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... Bastian Brinkmann über (Selbst-)verlegen, Bücherbauen und Schreiben

Bastian Brinkmann... Bastian Brinkmann ...
... über (Selbst-)verlegen, Bücherbauen und Schreiben

Seit ein paar Jahren und wegen fortgeschrittener technischer Möglichkeiten hat der gemeine Autor nicht mehr nur die Wahl zwischen Verlag, Druckkostenzugschussverlag und Fanzine, sondern kann wie der Landwirt seine Produkte auch sich selbst und seine Bücher vermarkten.

Wir haben einem solchen Selbstvermarkter mal ein paar Fragen gestellt ...


Zauberspiegel: Ich hörte zum ersten Mal von Dir, als Du in einem Kommentar geschrieben hast: »als Selfpublisher hätte ich dafür getötet, diese Fragen beantworten zu dürfen«. Daraus leitet sich doch gleich die Frage ab, wie schwer ist es für einen Selfpublisher, Aufmerksamkeit zu erregen? Wie macht man also Marketing und Public Relations? Und (nicht ganz ernst gemeint): Wen hast getötet?
Bastian Brinkmann: Ich habe zum Glück niemanden töten müssen, aber Interviews sind einer der wenigen Wege, mit denen ich mich anfreunden kann, um der Welt da draußen mal „Hallo“ zu sagen. Außerdem lese ich Interviews sehr gerne und mittlerweile das ein oder andere selbst gegeben zu haben, fühlt sich auf eine äußerst positive Art ziemlich surreal an.
Was Marketing und Public Relations angeht: Ich will in Ruhe meine Bücher schreiben. Wenn ich was fertig habe, schreibe ich ein paar Webseiten an, ob sie Lust haben, das Buch vorzustellen und dann geht’s auch schon weiter mit dem nächsten Buch.
Soziale Medien wie Twitter, Facebook etc. nutze ich überhaupt nicht.

Zauberspiegel: Abers sind nicht gerade die sozialen Medien und Auftritte auf Lesungen,. Cons und ähnliches inzwischen unverzichtbar geworden. Muss der Autor seine Hackfresse nicht in der Öffentlichkeit präsentieren.
Bastian Brinkmann: Ja, das ist so das, was einem quasi jeder erzählt. Mir ist es aber wichtiger, was mir Spaß macht und womit ich mich identifizieren kann. Und Social Media und der ganze Kram gehören definitiv nicht dazu (Cons sind 'n anderes Thema).
Ich lese natürlich alles zu dem Thema, was mir in die Finger kommt. Aber Entscheidungen treffe ich nie wegen „Hey, das könnte dir mehr Leser/Traffic/whatever bringen“, sondern immer nur wegen „Hey, das könnte Spaß machen“.

Zauberspiegel: Als Selfpublisher bist du nicht nur Autor, sondern übernimmst alle Aufgaben, die sonst von Verlagsmitarbeitern übernommen werden und mit denen sich ein Autor normalerweise gar nicht abmüht. Von der Kalkulation bis hin zur Buchgestaltung kommt alles aus (d)einer Hand. Wie siehst du diese Aufgaben? Nimmst du die gern wahr?
Bastian Brinkmann: Oh ja. Text und Cover zu erstellen - sprich: die gesamte Buchproduktion -, macht mir großen Spaß. Ein Buch zu „erschaffen“ ist einfach eine großartige Sache.
Was die Kalkulation betrifft, kann man das wohl kaum mit 'nem „richtigen“ Verlag vergleichen: Verlage müssen die Zusammenarbeit vieler Leute an vielen Projekten und die dazugehörigen Zahlen managen. Ich muss lediglich dafür sorgen, dass meine Story als fertiges Buch in die Shops kommt. Zu kalkulieren gibt es da nicht viel.
Ich komme mir eher vor wie so'n Buchbauer, der in seiner heimeligen Werkstatt hockt und in aller Ruhe an seinem nächsten Buch schreinert. Wir vergleichen quasi Gordon Gekko mit Meister Eder.

