Ringo´s Plattenkiste - Sand - Golem
Sand war eine deutsche Band aus den Siebzigern, die nur eine einzige Platte veröffentlichten und anschließend für lange Zeit in der Versenkung verschwand. Obwohl sie durchaus Potential und auch die nötigen Beziehungen hatte. Sand wird gerne dem Genre Krautrock zugeordnet, was der Musik aber nicht gerecht wird, da es sich nicht um Rockmusik handelt. Was hat es nun damit auf sich? Werfen wir einen Blick weit, weit zurück.
Die Bandmitglieder stammten aus Bodenwerder, einer Kleinstadt in Niedersachsen und waren seit ihren Kindertagen miteinander befreundet. Alle verband eine Faszination für die damals neuartige Rockmusik in all ihren schnell wechselnden Spielarten. Man traf sich regelmäßig im Wald oder leerstehenden Gebäuden und feierte zusammen Parties, wo am Lagerfeuer natürlich auch Musik gemacht wurde. Gekifft wurde vermutlich auch.
Einer der Musiker, Ludwig Papenberg, gründete im zarten Alter von 13 Jahren dann sogar eine eigene Band: The original Monsters, die lokal spärliche Bekanntheit erlangte.
Der Psychedelic-Fan Johannes Vester stieg 1969 als Sänger ein und war vor allem von Pink Floyd sehr angetan. Vester erinnert sich, dass er 1970 nach einem Konzert auf die Bühne kam und ein wenig mit Roger Waters und David Gilmour plauderte. Mehr noch als diese Begegnung aber faszinierte ihn all das für ihn fremdartige und seltsame Sammelsurium an Equipment, das auf der Bühne stand. Man kam damals schnell und unkompliziert mit den Musikern in Kontakt, Security gab es nicht. Alles in allem eine ziemlich unschuldige Zeit, wie Vester sagt.
In dieser Zeit fuhren die Freunde oft quer durch das Land um Konzerte zu besuchen. Vester reiste sogar zweimal nach London, wo er Freunde besuchte und zeitweilig in Pubs in Chelsea arbeitete. Im August 1970 fuhr er zum inzwischen legendären Festival auf der Isle of Wight, wo ihn vor allem die Darbietung von Jimi Hendrix außerordentlich beeindruckte.
Vester stammte aus einer musikalischen Familie. Der Vater spielte Klavier, der ältere Bruder Trompete in einer Jazzband. Johannes spielte nur ein wenig Flöte, Mundharmonika und Gitarre, hatte dafür aber gewaltige musikalische Visionen, die danach drängten, umgesetzt zu werden.
Bald schon wurde eine neue Band gegründet, die Part of Time (P.O.T.). Neben den beiden Papenbergs und Vester waren noch zwei weitere Musiker mit dabei: Yogi an der Orgel, Gento an den Drums. Ludwig spielte Gitarre, sein Bruder zupfte den Bass. Vester sang und experimentierte mit Sounds, die er einem Kurwellensender entlockte. Wie er selbst sagt, hatte er zwar keine trainierte Stimme, dafür aber dominierte der Drang, sich stimmlich auszudrücken.
Die Band spielte fleißig kleinere Gigs und ein Höhepunkt war zweifelsohne ein Auftritt mit der Band Can 1971. Deren Manager, Manfred Schmidt, war von P.O.T. angetan und lud Vester spontan nach Köln ein, was dieser natürlich annahm. Vester verbrachte viel Zeit mit Schmidt und diskutierte nächtelang über Texte im Zusammenhang mit der sich allmählich entwickelnden, eigenständigen deutschen Rockmusik. In Köln lernte er auch die Mitglieder der schrägen Krautrockband Can näher kennen, ebenso einen jungen Schlagzeuger namens Klaus Schulze, der in Berlin lebte. Schulze war Gründungsmitglied von Tangerine Dream und spielte auch auf dem ersten Album der Gruppe Ash Ra Tempel. Die Mauerstadt war damals Mittelpunkt des Kalten Krieges und des verlorenen Weltkriegs. Berlin war Symbol für Studentenunruhen, Demonstrationen und einer großen Drogenszene.
