Ringo´s Plattenkiste - Silver Apples - Silver Apples
pricht man über die Pioniere der elektronischen Unterhaltungsmusik, spricht man gewöhnlich über die deutsche Band Kraftwerk. Aber das ist nicht ganz korrekt, es gab da nämlich ein amerikanisches Duo, die elektronische Musik machten, bevor es Kraftwerk gab. Die Rede ist von den Silver Apples, die im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen heutzutage kaum noch jemand kennt.
Begonnen hat aber alles ganz bodenständig und wenig innovativ mit einer 5-köpfigen Band namens „The overland stage electric Band“. Dahinter steckte nichts Besonderes, nur eine der damals üblichen, durchschnittliche Beat-Combo mit 3 Gitarristen, die ihre Songs im New Yorker East Village im Cafe Wha? darboten. Die drei Gitarristen interessieren uns aber nicht, wichtig sind nur Sänger Simeon Coxe III und Drummer Danny Taylor.
Simeon Coxe stammte ursprünglich aus New Orleans, verließ die heimatlichen Gefilde aber schon als Teenager, um Karriere als Künstler zu machen, womit er durchaus kleine Erfolge verzeichnen konnte. Trotz einiger Ausstellungen, unter anderem sogar im renommierten Museum of modern Art, konnte er mitseiner Kunst seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten und arbeitete zeitweise sogar als Tellerwäscher in einem Sommerlager in Connecticut, wo er mit einigen Gleichgesinnten nebenbei in einer Band namens The Random Concept spielte. 1967, wieder zurück in New York, stieg er bei The overland stage electric Band ein. Simeon war damals knapp dreissig Jahre alt. Drummer Danny spielte kurze Zeit vorher mit einem vielversprechenden jungen Gitarristen namens Jimi Hendrix.
Da die Band nur über ein sehr begrenztes Repertoire an Songs verfügte, bauten sie ausgedehnte Gitarrenimprovisationen mit ein. Leadsänger Simeon Oliver Coxe III begann sich während dieser Instrumentalparts ein wenig zu langweilen, da er während dieser nichts zu tun hatte. Eines Tages kam er auf schließlich die Idee, einen uralten Oszillator aus den Vierzigern, den er mal geschenkt bekommen hatte, mit auf die Bühne zu nehmen und an einen Verstärker anzuschließen. Simeon entlockte dem simplen Tonerzeuger schwingende und schwebende Klänge, mit denen er die Musik untermalte. Simeon fand das cool, der Rest der band jedoch nicht. Nach und nach stiegen die Anderen aus, und eines Tages standen Simeon, sein Oszillator und Drummer Danny Taylor alleine da.
Anstatt aber aufzugeben, machten sie alleine weiter und änderten ihren Namen in „Silver Apples“, den sie dem Gedicht The Song of Wandering Aengus" von W. B. Yeats entnahmen, wo am Ende von den „Goldenen Äpfeln der Sonne und den silbernen Äpfeln des Mondes“ die Rede ist.
Da Simeon auf den Geschmack gekommen war, mit einem Oszillator Musik zu machen, beschloss er, sich noch mehr davon zu besorgen. Eine ganze Menge sogar. Außerdem wurden eigene Songs geschrieben, die Texte dazu stammten von befreundeten Poeten. Mit jedem neuen Song wuchs das Arsenal der Oszillatoren, das von Freunden schon bald die „Simeon-Maschine“ genannt wurde, kurz „The Simeon“. Was aber ist ein Oszillator eigentlich?
Einfach erklärt, handelt es sich um ein Gerät, mit dem man elektronische Schwingungen auf einer voreingestellten Frequenz erzeugen kann. The Simeon bestand aus einem guten Dutzend solcher Geräte, davon wurden 6 Stück für Bassläufe verwendet. Diese waren jeweils auf eine Tonhöhe geeicht und wurden durch simple Schalter bedient. Für die Songs standen dem Musiker also nur bescheidene 6 Töne zur Verfügung, was folglich zu ganz simplen Bassmelodien führte. Die Bass-Oszillatoren waren zusammen mit den dazugehörigen Schaltern auf einem Stück Holz montiert und wurden mit den Füßen gespielt. Die Rhythmus-Oszillatoren wurden über Morsetasten gespielt. Der Lead-Oszillator schließlich gab den Ton an. Rhythmus- und Lead-Oszillatoren wurden mit Händen, Ellbogen und den Knien gespielt. Das Spielen auf dem Simeon forderte dem Musiker also eine ganze Menge an Konzentration und Körperbeherrschung ab. Laut eigenen Angaben verfügte Simeon nie über die Fähigkeit, auf einer herkömmlichen Tastatur zu spielen. Grob gesagt, kann „The Simeon“ als simpler und primitiver Synthesizer angesehen werden.
