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... Joe Tyler über Western, Space Western und Pläne

Linda Stewart... Joe Tyler ...
... über Western, Space Western und Pläne

Der Western-Roman hat nach wie vor seine begeisterten Leser. Neben den Klassikern in diesem Genre gibt es auch einige neue Autoren, die mit Können und sehr viel Leidenschaft die Zeit des Wilden Westens in ihren Romanen lebendig werden lassen. Einer, der unter diesen Newcomern heraus sticht, ist Joe Tyler. Ein sichtlich gutgelaunter Autor war gerne bereit, unsere Fragen im Interview zu beantworten.

Cowboy am ScheidewegZauberspiegel: Könntest du dich unseren Lesern bitte kurz vorstellen? Wer ist Joe Tyler?
Joe Tyler: Gern. Ich bin gelernter Industriekaufmann und schreibe seit mittlerweile zweiundzwanzig Jahren. Um den Leser nicht zu verwirren, habe ich Genrepseudonyme gewählt, sodass er unter dem jeweiligen "Autorennamen" auch immer genau das findet, was er sucht und erwartet. Oder habe ich damit die Verwirrung vielleicht erst komplett gemacht? *lacht*
Joe Tyler ist mein Pseudonym für Western.
Unter Frederick S. List veröffentliche ich meine Science-Fiction-Romane, die unter anderem in der Reihe "Star Gate" von Wilfried A. Hary erschienen sind.
Außerdem schreibe ich gerne Kriminalgeschichten, Kurzgeschichten oder auch mal etwas sehr Ernstes, vergleichbar mit Gabriel Garcia Marquez oder T. C. Boyle. Zudem sind bisher vier Jugendromane aus meiner Feder geflossen.
Wie man unschwer erkennen kann, ist mein Schreiben nicht auf Western begrenzt – obwohl ich mich in diesem Genre zuhause fühle wie nirgendwo sonst.

Zauberspiegel: Von dir sind mittlerweile unter anderem 16 Western-Romane und 1 Western-Kurzgeschichtenband erschienen. Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Joe Tyler: Wenn ich das in aller epischer Breite erzählte, wäre dies eine sehr langweilige Geschichte.*grinst* Daher in aller Kürze: Ich las schon als junger Mensch gerne Western. Eine meiner ersten Erinnerungen ist ein Heftroman aus der Reihe "Rauchende Colts" (Bastei-Verlag). Ich weiß noch heute, welches Cover der hatte. Ich begann dann in den 1980ern zu schreiben und sandte meine ersten schriftstellerischen Versuche an eben besagten Bastei-Verlag; doch damals kam es nicht zu einer Veröffentlichung. Das neu aufkommende Thema Computer brachte mich danach vom Schreiben ab, und erst Jahre später, beim Lesen eines Buches, packte mich plötzlich die Lust, es selbst wieder zu versuchen. Ich schrieb einige Science-Fiction- und Kriminalgeschichten, und kam erst später zum Western zurück. Es war wie eine Heimkehr. Die Ideen strömten nur so, und ich muss keine Angst haben, dass sie mir jemals ausgehen werden – eine Angst, die mir in anderen Genres allgegenwärtig war.

Der StationerZauberspiegel: Gibt es Autoren, die dich in irgendeiner Weise beeinflusst haben?
Joe Tyler: Beeinflusst im Sinne von „Ich schreibe wie XY oder YZ“ nicht. Nichtsdestotrotz haben mich einige Autoren auf eine bestimmte Art und Weise beeindruckt.
Im deutschen Westernbereich ist natürlich G. F. Unger omnipräsent, und ich denke, er ist der weltweit meistverkaufte Westernautor. Seine Romane ziehen auch heute noch viele Leser in ihren Bann. Sie sind spannend und interessant geschrieben – auch wenn sich genrebedingt sicherlich einige Themen wiederholen. Besonders gelungen von ihm empfinde ich "Sterben für 13 Dollar" und "Ben Quades Stolz".
Aber auch die amerikanischen Kollegen haben mir viel mit auf den Weg gegeben. Zu nennen wären hier u. a. Loren D. Estleman (von dem ich "Heißer Herbst", ein Buch über die Schießerei am OK-Corral – der damals noch gar nicht so hieß – wärmstens empfehle), und Lewis B. Patten, der meiner Meinung nach die spannendsten Western geschrieben hat. Mein Favorit von ihm ist "Rebellengold".
Aus dem Non-Western-Bereich fällt es mir schwer, Namen zu nennen … zu viele Bücher reihen sich in meiner Bücherwand; es müssen inzwischen wohl an die 5.000 sein.