Zauberspiegel: Eine Frage, die mit der vorangehenden in engem Zusammenhang steht: Dir als Selfpublisher obliegen nicht nur diese Aufgaben. Du musst Sie auch in den Buchpreis einkalkulieren. Ohne mal ganz konkreten Zahlen zu nennen: Wie hältst Du es mit den kalkulatorischen Kosten und wie entsteht der Preis für deine Bücher? Und als Einschätzung: Wer von den Selfpublishern kalkuliert seine Werke nach kaufmännischen Grundsätzen und wer so eher ›pi x Daumen‹?
Bastian Brinkmann: Der Preis ist immer so 'ne Sache: Was Print betrifft, da sind die Preise von den verschiedenen Anbietern klar vorgegeben. Da pack ich noch ein oder zwei Euro drauf, bis die Zahl gut aussieht, und gut is'.
Bei eBooks ist die Sache ungleich schwieriger: Nach dem Schreiben sind die virtuellen Druckkosten eines eBooks von der Seitenzahl unabhängig – abgesehen von einer geringen Downloadgebühr je nach Dateigröße. Da darf/muss dann jeder selbst entscheiden, auf welches Preismodell er sich festlegen will.
Ich habe mich vorerst für 2/3 des Preises der Printausgabe entschieden, nachdem ich irgendwo mal gelesen habe, dass dies ein von Lesern als fair empfundener Preis ist. Das kann sich aber jederzeit wieder ändern.

Zauberspiegel: Auch hier noch eine Folgefrage: Kann man als Selfpublisher – wenn man ehrlich ist – überhaupt kostendeckend - sprich wirtschaftlich - arbeiten - oder geht es da eher um die Lust, eigene Texte herauszubringen?
Bastian Brinkmann: Am Anfang steht die Begeisterung, eine eigene Welt zu erschaffen. Das ist der Ausgangspunkt des Ganzen: Sich auszutoben, das zu schreiben, was in einem drinsteckt, was einem einfach liegt, eine Geschichte so intensiv mitzuerleben, wie man es durch bloßes Lesen nie könnte.
Dann dieser Wunsch, das Ganze in Papier zu „gießen“, ihm eine äußere Form zu geben.
Und ganz am Schluss ist da noch diese ganz besondere Neugier: Wie weit kann ich es mit meinem Zeugs bringen - sowohl in finanzieller als auch lesertechnischer Hinsicht?
Ob man das Ganze wirtschaftlich betreiben kann (oder mehr)? Ich zweifle keine Sekunde daran. Es gibt halt nur einen Weg, das herauszufinden.

Zauberspiegel: Mir stellt sich zudem die Frage: Wird das Schreiben nicht eher zur Nebensache, wenn man an all die Aufgaben denkt, die noch zu erledigen sind?
Bastian Brinkmann: Der Drum-herum-Aufwand – von der Rohfassung zum fertigen Buch im Shop - ist schon gewaltig und darf nicht unterschätzt werden. Der Weg, bis man sein eigenes Buch in Händen hält, ist schon enorm. Wer das schafft, der meint es wirklich ernst.
Trotzdem wird das Schreiben nie zur Nebensache: Im Kopf hockt man immer irgendwie in seiner Welt, macht sich Gedanken, was als Nächstes passiert usw. Da staut sich dann so einiges an kreativer Energie an, die es kaum erwarten kann, hinausgelassen zu werden.

Zauberspiegel: Die These wird ja immer gern aufgestellt (und Erfolgreiche sind den Weg auch schon gegangen), dass jeder Selfpublisher insgeheim davon träumt, Verlagsautor zu werden. Wie siehst du das?
Bastian Brinkmann: Ich glaube da nicht wirklich dran. Wird mit Sicherheit Leute geben, die damit liebäugeln, aber für mich ist das keine Option. Den Gedanken, dass Autoren bei Verlagen grundsätzlich am besten aufgehoben sind, halte ich für ein Gerücht.
Insgeheim bin ich übrigens Verlagsautor: Ich veröffentliche über meinen eigenen Verlag, die GORGONEION Press.

