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... Michael Haitel über p.machinery, den SFCD und die Kurzgeschichte

Michael Haitel... Michael Haitel ...
... über p.machinery, den SFCD und die Kurzgeschichte

Wenn man sich die Nominierungslisten der einschlägigen Preise anschaut, fällt auf, dass dort nicht die großen Publikumsverlage vorherrschend sind, sondern regelmäßig die sogenannten Kleinverlage ausgezeichnet werden. Im Bereich der SF gehört dazu der Verlag p.machinery.

Verleger Michael Haitel gibt uns einen Einblick in seine Tätigkeit.


Zauberspiegel: Hallo, Michael Haitel, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst und dem Zauberspiegel ein paar Fragen beantwortest. Einige unserer Leser kennen Dich vielleicht noch nicht. Wer ist eigentlich Michael Haitel?
Michael Haitel: Puh smile Ich bin Jahrgang 1959, geboren in Düsseldorf, lebe seit 1982 in Bayern und arbeite hauptberuflich als ITler in einer Maschinenbaufirma. Ich bin zum vierten Mal verheiratet smile und habe zwei Hunde, die ich heiß und innig liebe. Anfang der 1980er bin ich ins SF-Fandom eingestiegen, Mitte der 1990er habe ich eine Pause eingelegt und 2006 bin ich zurückgekehrt. 2004 erschien das erste Buch meines Verlages. 2014 habe ich das 10jährige gefeiert, und 2024 gehe ich – ohne Verlag smile – in Rente.
 
Zauberspiegel: Du bist der Kopf hinter dem Verlag p.machinery. Ein eher ungewöhnlicher Name. Was bedeutet er genau und warum hast Du Dich dafür entschieden und nicht einfach für Haitel-Verlag?
Michael Haitel: Das ist eigentlich ganz einfach: p.machinery heißt einfach »Propagandamaschinerie«. Als Düsseldorfer gehört heute noch die Band »Propaganda« zu meinen Favoriten, jedenfalls die Formation, die in den 1980ern eine Vorreiterrolle in der tanzbaren elektronischen Musik innehatte. Von denen stammt das Zitat »Es gibt keine Barmherzigkeit«, das ich als Titel meines Blogs auf beckinsale.de verwende, und von denen gab es einen Track namens »p.machinery«. Und ich finde, dass »Propagandamaschinerie« für einen Verlag ein guter Name ist smile – auf jeden Fall erheblich aufregender als »Haitel-Verlag« …
 
Zauberspiegel: In welcher Beziehung steht p.machinery zum Science Fiction Club Deutschland?
Michael Haitel: Da muss ich ein wenig ausholen. Als ich 2006 ins Fandom zurückkehrte, führte mich der erste Weg in den SFCD. Aus einem ganz profanen Grund: Ich wollte Layouts bauen, und die ANDROMEDA NACHRICHTEN waren zum damaligen Zeitpunkt redaktionell praktisch vakant. Gleichzeitig waren mir die ANDROMEDA NACHRICHTEN alleine zu wenig. Ich hatte die Idee, dass der SFCD sich eine SF-Buchreihe leisten könnte – was der damalige Kassierer des Vereins anders sah und die Idee rundheraus ablehnte. Nicht nur, aber auch aus finanziellen Gründen.
Dass sich so eine Buchreihe für den SFCD auch ohne finanziellen Aufwand des Vereins realisieren lässt, habe ich mit der Reihe »AndroSF« zu beweisen versucht – und bin noch dabei. Die Reihe ist dem SFCD quasi »gewidmet« – sie erscheint ausdrücklich »für den SFCD«. Eine zweite Reihe »für den SFCD« – »ProtoSF« – ist in Vorbereitung; hier werden Werke aus der Zeit vor Hugo Gernsbacks Wortschöpfung »Science-Fiction« erscheinen.
 
Zauberspiegel: Welche Rolle spielt die Reihe AndroSF für den Verlag und wie ist sie inhaltlich positioniert?
Michael Haitel: »AndroSF« ist ein wichtiges Standbein des Verlages. Inhaltlich hat sie eine ganz eindeutige Position: Science-Fiction, sowohl literarisch als auch sekundärliterarisch.
 