Professionelle Geräte zur elektronischen Klangerzeugung waren zu dieser Zeit übrigens schon erhältlich, aber dennoch sehr kostspielig. 1964 z.B. stellte Bob Moog seine Konstruktion vor, die den jungen Musiker Walter Carlos (später Wendy) so faszinierte, dass er ein ganzes Album damit aufnahm: „Switched on Bach“, auf dem er Kompositionen Johann Sebastian Bachs auf dem Synthesizer spielte. Ein Stück des Soundtracks zu Stanley Kubrick`s „Clockwork Orange“ entstand ebenfalls mit dem Moog: Timesteps, ebenfalls von Carlos.
Auch die experimentierfreudigen Beatles (kennt die jemand?)spielten mit dem Moog herum. Ein Beispiel findet sich auf dem Album „Abbey Road“.
Aber die Wurzeln der elektronischen Klangerzeuger reichen sogar noch weiter zurück. Zwischen 1939 und 1942 baute die britische Orgelfirma Hammond den ersten echten Synthesizer, das Novachord. Das Gerät erzeugte seine Töne mittels Röhren-Oszillatoren. Gespielt wurde über eine Klaviatur mit 72 Tasten. Ein weiterer Vorläufer war das von Friedrich Trautwein in den Dreißigern entwickelte Trautonium, das aber nicht über Klaviertasten, sondern mit Bandmanualen gespielt wurde. 1969 erschien mit dem VCS3 dann ein erschwingliches und handliches Gerät, das sich dementsprechend gut verkaufte. Im Gegensatz zu den damals erhältlichen Synthesizern, die sperrig und äußerst schwer waren, ließ sich der VCS3 bequem in einem Koffer transportieren. Er wird übrigens noch bis heute gebaut.
Zurück aber zu den Silver Apples. Auch Drummer Danny Taylor verfügte über ein für damalige Verhältnisse ungewöhnliches Equipment. Satte 13 Trommeln, inkl. Double-Bass sowie 5 ecken und etliche Percussions standen ihm zur Verfügung. Taylor spielte damit einen Rhythmus der einem selbstentwickelten Schema folgte. Die umfangreiche Ausstattung ermöglichte ihm, neben dem Rhythmus auch melodische Patterns zu schlagen.
Alles in allem war die Instrumentierung des Duos völlig anders, neuartig und ungewöhnlich für die damalige Zeit.
Durch eine glückliche Fügung ergab sich für die beiden ein Live-Auftritt vor 30000 Menschen im New Yorker Central Park auf einem ganztägigen Open-Air. Glücklicherweise durften sie nicht mehr als 6 Songs spielen, die ohnehin ihr ganzes Repertoire darstellten. Nach ihnen spielten dann Größen wie The Mothers of Invention, Steve Miller Band, The Fugs und viele andere. Kein schlechter Einstand für eine unbekannte Band.
Am nächsten Tag waren die Silver Apples in aller Munde, denn die Presse überschlug sich fast mit Lobeshymnen ob ihres einzigartigen und neuartigen Sounds. Auch die Plattenindustrie wurde auf sie aufmerksam. Obwohl viele Labels Interesse zeigten, wurde ihnen nur von Kapp-Records auch tatsächlich ein Deal angeboten und die Silver Apples gingen ins Studio. Ihnen stand lediglich ein 4-Spur-Bandgerät zur Verfügung, so dass sie ein wenig tricksen mussten. Zuerst wurden 3 Spuren aufgenommen und auf die verbleibende Spur zusammengemischt. Danach wurden zwei weitere aufgenommen und wieder auf eine der verbleibenden zusammengemischt usw.
Die Besetzung sah aus wie folgt:
An den Reglern saß ein gewisser Don Van Gordon, der neben seiner Tätigkeit als Studiomusiker auch gelegentlich als Songschreiber, Produzent und Tontechniker arbeitete. Kapp war auf keine bestimmte Richtung fixiert, und so veröffentlichten so unterschiedliche Musiker wie Bing Crosby und Eartha Kitt auf dem Label.
Hier die Tracklist des Albums:
Alle Songs bis auf Dancing Gods stammten von Coxe und Taylor. Bei 7 der 9 Songs steuerte Warren Stanley die Texte bei. Warren lernte die beiden 1967 auf dem „Fifth Annual Avant Garde Arts Festival“ kennen, das von der schrägen Künstlerin Charlotte Moorman organisiert wurde.
