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Ringo´s Plattenkiste - The Residents: Meet the Residents

Ringo´s PlattenkisteThe Residents: Meet the Residents

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik.

Einzig und allein.

Ringo´s PlattenkisteThe Residents sind eine ca. 1969 gegründete Formation, die bis heute aktiv ist. Charakteristisch sind eine kontinuierlich gehaltene Anonymität sowie ein ganz eigener Stil, der sich nur bedingt als Musik bezeichnen lässt. So lässt sich die Gruppe wohl auch besser als Kunst-Kollektiv bezeichnen, denn als Band.

Ab Januar 2018 ist das Label Cherry Red nun dabei, den gesamten Backkatalog in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen. Die Alben erscheinen als Doppel-CD´s in aufklappbaren Digipaks mit beigelegtem Booklet als „Preserved“ Editions.

Ringo´s PlattenkisteDen Anfang macht natürlich das Erstlingswerk „Meet the Residents“ aus dem Jahre 1974. Tatsächlich stammen die Aufnahmen aber von 1972-1973. Zuvor erschien bereits eine EP namens „Santa Dog“ in kleiner Auflage (500 Stück), die als Weihnachtsgruß an ausgewählte Freunde und Prominente verschickt wurde. Glaubt man dem Booklet, so sandte Richard Nixon sein Exemplar ungeöffnet und wortlos zurück!

Dies dürfte aber ins Reich der Mythen gehören, die für das Werk und die Existenz der Formation typisch und charakteristisch sind. Hierzu zählt auch ebenso das Gerücht, dass sich hinter der Maske der Residents die Beatles verbergen sollen. Derlei Mythen und Gerüchte wurden von den Künstlern selbst und auch ganz bewusst in Umlauf gebracht. Bei der Entstehung Beatles-Legende spielt auch das ursprüngliche Cover eine große Rolle, handelt es sich doch hierbei um eine Verballhornung des Plattencovers von „Meet the Beatles“. Auf Druck deren Plattenfirma wurde das Cover aber 1977 durch ein anderes ersetzt, das aber ebenfalls wieder an die Fab Four angelehnt ist. Die Residents sind hier graphisch dargestellt als Krabben- und Seesternköpfige Gruppe in Beatles-Anzügen, deren Namen Paul McCrwafish, George Crawfish, John Crawfish und Ringo Starfish lauten.

Ringo´s PlattenkisteDas Album erschien 1974 in Mono auf dem Residents-eigenen Label Ralph-Records und verkaufte sich sehr schlecht. Angeblich sollen nur 40 Exemplare davon im ersten Jahr verkauft worden sein. Die Platte erschien 1977 erneut, diesmal in besserer Klangqualität und in Stereo und mit neuem Cover. Allerdings war das Album ca. 7 Minuten kürzer als das Original. Die vorliegende Edition beinhaltet beide Versionen. Auf CD 1 ist das Album in Mono, auf CD 2 in Stereo.

Beide CD´s werden ergänzt durch Outtakes und sogenannte „Ephemera“, sowie auf CD 1 durch die „Santa Dog“ EP.

Ringo´s PlattenkisteDie beteiligten Musiker blieben anonym und sind bis heute ungenannt, es ist aber stark zu vermuten, dass zumindest zwei davon als Homer Flynn und Hardy Fox identifiziert werden können. Die femalen  Vocals stammen indes eindeutig von einer gewissen Pamela Zeibak.

Es ist offensichtlich, dass die Tracks keinesfalls in einem professionellen Studio aufgenommen wurden, sondern in einem technisch eher bescheidenem Privatstudio. Zeitweise wurde mit einem gebräuchlichen  Kassettenrekorder aufgenommen, später dann aber immerhin mit einem 4-Spur Bandgerät.

An Instrumenten wurde so ziemlich alles verwendet, was man so auftreiben konnte; vermutlich wurden sogar Bekannte und Freunde,  die zufällig anwesend waren, eingeladen mitzumachen. Dominierend sind Piano, Blasinstrumente, sowie diverse Percussions. Auf einem Track findet sich gar eine funky Guitar! Dazu gibt es diverse Stimmen, männliche und weibliche, die schreien, winseln, stöhnen, keuchen, rezitieren, persiflieren und mitunter auch singen.

Die „Musik“ – nennen wir es der Einfachheit halber so - ist ein wilder und obskurer Mix aus unterschiedlichsten Stilen, sie reicht von angerissenen  Funk-Anleihen und klassisch angehauchten Passagen über primitiv-simplen Rock und Tango bis hin zu zusammengestückelten Soundcollagen. Alles insgesamt hübsch schräg/verzerrt und bizarr verfremdet. Strukturen, Melodien oder gar Harmonien sucht man zumeist vergebens; lediglich der Track „Rest Aria“ kann mit ähnlichem aufwarten. Zudem ist besagter Song spartanisch-sparsam instrumentiert und luzide durchstrukturiert. Das musikalische Thema ist ziemlich einfach und naiv-simpel, erinnert überdies auch fast schon penetrant an ein Kinderlied. Der Song entwickelt aber dennoch eine dichte und fast schon hypnotische Atmosphäre.