Zauberspiegel: Deine Western-Romane zeichnen sich durch eine spannende, interessante und mitunter auch überraschende Handlung aus. Hast du die jeweilige Story schon zu Beginn im Kopf oder ergibt sich vieles erst beim Schreiben?
Joe Tyler: Wenn meine Western-Romane so wahrgenommen werden, freut es mich, denn genau das ist auch mein Ziel beim Schreiben.
Zu Beginn habe ich immer die "Eckpunkte" (Plot Points) eines Romans im Kopf. Das heißt, ich weiß immer ganz genau, wo ich hin will und welche Story ich präsentieren möchte. Beim Schreiben wird der Zwischenraum dann auf einer detaillierteren Ebene gefüllt. Manchmal machen sich Figuren selbstständig, oder es stellt sich heraus, dass eine gewisse Idee nicht funktioniert. Hier muss man einfach anpassungsfähig bleiben. (Fun Fact: Isaak Asimov schrieb übrigens auf genau dieselbe Weise.)
Recherchen stelle ich erst während des Schreibens an, wenn ich weiß, welche Informationen ich konkret benötige.

Goldmine des TeufelsZauberspiegel: Woher nimmst du die Ideen für deine Storys?
Joe Tyler: Ich war schon ein paar Mal in demselben Laden in Cleveland, der auch Stephen King die Ideen zuschickt.*lacht* Nein, Spaß beiseite. Ideen finden sich überall. Es kann zum Beispiel gut sein, dass ich einen TV-Krimi ansehe und an einer bestimmten Stelle denke: Wie wäre es, wenn genau das im Wilden Westen passieren würde? Plötzlich verselbstständigt sich der Gedanke, und ich ertappe mich dabei, wie ich stunden-, vielleicht tagelang über solch einer Idee brüte. Wenn es so weit ist, wird es Zeit, mit dem Schreiben zu beginnen.

Zauberspiegel: Wie wichtig ist dir der historische Hintergrund deiner Romane?
Joe Tyler: Also, auf einer Skala von eins bis zehn: Null. Ich schreibe ja keine Dokumentationen. Mein Hauptaugenmerk liegt auf einer spannenden Geschichte.
Zu Beginn meines Schreibens war mir dieser Aspekt sehr wichtig, inzwischen ist er jedoch komplett in den Hintergrund gerückt. Mir persönlich geht es nicht um den exakten, wissenschaftlich fundierten, historischen Background, sondern um das Zwischenmenschliche, die psychologische Spannung zwischen den Figuren, die nicht nur 1860, sondern auch 2020 Parallelen findet. Warum will die eine Person dies, die andere Person etwas anderes? Wozu führt dies? Sind "Bösewichte" nur böse? Sind die "Guten" nur gut? Wie entscheiden zwei verschiedene Charaktere, wenn sie vor dieselbe Wahl gestellt werden? Welche Abgründe lauern in uns allen?
Eine Szene, die genau dies wiedergibt, habe ich in "Der Stationer" geschrieben. Hier steht der Protagonist mit einem Gefährten auf einem Hügel und beide blicken auf die Stadt hinab. Dort regiert ein korrupter Gesetzeshüter. Der Held denkt darüber nach, jetzt einfach hinabzureiten und den Mann über den Haufen zu schießen. Der Partner des Helden ahnt in diesen Augenblicken nichts von diesen mörderischen Gedanken, die unmittelbar neben ihm stattfinden.
Der wahre Schrecken verbirgt sich oftmals in den Köpfen der Leute, und Gnade uns, wenn sie ihn ausleben! Das bezeugen die vielen Terrorakte, die in letzter Zeit verübt wurden, leider nur allzu deutlich.

RevolvertreueZauberspiegel: Im Vorwort zu "Blinde Wut" schilderst du, dass sich ein bekannter Verlag weigerte, diesen Roman zu veröffentlichen, da er nicht den "Vorgaben" entspricht. Stehen sich deiner Meinung nach die Verlage bei Neuveröffentlichungen im Genre Western quasi selbst im Weg?
Joe Tyler: Ja, das denke ich tatsächlich. "Blinde Wut" wurde vom Verlag abgelehnt, weil der Held ein 15-jähriger Junge ist. Dabei hat der zuständige Mitarbeiter den Roman noch nicht einmal gelesen! "Blinde Wut" ist keine Tom-Sawyer-Geschichte, das will ich hier in aller Deutlichkeit betonen. Hier geht es richtig zur Sache, und der arme Junge kann einem eigentlich nur leidtun. Er ist gezwungen, Dinge zu tun, die ein 15-Jähriger einfach nicht tun sollte. Daher bin ich letztendlich nicht böse, dass es mit dem Verlag nicht geklappt hat, denn sonst hätte ich "Blinde Wut" nicht schreiben können. Man verstand meine Intention als Autor nicht, sondern wollte einen Lohnschreiber, der das liefert, was schon alle anderen vor ihm geliefert haben. Da macht Schreiben keinen Spaß – für mich jedenfalls.
Was wir heute auch oft haben, ist die x-te Nachauflage (manche sagen "Recyceln") von Western, die in den 1960ern bis 1980ern geschrieben wurden. Doch überlegen wir einmal: Western im Kino werden heute nicht mehr so gedreht wie in den 1960ern. Sie sind heute viel plastischer, viel realistischer, vermitteln ein völlig anderes Bild, andere Figuren, andere Emotionen. Genau so kann der Western-Roman auch sein – wenn man ihn lässt und ihm nicht die Ketten von vor fünfzig Jahren anlegt.
Wenn es etwas Ureigenes gibt, das ich dem Genre und den Autoren auch noch mitgeben möchte, dann sind es die Reaktionen der Figuren. Lasst die Charaktere in euren Romanen wie echte Menschen reagieren, nicht wie klischeebehaftete Abziehbilder, die wir alle schon tausendmal irgendwo gelesen haben.