Moorman wurde als Oben-Ohne-Cellistin bekannt, als sie bei der Aufführung von Nam June Paiks “Opera Sextronique“ halbnackt auftrat, was aber nicht unbedingt ein Hingucker war… Das Festival fand übrigens mit einigen Ausnahmen jährlich bis 1980 statt. Joseph Beuys widmete ihr seine Arbeit Homogen für Cello, für das er ein Violoncello Moormans in Filz einnähte.
Sehen wir uns die einzelnen Titel mal wieder genauer an.
Das Album wird eröffnet von , dem allerersten von Simeon selbst geschriebenen Song, der auch als Single ausgekoppelt wurde. Oscillations ist sehr minimal, sehr elektronisch und sehr rhythmisch. Wüsste man es nicht besser, könnte man das Stück für einen Techno-Song aus den Neunzigern halten. Taylors Drumpatterns sind trocken, maschinenhaft und klingen wie programmiert. Die Bassdrums wummern beharrlich und dezent im Background. Taylor spielt hauptsächlich abwechselnd auf seinen Toms und den Snares. Simeons Oszillatoren schwirren und sausen, piepsen und blubbern sein Gesang ist hoch und wenig moduliert, allerdings illustriert Warren Stanleys Text die Musik und deren elektronischen Ursprung kongenial. Klang und Schwingungen bestimmen die Welt des Vortragenden, Realität verblasst und wirkt verzerrt. My only World is Sound. An diesem ersten Song des Albums wird klar, dass die Silver Apples ihrer Zeit weit, weit voraus waren. Selbst die für Techno der Neunziger typische Trillerpfeife ist zu hören. Der Anfang des Songs erinnert mit seinem Wabern übrigens stark an den 6 Jahre später erscheinenden Song Helicopter der deutschen Combo Sand (Ringo wird berichten). Ein hymnischer, tanzbarer Song.
ist monoton im 2/2-Rhythmus gehalten, es gleicht einer Art bizarren Elektronik-Polka. Simeons Oszillatoren beschränken sich hauptsächlich auf die Bassbegleitung, die Melodie ist simpel und erinnert an ein Kinderlied. Zwischendurch wird der Song durch eine ebenso klingende Blockflöte aufgelockert.
beginnt mit leicht jazzigem Drums, zu denen sich bald die Bassoszillatoren gesellen. Ab und an jaulen deren Kollegen aus der Rhythmussektion ein wenig dazu. Simeons Gesang ist wie üblich. Die Drums sind diesmal nicht so maschinenhaft, sondern klingen eher lebendig, was wohl auch am Speil auf den Cymbals liegt, die Taylor bisher vermieden hat.
wird eingeleitet durch wildes Herumspielen am radio, verschiedene Sender werden kurz angerissen und verschwinden wieder. Fetzen von zueinander unpassender Musik geben sich ein Stelldichein, ebenso wie gesprochene Passagen, die wie eine Art früher Samples anmuten. Zusammengehalten wird alles von einem monoton-maschinenhaften Rhythmus, summenden Oszillatoren. Simeons Gesang ist diesmal sehr hoch, wimmernd, fast winselnd. Sehr schräg.
ist noch schräger und sehr anstrengend. Die Oszillatoren klingen sehr falsch und liegen bei jedem Ton haarscharf daneben, die höher gepegelten Geräte jaulen und wabern dazu, als wären sie Störgeräusche aus einer anderen Dimension. Starker Tobak, der eher zu den Residents passen würde.
Seite 1 ist dann aus.
ist wieder so eine Art elektronischer Polka, auch die bereits bekannte Blockflöte ist wieder dabei. Diesmal hat die Musik Zirkusmusikcharakter. Insgesamt sehr nervig.
, der nächste Song, ist Proto-Industrial. Keine Musik, nur Wabern, Brummen, Säuseln und Schwirren aus der Simeon-Maschine. Taylor spielt diesmal keinen Rhythmus, sondern begleitet die unheimlichen Schwingungen mit klanglichen, eingestreuten Tupfern auf seinen Cymbals. Simeon singt diesmal nicht, sondern trägt den Text in einer Art Sprechgesang vor.
ist hypnotisch-monotoner Indian-Tribal, klischeehaft getrommelt mit Bass und Toms und diesmal kaum elektronisch untermalt. Häuptling Sitting Simeon beschränkt sich dezent auf den Hintergrund. Der Stamm der Sioux-Apples sitzt am elektrischen Lagerfeuer und die Friedenspfeife kreist und kreist. Ho, Tatanka!
beginnt wie ein elektronischer Sonnenaufgang und erinnert ein wenig an „Also sprach Zarathustra“, wird aber gleich darauf von der Apples-typischen Klangwelt abgelöst.