Vester hielt es bald nicht mehr in der norddeutschen Provinz. Berlin, da wollte er auch hin! Immerhin stammten auch seine Eltern ursprünglich aus dieser Stadt, mussten aber nach dem Krieg flüchten. Sein begonnenes Psychologiestudium konnte er auch dort fortsetzen. Schon bald setzte er seinen Plan in die Tat um, wobei ihm kurioserweise die ganze Band folgte. Allerdings suchten Yogi und Gento schnell wieder das Weite. Eingesperrt von einer gigantischen Mauer und umgeben von schrägen und äußerst exzentrischen Menschen zu sein – das lag ihnen nicht.
Vester und die beiden Papenbergs blieben und gründeten eine neue Band mit dem Namen Sand, der einen deutlichen Bezug zu Berlin hatte. Schließlich stand die Stadt auf sehr sandigem Grund. Die Idee hinter dem Namen aber war auch der Gedanke von Raum und Zeitlosigkeit, von den Geräuschen, die der Wind erzeugt, wenn er über Dünen streicht.
Sand war ein Trio, das auf einen Schlagzeuger verzichtete, was völlig untypisch für eine Band der damaligen Zeit war, denn selbst Acts wie Kraftwerk hatten einen Drummer in der Band. Sand hatten sich weitgehend von musikalischen Vorbildern wie Pink Floyd gelöst und neue Inspirationen entdeckt: Karl-Heinz Stockhausen, Pierre Henry und György Ligeti.
Nach und nach entwickelten die drei in einem Keller in der Claudisustrasse, Nähe Tiergarten ein musikalisches Konzept für ein geplantes Album. Erste Aufnahmen entstanden dort, die Jahrzehnte später vom französischen Label Rotorelief unter dem Titel „Sand – His first Steps“ veröffentlicht wurden.
Vester lässt uns wissen, dass die Songs starken biographischen Bezug haben und zu Teilen noch aus der Zeit von Part of Time stammen. Im übertragenen Sinne stellten die Stücke auch Impressionen ihrer märchenhaften Heimat dar, wo auch die Gebrüder Grimm ihre berühmte Sammlung erstellten.
1973 traf Vester dann Manfred Schunke, der ganz in seiner Nähe wohnte und ein obskures Soundprojekt mit dem Namen „Nasses Dreieck“ betrieb. Aufgrund von Tunnelbauarbeiten und einem kontinuierlich sinkenden Grundwasserspiegel senkte sich ein ganzer Wohnblock langsam ab und versank langsam im sandigen Untergrund. Schunke nahm die dabei entstehenden Geräusche auf. Vester war fasziniert von diesem Tonzeugnis einer sehr vergänglichen und fragilen Zivilisation und der Gewalt des unterirdischen Wassers. Schunke, ebenfalls ein Bekannter von Klaus Schulze, plante mit diesem im selben Jahr ein spezielles Tonstudio in Kreuzberg am Paul-Lincke-Ufer. Schulze hatte sich inzwischen vom Bandleben verabschiedet, da es ihm zuwider war, mehr Zeit für musikalische Diskussionen zu verwenden, als für das Musikmachen selbst. Auch vom Schlagzeug hatte er sich verabschiedet und sich der elektronischen Tonerzeugung zugewandt.
Im neuen Studio sollte eine Reihe von Aufnahmen entstehen, die im so genannten Kunstkopf-Stereophonieverfahren aufgenommen werden sollte. Das Kunstkopf-Verfahren gab es bereits seit 1925. Das Prinzip sah aus wie folgt: In einem schallisolierten Raum stand mittig ein nachgebildeter menschlicher Kopf mit dem natürlichen Vorbild entsprechenden Ohrmuscheln. In diesen befanden sich jeweils ein Mikrophon, über die aufgenommen wurde. Der ganze Raum war bestückt mit Lautsprechern, stehend oder hängend, die als Klangquelle dienten. Ziel war es, einen möglichst perfekten Raumklang (ähnlich dem Surround) zu kreieren, was auch recht gut gelang. Der Nachteil bei den Aufnahmen aber war, dass der Raumklang nur beim Hören über Kopfhörer wahrnehmbar war. Hörte man die Aufnahmen über normale Lautsprecher, ging ein wesentlicher Teil des Effektes verloren.