Zauberspiegel: Bei euch wird eine breite Themenpalette von Fantasy über Horror und Krimi bis hin zur Science-Fiction abgedeckt. Mein Eindruck ist aber doch, dass die SF im Vordergrund steht. Wie siehst Du das?
Michael Haitel: Richtig, Science-Fiction ist die Hauptsache. Aber durch die zahlreichen Kontakte, die im Laufe der Zeit entstanden sind und nach wie vor entstehen, ergeben sich auch immer wieder Situationen, in denen ich mich mit Manuskripten auseinandersetze, die mir gefallen, die aber eben keine SF repräsentieren. Die Hauptsache bleibt aber die SF, ohne Frage.

Zauberspiegel: Innerhalb der SF gibt es viele Themen. Neben der guten alten Space Opera finden sich z. B. Zeitreisen, Military, Dystopien und Alternativweltgeschichten. Manche Verlage konzentrieren sich auf einen solchen Bereich. Wo legst Du die Schwerpunkte?
Michael Haitel: Eigentlich gibt es bei der p.machinery-SF keinen Schwerpunkt. Was die bisherigen Themen angeht, haben wir auch schon so ziemlich alles gehabt – außer Military-SF (aber das könnte auch daran liegen, dass gerade Military-SF eher weniger auf dem von uns präferierten Kurzgeschichtensektor zu finden ist). Gerade im Bereich Anthologien – und hier wiederum im STORY CENTER – gehe ich eigentlich weniger nach Themen, sondern nach Ideen vor.
Der grüne KometDie STORY CENTER-Anthologie »Kaltes klares Wasser" zieht zum Beispiel auf Dystopien oder Utopien – der Autor muss sich entscheiden – ab. »Das Erz der Engel«, ebenfalls für STORY CENTER geplant, wiederum orientiert sich eher Richtung Superheldengeschichten – mit biblischem Touch. Bei anderen Anthologien läuft es ganz anders – die diversen Werke nach der Musik bekannter Künstler (Kate Bush in »Die Große Streifenlüge«, Metallica in »Enter Sandman«, Extreme II in »p.graffit«) wollen kein bestimmtes Thema abdecken, sondern sich durch die Musik inspirieren lassen.
Wir haben also, so kann man sagen, diverse Schwerpunkte in den Büchern, aber nicht grundsätzlich im SF-Programm.

Zauberspiegel: Kannst Du uns etwas zur Werkausgabe von Herbert W. Franke erzählen?
Michael Haitel: Diese Werkausgabe kam über drei Ecken zustande: Ulrich Blode, einer der Herausgeber der Werkausgabe, hatte erfahren, dass Herbert W. Franke nach einem Verlag für eine Werkausgabe suchte. Und von den »Großen« wollte keiner. Ich habe mich beworben und den Zuschlag bekommen, und nun bringen wir Frankes SF-Gesamtwerk nach und nach in einer rund 30bändigen Werkausgabe neu heraus. Hans Esselborn kümmert sich vornehmlich um die sekundärliterarischen Aspekte dieser Reihe, Ulrich Blode um die bibliografischen Dinge, und ich mache die Bücher als solche. (Ganz ausführlich kann man über die Werkausgabe in einem Interview nachlesen, das Michael Schmidt mit Ulrich Blode führte; siehe unter defms.blogspot.de/2015/04/herbert-w-franke-werksausgabe-interview.html.)
 
PragMagischZauberspiegel: Bei Euch erscheint eine Vielzahl von Anthologien auch abseits der SF. Mir haben z. B. die »Düsteren Pfade« von Alisha Bionda sehr gefallen. Es gibt aber auch Titel wie »PragMagisch« von Sina Schneider und Teresa Ginsberg. Hast Du ein besonderes Verhältnis zur Kurzgeschichte?
Michael Haitel: Ja. Ich liebe Kurzgeschichten. Das hat zum einen etwas mit meinen Lesegewohnheiten zu tun – ich komme selten dazu, mich mehrere Stunden mit einem Buch auseinanderzusetzen –, zum andern aber auch damit, dass Kurzgeschichten einfach anders funktionieren als Romane und ich vor allem seltener in die Situation gerate, mir überlegen zu müssen, ob ich die Lektüre jetzt dann doch abbreche oder nicht. Natürlich gibt es auch gute Romane, ganz ohne Zweifel. Wäre ja noch schöner. Aber Kurzgeschichten reizen mich einfach mehr. Schon die Dramaturgie ist einfach viel … knackiger smile
 