Und dann ist die Platte auch schon aus (Gottseidank, wie meine Frau sagt). Immer kann ich das ja auch nicht hören. Amüsant ist es immer dann, wenn ich Anhalter mitnehme, und die Apples laufen gerade.
Das unbetitelte Debutalbum erschien 1968 in einer schmucken silberfarbenen Einfach-Hülle.
Beigelegt war ein Faltposter mit vielen Farbphotos der beiden Musiker. Die lebten zu dieser Zeit übrigens reichlich dekadent in einem Penthouse mitten in New York, musizierten und übten für gewöhnlich auf der dazu gehörenden Dachterrasse.
Das Album verkaufte sich nicht besonders gut, konnte sich aber längere Zeit in den Top 100 halten.
Die Silver Apples waren angesagt in der Undergroundszene, was aber nicht unbedingt an ihrer Musik lag, sondern wohl eher an ihrer Einzigartigkeit, um es vorsichtig auszudrücken. Können und Darbietung war eher ein wenig dilettantisch, dafür aber waren die Apples bizarr und exotisch. Gerade in dieser Zeit befreiten sich die jungen Menschen von Normen, Zwängen und überholten Moralvorstellungen. Trends und Strömungen in der Musik wechselten sich schneller ab, als Börsenkurse, ganze Subkulturen schossen über Nacht aus dem Boden und verschwanden ebenso schnell wieder. Was gestern noch in war, war vielleicht heute schon wieder out. Der Summer of Love hatte inzwischen begonnen, die Zeit der freien Liebe und des freien Denkens. Der Freiheit überhaupt!
Alles war erlaubt, was schockierte und bisher verboten oder verpönt war, Psychedelic war angesagt und mit ihr Bands wie Pink Floyd und Drogen aller Art. Allen voran Marihuana und LSD. Erlaubt war, was anders war. Und die Silver Apples waren anders, sogar völlig anders und konnten sich deshalb mit ihrer überwiegend eigentlich unhörbaren Musik eine Nische erobern. Die Songs der Apples sind sehr simpel und monoton, und so gar nicht nach dem klassischen Schema aufgebaut. Refrains oder gar Passagen zum Mitsingen sucht man vergebens, denn die gab es ebenso wenig wie selbstgefällige Soli. Auch den obligaten und charismatischen Frontmann, der auf der Bühne steht und die Herzen der kreischenden Mädchen reihenweise bricht, vermisst man. Die Apples waren nur zu zweit auf der Bühne, saßen an ihren Plätzen und waren einfach nur kreativ und machten ihr Ding. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ob ich die Platte gut finde? Schwer zu beantworten. Stellenweise, ja. Vor allem den Opener Oscillations, finde ich grandios. Allerdings fällt der Rest des Materials qualitativ dann sehr schnell stark ab. Das Konzept nutzt sich schnell ab, und die unbedarfte Unerfahrenheit in Sachen Musik und Songschreiben dominiert leider. Allerdings muss man den Silver Apples gehörigen Respekt zollen. Sie machten ihr ureigenes und einzigartiges Ding, in einer dafür völlig unpassenden Zeit. Außerdem beeinflussten sie eine spätere Generation Musikschaffender und bereiteten den Weg der elektronischen Musik.
Das Debutalbum erschien damals auch – wie viele andere Alben – auf Tonband. CD`s gab es natürlich noch nicht, und Kassetten kamen auch erst einige Jahre später auf.
Nach ihrem Erstling nahmen die Apples dann eine zweite Platte auf, Contact betitelt, und waren auf Konzerttour durch die Staaten. Die Musik auf Contact war an sich nur eine Wiederholung von bereits Bekanntem, ohne ein Highlight wie Oscillations. Simeon erweiterte sein Instrumentarium um ein Banjo, das aber weit störender und nerviger ist, als die Blockflöte auf dem Erstling. Das Album erschien im Folgejahr in einem farbigen Cover, auf dem die beiden Musiker im Cockpit eines Flugzeuges saßen. Und dies sollte ihnen und dem Label zum Verhängnis werden und das vorläufige Ende ihrer Karriere bedeuten. „Barum?“, würde Tetsche fragen.