Die Sand-Besetzung sah aus wie folgt:
Auf einem Track ist ein gewisser als Gastmusiker am Piano zu hören.
Der erwähnte VCS3 ist ein tragbarer, monophoner Analog-Synthesizer, der aufgrund seiner geringen Ausmaße (Synthesizer waren damals schwer und sperrig)und seines vergleichsweise niedrigen Preisen sehr beliebt war. Bekannt sein dürfte der Synthesizer von Pink Floyd`s Album „The dark side oft he moon“ und dessen Stück „On the run“. Auch auf „Wish you were here“ fand er Verwendung, z.B. auf dem Stück „Welcome tot he machine“.
Auf der DVD „Live in Pompeji wird der VCS3 übrigens kurz vorgestellt und seine Arbeitsweise demonstriert. Auch Jean-Michel Jarre verwendete das Gerät auf seinem Hit-Album „Oxygene“.
Aufgenommen wurde innerhalb von 10 Tagen mit einem 8-Spurgerät, an den Reglern saß Klaus Schulze selbst. Das Projekt erregte übrigens auch das Interesse des Publizisten und Zukunftsforschers Robert Jungk, der das Studio einmal besuchte und die Musiker starkbeeindruckte.
Schulze war laut Vester ein sehr umgänglicher und angenehmer Mensch, der die Drei mit seinem Mercedes S-Klasse von zu Hause abholte und in sein Studio brachte. Irgendwann in dieser Zeitwaren auch CAN mal wieder zu Gast in Berlin, und so kam es, dass Sand mit diesen Galionsfiguren des Krautrock eines Tages zusammen im Hotel Bristol am Kudamm beim Frühstück saßen.
1974 erschien das Album dann unter dem Titel „Golem“ auf Schulzes Delta-Acustic-Label, das eigens für die Veröffentlichung der Kunstkopf-Aufnahmen gegründet worden war.
Der Titel ist ein Wortspiel. Der Golem aus der jüdischen Mystik, erschaffen aus Lehm und Ton. Aus Ton – in seiner anderen Bedeutung – und Tönen entsteht aber auch Musik. Sand erschuf folglich aus Tonmaterial etwas Neues, Eigenständiges. Das Cover der Platte war bunt und scheinbar abstrakt, tatsächlich aber ist es eine Aufnahme, als die Musiker nachts auf der Autobahn nach Berlin unterwegs waren, fotografiert durch die Windschutzscheibe.
Beigelegt war ein Infoblatt des Labels, das über sein Programm, sowie über das Kunstkopfverfahren berichtet.
Die Titelliste sieht aus wie folgt:
Sehen wir uns die einzelnen Titel etwas genauer an.
Helicopter eröffnet das Album mit einem elektronisch erzeugten und bedrohlich klingenden Rotor-Sound, der sich langsam aus der Stille nähert und pulsierend variiert. Begleitet wird dieses Wabern von undefinierbarem elektronischem Schwirren und Säuseln. Bald gesellt sich ein dumpfer, dunkler und monoton-repetiver Gitarrenrhythmus hinzu und beginnt, den Hörer zu hypnotisieren.
Man erwartet zuerst einen reinen Instrumentaltrack, allerdings beginnt Vester nach einer Weile damit, seine surrealen Lyrics in einer Art Sprechgesang vorzutragen. Nach 9 Minuten ändert sich der Song abrupt und überraschend, und lediglich das elektronische Schwirren bleibt. Der Gitarrist zupft abermals eine Begleitung, die aber nicht minder repetiv ist als zuvor. Vester schließlich stimmt eine Art sakralen Gesang an. Um ihn herum schwirrt und säuselt der VCS3 in einer Hallwolke. Die Gesamtatmosphäre des Tracks ist düster und unheilschwanger, gar unheimlich. Fast meint man, der verfluchten Musik des Erich Zann zu lauschen, die niemals verklingt und niemanden verschont, der sie je gehört hat. Wer ist es, der diesen monströsen Helikopter durch die miasmatischen Nebel der Nacht fliegt? Hungrige Ghule, auf der Suche nach menschlichem Fleisch?
