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... Roland Zingerle über Heftroman-Sponsoren, kollektive Knasterfahrungen und 100 Euro ...

Roland Zingerle ... Roland Zingerle ...
… über Heftroman-Sponsoren, kollektive Knasterfahrungen und 100 Euro für die Ewigkeit

MMag. Roland Zingerle ist der Schöpfer der bisher 18-bändigen Romanheftserie „Klagenfurter Kneipen-Krimi“ und arbeitet als freischaffender Autor, als Texter und als Dozent in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee. Bisher sind sechs Beiträge auf Zauberspiegel-Online zu seinen humoristischen Kriminalromanen erschienen. (= Die AnfängeDie Interfiktion, Die Promo-Maßnahmen, Die Titelliste, Die Covergalerie und Die Karawankenkrimis) Zusammen mit diesem Interview erscheint noch eine ergänzende Bildergalerie

 

Roland Zingerle am (Kerker-)BettZauberspiegel: Wie ist Ihr schriftstellerischer Werdegang bis 2006 verlaufen, als Sie im „Eigenverlag Roland Zingerle“ die Klagenfurter Kneipen-Krimis gestartet haben?
Roland Zingerle: Bis dahin war alles nur Hobby und daher wenig aussagekräftig. Ich schreibe seit meinem siebten Lebensjahr mit Unterbrechungen, d. h. ich habe einen recht großen Fundus an fertigen, halbfertigen, konzipierten und skizzierten Geschichten. Dazu kommen knapp 1000 Gedichte. Mehrere Einreichungen unterschiedlicher Manuskripte an diverse Verlage blieben allesamt ohne Erfolg. Das war dann letztlich auch der Grund, dass ich zur Selbsthilfe gegriffen habe.

Zauberspiegel: Wie kamen Sie auf die ungewöhnliche Idee, ausgerechnet einen Gastronomie-Großhandelsvertreter und einen Bierzusteller als Helden Ihrer Heftserie zu etablieren?
Roland Zingerle: Beim Kneipen-Krimi war die Grundidee, dass Gaststätten Drehscheiben der Kommunikation sind. In einem Dorf weiß niemand mehr, als der Wirt – denn bei ihm treffen sich alle und wer nicht an der Theke sein Herz ausschüttet, der tut es gegenüber einem Freund in meist allgemein hörbarer Lautstärke.
Ich brauchte also Protagonisten, die in diesem informationsgeschwängerten Umfeld arbeiten, aber nicht an einem Ort festgebunden sind, wie das etwa ein Gastwirt ist. Auf diese Art konnten die Hobbydetektive mittels Gerede die Fälle schneller lösen, als die Polizei, die in solchen Situationen ja meist auf Misstrauen oder böse Anschuldigungen stößt.

Zauberspiegel: Höchst außergewöhnlich wirkt auch Ihr Konzept der „Interfiktion“, der Möglichkeit, sich als Gast in die Handlung der Romane einzukaufen. Wie kam es zu diesem Einfall?
Roland Zingerle: Das hat biographische Hintergründe: Ich suchte nach einer Möglichkeit, mich selbst in die Lage zu versetzen, von meinen schriftstellerischen Tätigkeiten leben zu können. Zum Einen wollte ich immer schon Schriftsteller werden und zum Anderen hatte ich ausreichend Erfahrung in den Bereichen Werbung und Zeitungswesen, um zu wissen, dass ein PR-Artikel einen ungemeinen Werbewert hat – weil die Menschen einfach gerne Geschichten lesen. Warum also nicht das eine mit dem anderen verknüpfen? Im Film gibt’s das ja schon lange unter dem Namen „product placement“.
Der Grund, warum das bisher kaum gemacht wurde ist auch klar: Die meisten Autoren sind zum großen Teil auch Künstler, weshalb sie sich nicht gerne in die Arbeit reinreden lassen und schon gar nicht von gewinnorientierten Unternehmen. Mir war das aber egal, weil ich den Standpunkt vertrat: wes´ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’.

Zauberspiegel: Sie sehen sich nicht als Künstler?
Roland Zingerle: Nicht im engeren Sinn. In Bezug auf die Kneipen-Krimis habe ich von Anfang an immer darauf bestanden, ein „Schundheft“-Autor zu sein, was meinen Verleger übrigens gar nicht glücklich gemacht hat.

Eine kleine BiergeschichteHintergrundinformationen zu den Romangastauftritten:
Zauberspiegel: Wie wurde das „Mitmischen“ von Akteuren aus der realen Welt in den erdachten Kneipenkrimi-Geschichten konkret umgesetzt?
Roland Zingerle: Wann immer ein Heft erschien, standen die grundlegenden Inhalte des jeweils nächsten Heftes bereits fest. Dementsprechend suchten der Verlag und ich nach möglichen Inserenten, die thematisch zum Handlungsentwurf passten. Soll heißen: Deren Rollen waren bereits im Exposé festgesetzt.
Bekam ich Sponsoren, wandelte ich die jeweilige Handlungssequenz entsprechend der Besonderheiten des Kunden ab, bekam ich keine Sponsoren, besetzte eine fiktive Figur die Stelle.

