Ringo´s Plattenkiste - Uriah Heep: Look at yourself
Uriah Heep sind eine britische Hardrockband, die ihre kreativste Zeit zwischen 1970 und 1972 hatten. Neben vielen anderen Hits dürfte ihr bekanntester Song zweifelsohne „Lady in Black“ sein. Charakteristisch für die ersten Jahre waren sowohl lange und teils ausufernde Kompositionen, als auch der unverwechselbare Orgelsound des Tastenmannes Ken Hensley. Uriah Heep schufen gekonnt einen Brückenschlag zwischen dem damals üblichem Heavy-Rock a´la Black Sabbath und Elementen des aufkommenden Progressive-Rock. 1971 erschien ihr drittes Studioalbum „Look at yourself.
Ken Hensley trat nach den beiden ersten Alben zunehmend in den Vordergrund, was Sound, Songwriting als auch die musikalische Ausrichtung der band betraf. So ist es dann auch kein Wunder, dass alle Tracks des vorliegenden Albums aus seiner Feder stammen. Lediglich an drei Songs sind andere Musiker als Co-Autoren beteiligt.
„Look at yourself“ ist bereits das zweite Heep-Album des Jahres 1971. Im selben Jahr erschien bereits „Salisbury“, auf dem sich auch der spätere Hit „Lady in Black“ befand und eindeutig dem Prog zugeordnet werden konnte. Das vorliegende Album verlässt diesen musikalischen Pfad jedoch weitgehend und schlägt eine etwas andere Richtung ein. Die Platte ist wieder mehr songorientiert, die Tracks rockiger, aber nicht unbedingt kürzer.
„Look at yourself“ erschien in einer sehr originellen und phantasievollen Ausstattung. Die Platte steckte in einem so genannten Gimmick-Cover. Auf der Hülle befand sich eine reflektierende Folie, in der der Betrachter sich – wie in einem Spiegel – selbst sehen konnte. Die Covergestaltung setzte den Albumtitel kongenial um!
Das Line-up der Band zur Zeit der Aufnahmen sah aus wie folgt:
Newton und Clarke sollten die Band bereits kurz nach der Veröffentlichung des Albums verlassen. An ihre Stelle traten Lee Kerslake und Gary Thain.
Kommen wir nun aber zur Musik.
Plattenseite 1 beginnt mit dem Titelsong, einem treibenden Rocker mit eingängigem Refrain und Hensley an den Lead Vocals. Der Track beinhaltet einen wilden Orgelpart, und auch Mick Box spielt ein erdiges Solo an der E-Gitarre. An den Aufnahmen war übrigens auch die afrikanische Band „Osibisa“ beteiligt, die einen wilden Percussionsteil beisteuerten. Der Song wurde auch als Single ausgekoppelt mit „What should be done“ auf der B-Seite.
Der nächste Track „I wanna be free“ ist ein genreüblicher und gitarrendominierter Rocksong, diesmal wieder mit Byron an den Vocals.
Der dritte, längste und auch letzte Track auf Seite A ist „July Morning“, der mit einem stimmungsvollen Orgel-Riff beginnt, zu dem sich Gitarre, Drums und Bass gesellen und schließlich den eigentlichen Song, eine gefühlvolle und melancholische Ballade einleiten, der in einen fast epischen und symphonischen Rocksong übergeht. Dank der 10 Minuten Spielzeit ist hier auch allerlei Platz für musikalische Spielereien und ausgefeilte Übergänge sowie einen besonders interessanten Instrumentalteil gegen Ende des Songs: zu Hensleys Orgelriffs erklingt ein schräges und wildes Synthesizer-Solo, gespielt von niemand geringerem Als Manfred Mann. Der südafrikanische Keyboarder sollte ein Jahr später mit seiner Earthband seinen ganz eigenen Beitrag zum Prog leisten. Mann war zu dieser Zeit übrigens der einzige Mensch in Großbritannien, der einen eigenen Mini-Moog Synthesizer besaß.
„July Morning“ ist schnell zu einem echten Heep-Klassiker geworden, den die Band auch nach Jahrzehnten in ihrem Live-Repertoire hat. In Bulgarien hat der Song inzwischen auch einen ganz eigenen Kultfaktor: Man trifft sich traditionell am frühen Morgen des ersten Juli, lauscht gemeinsam den Klängen des Songs und erwartet den Sonnenaufgang. Klingt romantisch, und ist es wahrscheinlich auch!
Drehen wir die Platte nun um.