Zauberspiegel: Noch zwei schöne ›Thesen‹. Die erste besagt, Selfpublisher sind frustrierte abgelehnte Autoren, die ständig abgelehnt werden und anders ihre Werke nicht unters Volk bringen können. Die zweite These sagt: Selfpublisher sind Autoren, die ungewöhnliche, nicht Mainstream-konforme Bücher schreiben und daher auf sich angewiesen sind.
Welche dieser Thesen stimmt oder sind gar beide Unsinn und die Wahrheit liegt ganz woanders?
Bastian Brinkmann: Es gibt alle möglichen Gründe, warum man Selfpublisher wird. Da werden mit Sicherheit auch 'n paar gefrustete Autoren dabei sein, die keinen anderen Weg mehr sehen. Und auch nonkonforme Autoren werden darunter sein - ich kenne da zufällig jemanden.
Für mich ist der typische Selfpublisher eher so jemand, der immer schon gerne das geschrieben hat, woran sein Herz hing. Jemand, der nie darauf gekommen wäre, sein Zeugs an einen Verlag zu schicken und der dann irgendwann von diesem ominösen „Selfpublishing“ hört. Viele, die heute im stillen Kämmerlein vor sich hinschreiben, wissen noch gar nicht, dass sie in ein paar Jahren Selfpublisher sein werden.
Ein weiterer Löwenanteil werden Leute sein, die es einfach mal ausprobieren wollen. Die Spaß daran finden und die dann einfach am Ball bleiben. Das sind für mich so die typischen Selfpublisher.
Ach ja: Und natürlich auch noch die Verlagsautoren, die nach vielen Jahren ihre Verlage verlassen, weil sie ihre Zukunft im Selfpublishing sehen. So etwas gibt es auch.

Zauberspiegel: Selfpublisher in den Buchhandel? Das führt aber wirklich nur in die Deko. Ich höre immer wieder Klagen kleinerer Verlage und von Selfpublishern, dass der Weg nicht so recht klappen will. Wie kommt man also als Selfpublisher in den Handel und wie sind die Konditionen?
Bastian Brinkmann: Nein, als Selfpublisher kommt man in der Regel nicht mal in die Deko. Es sei denn, man hat persönliche Kontakte oder geht selber in den Buchhandlungen Hände schütteln. Aber es gibt Print-on-Demand-Anbieter, die dafür sorgen, dass ein Buch auch über den Buchhandel bestellbar ist.
Was die Konditionen betrifft: Entscheidet man sich für den Amazon zugehörigen Dienstleister CreateSpace, sind die Bücher zwar günstiger als bei anderen Anbietern, allerdings sind diese in der Regel nicht über den Buchhandel bestellbar.
Entscheidet man sich hingegen für einen Anbieter, der dafür sorgt, dass die Bücher auch über den Buchhandel bestellbar sind, werden die Bücher wiederum teurer. Auch hier muss jeder sehen, was sich für ihn am meisten lohnt und womit er sich am wohlsten fühlt.

Zauberspiegel: Da gibt es noch die These. Das Selfpublishing wird das Verlagswesen ersetzen. Manche sind schon jetzt dieser Meinung. Wie siehst Du das? Werf mal nen Blick in Deine Kristallkugel.
Bastian Brinkmann: Nein, daran glaube ich absolut nicht. Es gibt mit Sicherheit gewisse Verschiebungen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwann mal am Bahnhof keine Bücher aus großen Verlagen mehr zu kaufen geben wird.
Ganz im Gegenteil lese ich immer wieder, dass die Big 5 trotz aller Unkenrufe von Jahr zu Jahr immer dickere Zahlen schreiben. Gleichzeitig geht es den Verlags-Autoren von Jahr zu Jahr immer schlechter. Also irgendwas müssen die Verlage verdammt richtig und die Autoren verdammt falsch machen - ich habe da so eine böse Ahnung ...
Ich bin erst heute über diesen Artikel von 2014 gestoßen (falls für die Leser interessant – ist halt auf Englisch aus dem ›Guardian

Zauberspiegel: Ein weiterer Streitpunkt ist das Lektorat. Ich stehe auf dem Standpunkt, ein Autor, der sich selbst lektoriert erweist sich einen Bärendienst, denn unabhängig von Rechtschreibfehlern liebt er seinen Text zu sehr, um ihn wirklich mit spitzer Feder zu bearbeiten. Wie siehst Du das?
Bastian Brinkmann: Selfpublishing heißt ja nicht automatisch, dass die Bücher nicht lektoriert sind. Das nötige Kleingeld vorausgesetzt, kann man jeden Schritt von externen Leuten erledigen lassen. Wird auch von vielen so gemacht. Je nachdem, wie man die Sache aufzieht, unterscheiden sich Verlage und Selfpublisher in ihrem Arbeitsablauf gar nicht so sehr voneinander.
Ich selber bin völlig lektoratsblind. Ich könnte niemals ein Buch oder einen Text lektorieren. Darüber hinaus bin ich absolut unfähig, mein eigenes Werk zu beurteilen. Zum Glück habe ich dafür meine Testleser (die „Gorgonauten“ - Dank sei den Göttern!).
Was ich über meine eigene Texte denke, behalte ich lieber für mich.