Zauberspiegel: Wie kommst Du an die Geschichten? Über Ausschreibungen? Sprichst Du die Autoren selbst an? Oder kannst Du Dich vor entsprechenden Einsendungen kaum retten?
Michael Haitel: Einesteils kommen die Storys über die Ausschreibungen, die dann zu STORY CENTER-Ausgaben führen. Andererseits gibt es auch andere Projekte, die ich von anderen Herausgebern geliefert bekomme. »PragMagisch« ist so ein Beispiel, die Anthologien, die Alisha Bionda gemacht hat, diverse Projekte, die die Geschichtenweber lieferten und liefern. Manche Autoren kommen auch wieder, nachdem sie sich an einer Anthologie beteiligt haben, da entwickelt sich dann manchmal eine Collection. Andere Autoren haben bei mir angefangen und sind geblieben; Axel Kruse ist so einer, der mir offensichtlich ewige Treue geschworen hat. Und letztens hatte ich einen Fall, in dem einer meiner Autoren ein Angebot von einem anderen Verlag bekommen hatte, was ihn in schwere Entscheidungsnöte stürzte – wir konnten das Problem allerdings klären … smile
Autoren ansprechen muss ich eigentlich nicht, das ergibt sich praktisch von selbst.
Und die »unverlangten Manuskripteinsendungen« halten sich auch sehr in Grenzen – was okay ist, nicht nur, weil ich eigentlich einen Annahmestopp verhängt habe (der noch bis Ende 2015 gilt), sondern auch, weil die Materialien, die ich bislang so zugeschickt bekommen habe, qualitativ oder thematisch nicht in das Verlagsprogramm passen. Vor allem die Fantasy-Reihe ist da leider ein treffendes Beispiel: Obwohl auf der Webseite von p.machinery zur Fantasy-Reihe eindeutig steht, an welche Zielgruppe sich die Reihe richtet und dass wir keine »tolkienschen Viechersammlungen« veröffentlichen, bekommen wir vor allem Letzteres immer wieder angeboten,
 
Zauberspiegel: Was ist die Idee hinter dem Story Center?
Michael Haitel: STORY CENTER war ein SFCD-Projekt, das ganz ursprünglich – das ist lange her – gedacht war, um Autorenneulingen eine Veröffentlichungsplattform zu bieten. STORY CENTER erschien zuletzt – für Anthologien ein wenig unpraktisch – im DIN-A4-Format, und nachdem Arno Behrend, der letzte STORY CENTER-Redakteur die Herausgeberschaft abgab, wurde das Magazin im SFCD eingestellt. Ich sicherte mir die Rechte an dem Namen und führte die Reihe mit Themenausschreibungen fort. Durchaus mit Erfolg. Leider bin ich derzeit ein wenig in Rückstand geraten, aber 2015 sollen noch mindestens zwei STORY CENTER-Ausschreibungen – konkret »Das Kreuz der Malteser« und »Nummern« – auch endlich erscheinen.
Der ursprüngliche Aspekt, neuen Schreiberlingen eine Plattform zu bieten, ist nur noch indirekt von Bedeutung. Natürlich kommen hier auch neue Autoren zum Zuge, wenn sie das Thema treffen – aber heute sind die Themen wichtiger, und vor allem die Tatsache, dass es sich auf jeden Fall strikt um SF-Anthologien handelt. Mitmachen darf jeder, der schreiben kann und – wie gesagt – das Thema trifft (und insbesondere das ist bislang überraschend gut gelungen).
 
Zauberspiegel: Wie gehst Du als Herausgeber an die Anthologien heran? Ist so eine Kurzgeschichtensammlung einfach eine Zusammenstellung einzelner Geschichten, die jeweils für sich stehen, oder hast Du bei der Gestaltung darüber hinausgehende Ansprüche?
Harte BandagenMichael Haitel: So eine einfache, lose Zusammenstellung von Storys war eigentlich nur das zweibändige STORY CENTER 2009, »Das Wort« und »Boa Esperança«. Danach gab es immer vorgegebene Themen – beim STORY CENTER. Und andere Autoren haben auch Ideen, und manchmal machen wir dann gemeinsam daraus ein Buch, wobei meine Herausgeber die literarischen Aspekte abdecken, während ich die handwerkliche Seite der »Buchmacherei« übernehme. Corinna Griesbach ist so eine Herausgeberin, die mit ihrem HALLER – einer Literaturzeitschrift, wie sie sie nennt – inzwischen bei p.machinery eingezogen ist und die mit »Blutmond« und »Schatten des Grauens« zwei eigene Horroranthologien vorgelegt hat, und die sich mit »Harte Bandagen« an einer weiteren Horroranthologie beteiligt hat.
Ich gehe davon aus, dass man Leser nur dann für Kurzgeschichten begeistern kann, wenn man ihnen ein Thema anbietet. Immerhin sind die Geschmäcker ja verschieden, und es ist auch bekannt, dass sich Anthologien, die z. B. Genres mischen, ganz besonders schlecht an den Mann bringen lassen. Und darüber hinaus kann es auch nicht so schwer sein, sich für eine Anthologie ein Thema auszudenken – das mache ja nicht nur ich, sondern eigentlich jeder Verleger und Herausgeber, der eine Anthologie machen möchte. Am Anfang ist da immer eine Idee, nicht wahr?
 