Überwiegend sind die meisten der folgenden Tracks dann auch eher rhythmisch aufgebaut; ergänzend sind sie dynamisch  treibend und auch mit einer latenten Aggressivität versehen, wie sie später auch im Punk vorherrschend war. Offensichtlich nahmen die Residents dem Punk bereits munter so einiges vorweg. Ihre Musik stellte letztlich auch nichts anderes dar, als einen gewaltsamen Bruch mit dem Herkömmlichen und Gewohnten. Solcherlei Klänge waren im Jahre 1974 nun etwas völlig neues. Ähnliches hatte man zuvor nicht einmal von einem Frank Zappa oder Captain Beefheart zu hören bekommen. Einzig der Brite Ron Geesin wandelte in ähnlich musikalischen Gefilden, allerdings weitgehend unbemerkt der breiten Öffentlichkeit.

Ringo´s Plattenkiste Nun, eine Klassifizierung dieser Residents in eine reuläre Musikrichtung ist unmöglich. Man fragt man sich zwischenzeitlich sogar ernsthaft, ob es sich hierbei um Musik im eigentlichen Sinne handelt; genauso wie sich die Frage stellt, ob die Residents denn überhaupt Musiker sind?

Sind die Aufnahmen nun gewollt und vorsätzlich dilettantisch, oder war inhärent einfach nicht mehr drin? Offensichtlich scheint dies im Nachhinein ein zentrales Thema des künstlerischen Konzeptes des bis heute anonymen Quartetts zu sein. Es geht und ging scheinbar von jeher ja gar nicht darum, gewisse Instrumente virtuos zu beherrschen und gekonnt zu spielen, sondern vielmehr auszuloten, was denn eigentlich machbar und produzierbar war.

Das Hauptinstrument war dann auch das Studio mit seinen technischen Möglichkeiten, und so wirkt das Album folglich auch unbedarft-verspielt; es scheint mehr ein musikalisches Experiment zu sein, als denn ein reguläres Album im herkömmlichen Sinne.

Der merkwürdigste Track des Albums ist bezeichnenderweise auch der allererste auf dieser CD. Es handelt sich um eine Coverversion von „These Boots are made for Walking“, im Original von Nancy Sinatra. Bei den Residents wird daraus aber etwas völlig abstruses und komplett eigenständiges; der ursprüngliche Song ist nicht mehr vakant, die Lyrics kaum zu verstehen.

Bizarre Coverversionen in dieser Art sollten in Zukunft übrigens zum festen Bestandteil des künstlerischen Konzeptes der Band werden. Bereits das nächste Album sollte ausschließlich aus Coverversionen in ähnlicher Art bestehen.

Ringo´s PlattenkisteDas auf CD 1 enthaltene Zusatzmaterial stammt mit 4 Tracks von „Santa Dog“ aus  dem Jahre 1972, einer Doppel-Single in per Hand bedrucktem Cover. Der erste Track  ist tatsächlich ein Song mit Struktur und Melodie, sowie einer „normalen“ Instrumentierung. Die nachfolgenden Stücke sind allerdings wieder sperriger und schwer zugänglich.

Ob die Musiker der damaligen Doppel-Single heutzutage alle noch dieselben sind, wie auf „Meet“,  bleibt unklar.

Unverkennbar ist bei den Aufnahmen, dass jeweils ein gewisser Phillip „Snakefinger“ Lithman beteiligt war. Dieser britische Musiker sollte im Laufe der Jahre zum treuen Wegbegleiter der Combo, quasi zum fünften Resident werden.

Das restliche Bonusmaterial der vorliegenden  Veröffentlichung sind in erster Linie Outtakes und alternative Versionen der Tracks des Albums. Insgesamt zwar interessant, aber mehr dann auch nicht.

CD 2 präsentiert dem Hörer dann das komplette Album erneut in Stereo, das im Vergleich auch wesentlich klarer herüberkommt. Das Bonusmaterial sind abermals Outtakes und Unveröffentlichtes, das man sich aber getrost sparen kann.

Ist „Meet“ gerade noch anhörbar, wenngleich auch sehr gewöhnungsbedürftig, so handelt es sich bei den Ephemera um wüste Klangcollagen, die ungezügelt ausufern und keinerlei musikalische Strukturen aufweisen.

Tracks „1-10 (with a touch of 11), Parts 1,4,5,6,7,8“ bestehen aus schmerhaftem Lärm und Geräuschen, die man sich nicht anhören kann ohne dabei Kopfschmerzen zu bekommen: Kunst um der Kunst willen!

Möchte man die CD komplett durchlaufen lassen, sollte man ab der zweiten Hälfte lieber den Raum verlassen.

 

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