Zauberspiegel: Der wichtigste Vertriebsweg für Selfpublisher ist ja nicht der klassische Buchhandel, sondern ein gewaltiger Konzern; nämlich Amazon. Wie siehst Du das? Und wie glaubst Du wird sich das Verhältnis von Amazon und den Selbstverlegern entwickeln?
Bastian Brinkmann: Ohne Amazon gäbe es das Selfpublishing in dieser Form nicht, von daher kann man Amazons Verdienst gar nicht hoch genug einschätzen: Das Wagnis, eReading-Technologie wirklich „durchzuboxen“ (eine Technologie, die schon Jahre vorher bereits gescheitert ist), kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden.
Was die Zukunft angeht: Amazon ist nicht Mutter Teresa. Es ist natürlich toll, dass Amazon einem als Autor so viele Freiheiten lässt, andererseits wartet man irgendwie immer darauf, dass Amazon irgendwas ganz Großes, Tolles, Neues erfindet und alle plötzlich nur noch für umme schreiben dürfen (Kindle Unlimited scheint einige englischsprachige Autoren wirklich getroffen zu haben).
Von daher wird es in erster Linie eine Frage der Konkurrenz zu Amazon sein, wie sich Amazon entwickeln wird. Und so lange es immer wieder Mitbewerber mit neuen Ideen gibt, wird auch Amazon dieses befürchtete „Nur noch wir verdienen daran“ kaum umsetzen können.
Man sollte aber auch nicht unterschlagen, dass es auch für Selfpublisher möglich ist, in den klassischen Buchhandel zu gelangen: Vielleicht nicht direkt auf die Ladenfläche, aber dem Leser seine Bücher über das Bestellsystem zugänglich zu machen, ist kein Problem mehr.

Zauberspiegel: Wie glaubst du, wird sich das Selbstverlegen entwickeln? Welche Perspektiven siehst du bei dieser Form, Bücher unters Volk zu bringen?
Bastian Brinkmann: Ich glaube, dass wir noch immer ganz am Anfang einer absoluten Revolution stehen: Selfpublishing und traditionelle Verlage werden sich in ihren eigenen Welten nebeneinander einpendeln, sich weiterentwickeln und gegenseitig befruchten. Aufgrund der bloßen Option des Selbstveröffentlichens haben Autoren, die bei Verlagen anklopfen, so etwas wie ein ständiges Ass im Ärmel, und das Papierbuch wird niemals verschwinden. Diese Unterscheidung zwischen selbst veröffentlichtem Buch und traditionell veröffentlichtem Buch wird immer weniger ein Thema sein.
Immer mehr Menschen werden den Weg zum Schreiben und Veröffentlichen finden, Leser haben die Auswahl aus noch mehr Geschichten, noch mehr Abwechslung, noch mehr Andersartigkeit (schon mal von „Fart Fiction“ gehört?) und irgendwann fließen Milch und Honig aus unseren Readern.
Ich sehe das alles absolut positiv.

Zauberspiegel: Was hast Du selbst in nächster Zeit vor? Was kann ein Selbstverleger tun, um populär zu werden?
Bastian Brinkmann: Möglichst viele möglichst gute Bücher schreiben und veröffentlichen.
Meine nächste Veröffentlichung steht an – der erste Band einer Serie -, ich werde meine Webseite, mein Wiki und meine Welt „Achaia“ weiter pflegen und den ganzen Kram machen, so lange ich Spaß daran habe.
Was ein Selbstverleger tun kann, um populär zu werden? Berühmt anfangen. Wer berühmt ist, hat als Autor den entscheidenden Vorteil.
Ich bin dafür allerdings wohl der falsche Ansprechpartner: Berühmt zu werden wäre meine schlimmster Albtraum.

Zauberspiegel: Vielen Dank für die Antworten. Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mal weniger mit dem Selbstverleger, sondern eher mit dem Autor … Bis dann
Bastian Brinkmann: Zurück ins Funkhaus. Bis dann.

Und hier gehts zur Homepage Bastian Brinkmanns

Horst Hermann von Allwörden



Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Horst Hermann von Allwörden

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