Nun, die Aufnahmen im Inneren des Cockpits zeigten oben rechts das Logo der Fluglinie Pan Am, was mit dieser aber abgesprochen war. Dummerweise entschied man sich für die Rückseite des Covers für eine Szene, in der das Duo vor einem abgestürzten Flugzeug posierte. Pan Am war deshalb ordentlich angepisst, da man es in deren Chefetage nicht gerne sah, wenn ihre Fluglinie mit einem Flugzeugabsturz in Verbindung brachte. Kapp-Records und die Silver Apples wurden deshalb mit einer Flut von Klagen und Prozessen überzogen, denen man nicht standhalten konnte. Die bereits ausgelieferten Platten mussten sofort zurück genommen und aus dem Verkehr gezogen werden, was eine Katastrophe für Label und Musiker darstellte.
Dennoch nahmen die Apples ein drittes Album auf, das aber nicht mehr erschien. Kapp war inzwischen von MCA geschluckt worden, und das Duo war seinen Plattenvertrag los und bekam auch keinen neuen mehr. Dies bedeutete das Aus für die beiden Elektronikpioniere. Überdies schienen die Mastertapes des geplanten Albums verschollen.
Aber nicht das endgültige, wie sich Jahrzehnte später zeigen sollte.
Obwohl in Vergessenheit geraten, grub ein deutsches Label Anfang der Neunziger das Debutalbum des Duos aus und veröffentlichte es inoffiziell auf CD. Elektronische Musik war inzwischen keine Kuriosität mehr, sondern gehörte zum musikalischen Kulturgut und war massenkompatibel. Die techno-Hörer wurden auf dieses Relikt aus grauer Vergangenheit aufmerksam, und so erschien 1996 ein Tributalbum (Die waren damals ganz groß in Mode) mit dem Titel „Electronic Evocations“
Das schließlich führte dazu, dass Simeon die Silver Apples mit zwei neuen Musikern, Xian Hawkins (alias Sybarite) and Michael Lerner reformierte und 2 brandneue Alben mit dem Titel „Decatur“ und „Beacon“ herausbrachte.
Simeon suchte inzwischen aber auch nach seinem alten Freund Danny Taylor, den er in den letzten Jahrzehnten aus den Augen verloren hatte, und fand ihn schließlich auch. Wie sich herausstellte, befanden sich die verschollen geglaubten Tapes für das geplante, dritte Album in dessen besitz. Taylor hatte sie in einer Kiste auf seinem Dachboden aufbewahrt. Der Ebay- Begriff „Dachbodenfund“ gewinnt dadurch eine ganz andere Dimension!
Die Silver Apples waren wieder komplett in Originalbesetzung und machten sich eiligst daran, das wiedergefundene Material zu vollenden, aufzubereiten und zu ergänzen.
Unter dem Titel „The Garden“ erschien das Material dann 1998. Die Silver Apples waren wieder da, hatten Erfolg und tourten erneut durch die Staaten. Simeon war zu dieser Zeit bereits stolze 60 Jahre alt, was man ihm aber mit seiner gefärbten Mähne nicht unbedingt ansah.
Leider stand dieser zweite Frühling der Silver Apples abermals unter keinem guten Stern. Während der ausgedehnten US-Tournee wurde der Tourbus in einen unverschuldeten, schweren Unfall verwickelt, bei dem Simeon neben anderen, schweren Verletzungen unter anderem einen Genickbruch erlitt.
Abermals fand die Karriere der Silver Apples ein jähes und unverhofftes Ende. Alle Pläne für weitere Projekte wurden auf Eis gelegt. Erst einige Jahre später war Simeon wieder soweit hergestellt, dass er wieder ans Musikmachen denken konnte. Sein gewohntes Instrument allerdings konnte er leider nicht mehr wie bisher bedienen, arbeitete aber fleißig an neuem Material und verbrachte seine Zeit auf seinem Boot im Golf von Mexiko.
Bevor es zu einer weiteren Reunion der Silver Apples kommen konnte, verstarb Drummer Danny Taylor allerdings überraschend im Jahre 2005 an Herzversagen.
Simeon stand nun alleine da. Taylor war tot, Xian Hawkins und Michael Lerner andersweitig beschäftigt.
Die Silver Apples waren Danny Taylor und er selbst. Da Taylor tot war, war es nur logisch, dass nun er alleine die Silver Apples verkörperte.
Und so kam es zum dritten Frühling. Coxe machte weiter in der Soloversion der Silver Apples, wobei er stets versuchte, Danny Taylors Drumsound in elektronischer Weise wiederzugeben. Coxe tourte unermüdlich durch die Welt und war auf namhaften Elektronik- und Technoevents zu Gast, kollaborierte mit bekannten Acts wie Stereolab, Hans-Joachim Roedelius und Portishead.
2016 erschien nach fast 20 Jahren dann ein neues Album: Clinging To A Dream.
Simeon Coxe III, Elektronikpionier und silberner Apfel des Mondes, verstarb 2020 im Alter von 82 Jahren.