Zauberspiegel: Welche Bücher würdest du zu deinen All-Time-Favorites zählen?
Joe Tyler: All-Time-Favorites – das sind Bücher, die man immer wieder hervorholt, immer wieder gerne darin liest, richtig? Dann sind das für mich:
- Die Bibel – ich lese seit 26 Jahren darin und bin immer noch erstaunt, welche Erkenntnisse sie für uns bereithält.
- Wilhelm Busch – Gesammelte Werke
- Karl May – Gesammelte Werke

Die Feuer von KrellZauberspiegel: Was kann man von dir in nächster Zeit erwarten? Gibt es schon konkrete, weitere literarische Projekte? Oder Themen, über die du gerne schreiben würdest?
Joe Tyler: Im Moment arbeite ich an der Reihe "Spacewestern" - in der Zukunft spielende, mit vielen Science-Fiction-Elementen gespickte Western - die mir viel mehr Möglichkeiten gibt, Storys zu entwickeln und andersartige Plots und vor allem neue Worte zu verwenden, wie es in klassischen Western nicht möglich ist. In dieser Reihe pfeife ich quasi auf alles. Mir ist es egal, ob etwas physikalisch möglich ist oder nicht – ich schreibe es einfach, befeuere meine Fantasie und lass sie sich austoben. Zum Beispiel: Ein-Mann-Raumschiffe; Waffen, die man von Strahlenschuss auf Hartmunition umstellen kann; fühlende Maschinen; lebendes Glas…
Der Held der Reihe ist Owen Richter, der auf verschiedenen Planeten die unterschiedlichsten Abenteuer erlebt. Die ersten Bände sind bereits fertig und werden in Kürze erscheinen. Ich bin froh, einen tollen Künstler gewonnen zu haben, der geniale Cover gestaltet, die den Inhalt wunderbar widerspiegeln. Für mich ist ein Buch immer ein Gesamtkunstwerk, und das Cover sollte meines Erachtens zum Inhalt passen. Vielen Dank an dieser Stelle an Azrael!

Zauberspiegel: Ein paar letzte Worte an unsere Leser?
Joe Tyler: Vielen Dank für das Interesse an meinen Werken!

Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Carola Lee-Altrichter.

Kommentare  

#1 Advok 2018-09-04 14:12
Danke für das Interview.

Danke auch für die Offenheit bei der Frage zum historischen Hintergrund, wenngleich Joe Tyler hier ein wenig untertreibt. Bei Amazon habe ich mich in verschiedene Romananfänge eingelesen, und hier hat mir sehr vieles sehr gut gefallen. Kurzweili lesen lassen hat es sich allemal.
Hier beim Zauberspiegel sind mir noch die vielen Lassiter-Rezensionen im Gedächtnis geblieben, wo historische Genauigkeit einerseits eingefordert, anderseits aber auch ein modernes Frauenbild erwartet wurde. Hat mich immer ein wenig an ein Hühnerei erinnert, dem der Vorwurf gemacht wird, nicht die Größe eines Straßeneis zu haben.

Allerdings ist mir beim Einlesen aufgefallen, dass bei den Joe-Tyler-Romane ein Grundszenario mitunter öfter umgesetzt bzw. variiert wird. Hier müsste man dann die Romane ganz lesen, um fundiert zu urteilen.

Zu "Blinde Wut": Auch Dietmar Kügler ging bei Lobos Jugendabenteuer innerhalb von Ronco eigene Wege, die dann zu Roncos Jugendabenteuer-Subserie geführt haben und dann auch wohl sehr erfolgreich waren. Schade dass die Verlage hier wieder sehr engstirnig geworden sind. So viel also zum Thema, was alteingesessene Verlage tun müssen, um das Heftromangenre moderner werden zu lassen.

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