Der Song stammt übrigens noch aus der POT-Zeit. Die Mundharmonika wird von Johannes Vester gespielt.
The old Loggerhead, der nächste Track, setzt die unheilschwangere Atmosphäre fort und entwickelt sie gar weiter, vor allem textlich.
Abermals schwirren und säuseln, zischen und jaulen hohe elektronische Töne mit viel Hall im Hintergrund, die an geisterhafte Walgesänge erinnern. Auch unser Freund, die monotone Gitarre ist wieder mit dabei. Vester besingt diesmal ein unheimliches, nicht näher beschriebenes Geschöpf, den Loggerhead (Dummkopf) der sein Unwesen in einer verwunschenen Gegend treibt und dort im Mondlicht beim alten Brunnen tanzt und springt. So flüstert sich die ländliche Bevölkerung verstohlen zu. Ist man ganz still, ist ein unheiliges Winseln zu vernehmen. Doch all das ist inzwischen vorbei, es war einmal. Nun ist der Loggerhead tot, wie man sagt.
Ein weiterer, verstörender Longtrack, und Seite 1 endet mit dieser Gutenachtgeschichte auch schon. Die beiden Stücke dieser Plattenseite sind sehr experimentell und auf die Wirkung der Sound und der Effekte ausgelegt und haben nur rudimentären Songcharakter. Alles in allem sehr ungewöhnlich, surreal, fremd- und neuartig. Aber faszinierend.
Legen wir nun die zweite Seite auf.
Nach der doch seltsamen Seite 1 gibt es hier nun tatsächlich einen „richtigen“ Song, der aber nicht minder schräg, seltsam aber faszinierend ist. Eine wunderschöne Ballade aus Ulthar im Traumland, fern von Raum und Zeit…
May rain ist eine charismatisch-fesselnde Folk-Ballade, in der Vester von grünen Straßen, dem kühlen Asphalt und den abgespülten Resten des Tages singt. Begleitet wird er dabei vom bereits gekannten Elektroniksound und Gitarre.
Der nächste Track, On the Corner, klingt wie pseudo-indianische Musik, gepaart mit bekifftem Gitarrengeschrammel am Lagerfeuer. Textlich geht es um Einsamkeit, Armut, Obdachlosigkeit. Ein zeitloser Stromer, ruhelos wie eine Ratte, steht an der Ecke mit durchnässten Füssen und wartet auf ein freundliches Wort oder eine solche Geste. Leider vergebens! Beim Hören habe ich bei diesem Text immer das Cover von Jethro Tull`s Aqualung vor Augen. Musikalisch interessant ist hier der auf dem Album erste und auch einzige Einsatz von Percussioninstrumenten. Im Background ist eine Drum-Machine zu hören, die Congas werden von Klaus Schulze gespielt! Vom Stil her passt dieser Song am wenigsten in das klangliche Gesamtbild des Albums, kann aber dennoch überzeugen.
Sarah, eine Art zweiteilige Suite ist dann auch schon der letzte Track und mit seinen knapp 11 Minuten der zweitlängste des Albums. Klanglich dominieren thereminähnliche Geräusche und elektronisches Brummen. Vesters Stimme ist weit unheimlicher als zuvor. Er haucht und flüstert den Text mit viel Hall und Echo in das Ohr des Hörers. „Bist Du es, Sarah? Nein, es ist der Sturm“.