Seite 2 beginnt mit „Tears in my Eyes“, einem verspielten Rocksong, der sehr gitarrenorientiert ist und sehr schöne Vocal-Parts enthält.
„Shadows of Grief“ ist mit 8 Minuten der zweitlängste Song der Platte und deutlich prog-orientiert. Obwohl die Orgel im Vordergrund steht, kommt auch Mick Box´ Rockgitarre nicht zu kurz. Der Song ist im Grund sehr einfach strukturiert und aufgebaut und ähnelt im Mittelteil ein wenig an die Rhythmik von Pink Floyd´s „Set the Controls for the heart of the sun“.
„What should be done“ ist eine bluesige Ballade mit Hensley am Piano, gefühlvoll gesungen von David Byron. Wie bereits erwähnt landete dieser Song auf B-Seite der Singleauskopplung.
Die Platte klingt mit „Love Machine“ aus, einem klassischen und treibendem Hardrock-Song, der aber ohne viel Potential ist.
Nach einigen eher anspruchslosen CD-Veröffentlichungen kam die Platte 2017 endlich in einer ihr gebührenden sehr schön aufgemachten Doppel CD heraus. Das Cover des Digipaks ist der Originalhülle recht gelungen nachempfunden. Als Extra gibt es ein reich bebildertes Booklet mit Liner-Notes und vielen Informationen zum Album und dessen Entstehung
Auf der ersten Disc ist das remasterte und digital aufbereitete Original-Album. Klang und Qualität sind sehr gut, wenngleich auch nicht überragend.
Auf CD 2 – „An Alternative Look at yourself“ betitelt – gibt es 11 Bonus Tracks, die hauptsächlich alternative Abmischungen der Songs sind sowie einen einen Live-Mitschnitt von „July Morning“ und schließlich die Single-Version des Titeltracks. Die Alternativ-Mixes unterscheiden sich übrigens nicht nennenswert von den Originalen.
Der Song“ What´s within my heart“, sowie andere Aufnahmen wurden von Tontechniker Robert Corich zufällig beim Durchforsten der alten Master-Bänder entdeckt und von ihm in eine brauchbare Version gefrickelt.
Das Schmankerl auf dieser Bonus Disc aber dürfte wohl „Why fourteen Minutes“ sein, einem 14-minütigem Outtake, der es in sich hat. „Why“ ist ein stimmungsvoller und relaxter Track, der für sein Alter erstaunlich frisch und zeitgemäß klingt. Denkt man sich die Vocals weg, erinnert das Stück tatsächlich stark an den Sound des heutigen Downtempo und bietet sich förmlich einem Kruder & Dorfmeister Remix an. Der Track ist eine kompositorische Gemeinschaftsarbeit von Newton, Box, Byron & Hensley und sprüht nur so vor Spielfreude! Mick Box´ Wah-Wah Gitarre ist dominierend, während Hensley sich erstaunlich zurück hält. Vorangetrieben wird der Song durch den fast schon hypnotischen und smarten Funk-Bass und einem rollenden Drumrhythmus. „Why“ wird auch nach mehrmaligem Hintereinanderhören nicht langweilig und nutzt sich nicht ab. Mit seiner knappen Viertelstunde ist es ein ausgedehntes Stück Musik und bietet viel Instrumentalparts und Solos. Perfekt geeignet zum Rumhängen und chillen oder Autofahren. Weshalb dieses geniale Stück es nicht auf das Album schaffte, ist mir schleierhaft. Eine Version des Songs wurde ein Jahr später als Single B-Side veröffentlicht.
Im folgenden Jahr 1972 veröffentlichte die Band erneut wieder zwei gelungene Alben, leider war danach dann weitgehend die kreative Luft raus. Hensley verließ Ende der Siebziger die Band, und Uriah Heep spielen und touren immer noch. Beide konnten aber an ihre frühen Erfolge und Höhepunkte nicht mehr anknüpfen.
Kommentare
Das war schon ein Hingucker, genau wie bei Blue Oyster Cult.
Der mit Spinnweben behängte Kopf auf dem Erstling gehört tatsächlich dem damaligen Sänger, David Byron.
Das ist immer noch nett. Letztens hieß es in einer neuen Folge im Auto: "Dean hat eine Aufnahme von Led Zeppelins Moby Dick mit einem achtminütigen Trommelsolo." Zumindest da bleiben sie sich treu
Z.Z. hänge ich in einer Styx Phase fest.
Die Plattencover von damals waren eine Kunst für sich. Wenn ich da nur an Giger für ELP denke.
Eine sehr interessante Artikelserie...