Zauberspiegel: Wie siehst Du die Zukunft der Kurzgeschichte in Deutschland?
Michael Haitel: Ich beteilige mich nicht an den Diskussionen, dass die Kurzgeschichte – insbesondere die fantastische – in Deutschland keine Chance hat. Das ist Zeitverschwendung. Ich bemühe mich lieber, die Kurzgeschichte in allen Genres so hoch wie möglich zu halten. Irgendjemand findet sich immer, der sich dafür interessiert, und auch wenn ich damit vielleicht nicht reich und berühmt werde … Wobei das mit der Berühmtheit tatsächlich gar nicht so schwierig ist, wenn es um Kurzgeschichten geht. Auf dem SF-Kurzgeschichten-Sektor hat p.machinery wenig Konkurrenz: der Begedia-Verlag, Exodus, Nova, vielleicht noch zwei, drei Namen mehr, die mir gerade nicht einfallen. Das war’s im Wesentlichen schon. Und das führt zum Beispiel dazu, dass es recht einfach ist, auf den Nominierungslisten für die einschlägigen SF-Preise in der Rubrik »Beste Kurzgeschichte« zu landen smile … und sogar den ersten Platz zu belegen. Wobei natürlich die Qualität der Geschichten auch eine Rolle spielt …smile

Zauberspiegel: Wie macht sich so eine Auszeichnung bemerkbar? Steigt z. B. die Nachfrage?
Michael Haitel: Ja, die Verkaufszahlen zeigen schon, dass so eine Auszeichnung durchaus wahrgenommen wird. Allerdings darf man sich als Außenstehender hier keinen Illusionen hingeben – die Steigerung liegt nicht im fünf- oder vierstelligen, nicht mal im dreistelligen Bereich. Aber das ist – so könnte man sagen und ein schönes Fremdwort nutzen: – systemimmanent smile
Bemerkbar macht so eine Auszeichnung aber durchaus im Ego. Nicht nur beim Autor, bei dem natürlich vor allem; aber auch ich finde es schön, wenn einer meiner Autoren auf diese Art und Weise doch eine gewisse Belohnung für seine Arbeit erfährt.

Zauberspiegel: Was wird als Nächstes von p.machinery kommen? Worauf dürfen sich die Leser noch in der zweiten Jahreshälfte 2015 freuen?
Michael Haitel: Ich plane nicht mit konkreten Veröffentlichungsterminen. Zum einen sorgt mein Hauptberuf gerne mal dafür, dass eine doch aufgestellte Planung ins Wasser fällt; zum anderen neige ich dazu, mir mehr vorzunehmen, als ich wirklich ableisten kann. Aber im 2. Halbjahr werden noch einige Bände aus der Franke-Werkausgabe (voraussichtlich 6 bis 8 Titel) erscheinen, zwei STORY CENTER-Ausgaben, wie erwähnt, eine Anthologie aus Sven Klöppings »sternwerk«, mindestens ein Buch von Michael Weisser als »Die|QR|Edition«, es wird noch einen HALLER geben, wie ich Corinna Griesbach kenne. Ein Schwerpunkt wird auf jeden Fall auf der AndroSF-Reihe liegen, nachdem zuletzt eher die anderen Reihen bevorzugt wurden – vor allem »Action, Thriller, Mystery«, »Horror« und »Fantasy« –, und ich muss ja dafür Sorge tragen, dass wir auch 2016 wieder auf allen Nominierungslisten der SF-Preise vertreten sind. smile Und ansonsten gehen mir die Manuskripte derzeit eh noch lange nicht aus.

Uwe Weiher



Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Uwe Weiher

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