu Moonraker zum Beispiel ein Space Shuttle, bei dem man die Klappen öffnen konnte, um den darinliegenden Satelliten rauszunehmen und dessen Sonnenpaddel zu öffnen. Mein Gott, ich bin kurz davor, das Ding wieder in die Hand zu nehmen und damit zu spielen. Haltet mich bitte zurück! :cry:
#5 Harantor 2009-06-25 13:02
Schade, dass die Ausstellung nicht so dolle ist. Sonst hätte man mal 300 Kilometer Asphalt unter die Reifen nehmen können. Ärgerlich, aber sei bedankt für die Warnung...

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