Auch im Hintergrund winseln und säuseln, wehen und wabern kaum greifbare hohe Stimmen, ganz ähnlich wie bei unserem alten bekannten Ron Geesin. Lovecraft hätte seine Freude an dieser Musik gehabt, denn fast meint man zu vernehmen, wie die Dunkel-Dürren durch die Nacht flattern und den Hörer manchmal zaghaft mit ihren Schwingen streifen. Ein Schatten aus der Zeit senkt sich über das Gemüt des Hörers, der niemals mehr von ihm weicht…
Schulenburgs in den Credits erwähntes Piano ist nur zu erahnen, da es sich weit im Hintergrund bewegt und sich nicht weiter hervortut.
Der Untertitel des ersten Teils, Passacaille, ist obskur, da es sich hierbei musikalisch um einen Barocktanz handelt.
Part 2 – Per aspera ad astra, eine sehr strapazierte lateinische Redewendung - quillt mit dumpfen Basstönen aus Part 1 hervor, begleitet von sphärischen Stimmen und Gitarrenakkorden. Alles wabert und wummert dumpf, Vester singt in seiner ganz eigenen Art: Sarah ist weg. Eine Königin der Nacht ist niemals grün. Außer, sie hat Tentakel am Mund, wie ich hinzufügen möchte…
Dann ist diese seltsame und verstörende Platte auch schon zu Ende. Von Golem wurden nur 4-5000 Exemplare gepresst, die sich auch verkauften. Für die Band war es aber dennoch ein Non-Profit-Geschäft. Mehr als eine geringe Anerkennung in der Underground-Szene erfuhren sie nicht. Sand löste sich auf, und jeder ging seine eigenen Wege.
Dummerweise wurden die Masterbänder bei einem Feuer zerstört, so dass die Aufnahmen lange Zeit nur auf den gepressten Platten erhalten blieben. Golem fand auch bei einem gewissen Steven Stapleton Gefallen, der zu dieser Zeit als Roadie für diverse Krautrockband unterwegs war. Stapleton kennen wir ja schon von Nurse with Wound, und es wundert nicht, dass Golem in seine Nurse-with-Wound-List aufgenommen wurde. Mitte der Achtziger wurde dann Stapletons alter Freund David Tibet von Current 93 auf die Platte aufmerksam, als er wieder mal dessen umfangreiche Plattensammlung durchstöberte. Tibet, der ein Faible für Meyrincks Golem und den gleichnamigen Stummfilm mit Paul Wegener in der Titelrolle hatte, pickte die Platte heraus um sie sich anzuhören, da er sich eine Art musikalische Entsprechung Meyrincks erwartete. Was aber nicht zutraf. Stattdessen bekam er Musik zu hören, wie er sie nie zuvor gehört hatte. Traumhaft und verwunschen erschien sie ihm und schlug ihn sofort in seinen Bann. Tibet machte sich eine Kopie davon und hörte sie wieder und wieder an, konnte sich nicht mehr satthören und wollte herausfinden, wie diese Band diese geisterhaften Klänge erschaffen hatten. Für Tibet war es eine der 10 besten Platten aller Zeiten in seiner ganz persönlichen Wertung.
Tibet erwog zunächst, das gesamte Album zu covern, verwarf diesen Gedanken aber wieder, da es ihm unmöglich erschien, dessen Spirit wiederzugeben. Stattdessen wurde nur ein einziger Titel, May rain, gecovert. Zu hören ist er auf dem 1992er Album Thunder Perfect Mind von Current 93 (Ringo wird berichten)
Tibet beschäftigte sich intensiv mit der Band und der befremdlichen Tatsache, dass sie nach nur einem einzigen Album von der Bildfläche verschwunden war. Immer und immer wieder versuchte er herauszubekommen, wo die Musiker steckten und was sie inzwischen machten. Erst als er Kontakt mit dem früheren Manager von Klaus Schulze aufnahm, zeigte sich ein erster Erfolg. Der Mann dachte zuerst, Tibet wollte ein Interview mit der Band machen und erklärte ihm, dass es die Band nicht mehr gab. Erst als Tibet ihn über seine Absichten aufklärte, gab er ihm die Telefonnummer von Johannes Vester. Bald schon reiste Tibet nach Deutschland und er traf sich mit Vester in Berin, wo dieser Tibet Tibet eine Menge Material vorspielte, das im Zuge der Golem-Sessions aufgenommen, aber nicht verwendet worden war, sowie eine Unmenge an Tracks aus der Zeit vor und nach Sand. Wie sich bei ihrem Treffen herausstellte, gab es auch eine Reihe von seltsamen Verknüpfungen im Leben Vesters, Tibets und Stapletons. Vester wohnte z.B. einige Zeit in einem Haus in der Nähe Tibets, als dieser bei Psychic TV involviert war. Ein anderes Mal wanderte Vester während eines Urlaub in Irland ganz in der Nähe von Stapletons Wohnsitz in Cooloorta vorbei. Ein weiteres Mal lief er Tibet über den Weg, als dieser das Büro von Rough Trade verließ, und ihn Vester ansprach und fragte, ob er wisse, wer die Person auf der Photographie im Schaufenstre sei. Es war Douglas P von Death in June. Alles in allem sieht Tibet es als Schicksal und Vorbestimmung an.
Tibet blieb 3 Tage bei Vester und war dermaßen hingerissen, dass er eine Neuauflage des Albums herausbringen wollte. Da dummerweise die Mastertapes nicht mehr existierten, musste eine neuwertige Originalplatte als Vorlage dienen und klanglich aufbereitet. Tibet wollte das Album zusammen mit unveröffentlichten Tracks auf einer Doppel-CD bringen und stellte das dafür benötigte Material mit Vester zusammen. 1996 erschien Golem dann als „Ultrasonic Seraphim“ auf dem Tibet-Label Durtro. Kollege Stapleton steuerte eine Graphik bei, und als Bonus wurde den ersten 1000 Exemplaren eine Gratis CD-Single des Current 93-Covers von My Rain beigelegt.
Auf ist das komplette Golem-Album zu hören, zusätzlich gibt es einige Vester-Aufnahmen aus der Post-Sand-Zeit:
präsentiert 2 Aufnahmen aus der Zeit nach Sand, sowie Outtakes und alternative Versionen von Golem-Tracks:
Titel 01 und 07 sind von Vester ohne die Beteiligung von Sand, wobei May Rain 2 musikalisch interessant ist, weil auf Deutsch gesungen.
2010 erschien Golem dann in einer remasterten Version auf CD und LP ohne Bonusmaterial, 2020 dann in einer Special Edition im großformatigen Digipak.
Weiteres Material von Sand und Johannes Vester wurde von Rotorelief ab 2011 4 weiteren CDs veröffentlicht, jeweils mit einem Cover von Babs Santini, aka Steven Stapleton.
Überraschend erschien 2020 dann neues Material der Band in Originalbesetzung: Vibrating Clouds. Enthalten sind 10 neue Kompositionen sowie 6 Neuinterpretationen alter „Hits“.
Was wurde aus den Beteiligten?
Johannes Vester machte nach dem Split weiter mit seinem Projekt „Johannes Vester and His Vester Bester Tester Electric Folk Orchestra“ und nahm Tracks mit etlichen Gastmusikern auf. Arbeitstitel der Aufnahmen lautete „Born at Dawn“. Ein Teil davon ist auf Ultrasonic Seraphim zu hören.
Mit Ludwig Papenberg arbeitet er dann bei „ALU“ und „VK“, Bands, die nichts mehr mit ihrer Siebziger-Vergangenheit zu tun hatten. Ein eigenes Label wurde gegründet, DLS – Der letzte Schrei, und eine Single wurde aufgenommen: „Bitte warten Sie!” + “Liebe machen”. Ludwig stieg wieder aus und Vester machte mit Sängerin Nadja Molt weiter. Aufnahmen wurden unter anderem 2018 unter dem Titel „Die Vertreibung der Zeit“ veröffentlicht. 1986 schließlich endete die gemeinsame Zeit mit den anderen. Vester machte alleine weiter.
Ludwig Papenberg widmete sich nach 1986 völlig anderen Musikprojekten zu und spielte in verschiedenen Bands.
Ulrich Papenberg zog es Ende der Siebziger wieder in die Heimat ins Weserbergland zurück.
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