Zauberspiegel: Hauptinserenten in jedem der 18 Romane waren Brauereien („Schleppe“, danach Puntigamer). Ihre bei ebendiesen Firmen angestellten Protagonisten genehmigen sich pro Heft werbewirksam gleich mehrere Glas Bier – können Sie kurz die Vorgeschichte zu Ihrer „Verwicklung“ in diese Materie schildern?
Roland Zingerle: Ich bin leidenschaftlicher Biertrinker und habe meine Germanistik-Diplomarbeit zum Thema „Der Student und das Bier“ geschrieben. Dazu kam mein im Eigenverlag veröffentlichtes Buch „Eine kleine Biergeschichte“, das ist die allgemein lesbare Fassung meiner wissenschaftlichen Arbeit. Um 9 Euro zuzüglich Versandkosten kann das Sachbuch bei mir bestellt werden.
Es folgten die Klagenfurter Kneipen-Krimis und die Detektivbüro Kalt-Kurzgeschichte: „Das 400-Jahre-Steinbier“. Sie sehen: Das Thema Bier zieht sich auf die eine oder andere Weise quer durch mein ganzes literarisches Schaffen.

Foto eines weiblichen Fans der Serie (mit weiteren Gästen bei einer Lesung Zingerles im Hintergrund):Zauberspiegel: Als Nebensponsoren kauften sich Einzelpersonen als „Abbildungen ihrer selbst“ in die Kneipenkrimi-Erzählungen ein. Wie haben Sie das im Einzelnen inhaltlich und schreibtechnisch aufgezogen?
Roland Zingerle: Bei den Privatkunden war weitaus mehr Flexibilität gefragt: Die baute ich meist erst ziemlich spät in die Geschichten ein, wobei sie Rollen bekamen, die nicht unmittelbar handlungsrelevant waren, was die Einarbeitung erleichterte. Wenn in einem Heft mehr Interfiktionskunden waren, als der Handlung gut getan hätten, habe ich sie gesammelt in ein eigenes Kapitel gepackt.

Zauberspiegel: Stieß Ihr Vorhaben, Romangäste zu gewinnen bei den potentiellen Mitwirkenden eher auf Neugierde, auf Zustimmung, auf Ablehnung oder mangels Gängigkeit auf Unverständnis?
Roland Zingerle: Bei den Privatkunden durchwegs auf Begeisterung, bis auf einen geringen Prozentsatz, der das als kindisch empfand. Die Geschäftskunden begriffen zu Beginn in der Regel nicht, was ich ihnen da anbot. Das lag vor allem daran, dass sie sich nicht die Zeit nehmen wollten, sich etwas erklären zu lassen, für das sie auch noch bezahlen sollten. Bis ich ihnen jedoch dargelegt hatte, was mir vorschwebte, waren sie im Kopf schon beim nächsten Tagesordnungspunkt.
Die meisten der beteiligten Firmengäste haben sich aber gefreut, bei etwas Schrägem und Innovativem mitwirken zu können.

Zauberspiegel: Welche „Art“, welcher „Typus“ Mensch hat die Möglichkeiten zum interfiktiven Mitagieren in den Klagenfurter Kneipen-Krimis ergriffen? Junge Leser? SelbstdarstellerInnen? Geschäftskunden, die vorher schon ausgefallene PR-Methoden genutzt haben?
Roland Zingerle: Da kann ich kein Schema erkennen. Zum Einen waren es Urlauber, die sich einen Spaß daraus machten, in ihrer eigenen Urlaubslektüre mitzuspielen, zum Zweiten Verwandte oder Freunde von Kneipen-Krimi-Fans, die ihre Lieben überraschen wollten und zum Dritten Personen, die mit dem Kneipen-Krimi überhaupt nichts am Hut hatten, aber nach einem ausgefallenen Geburtstagsgeschenk suchten. Die Bandbreite ging dabei vom Lehrer bis zum Unternehmer, vom Rentner bis zum Akademiker. Wenn ich eine Gemeinsamkeit isolieren kann, dann die, dass sie allesamt humorvolle Menschen waren.


Der 'Ermittler-Gutschein'Die rechtlichen, wirtschaftlichen und verlagstechnischen Hintergründe:
Zauberspiegel: Mussten die Passagen mit den interfiktiven Romanakteuren ebendiesen vor Drucklegung zur Autorisierung vorgelegt werden?
Roland Zingerle: Grundsätzlich nicht, aber ich habe es jedes Mal getan, um mich und den Verlag abzusichern. Einerseits hatte ich ja nichts zu verlieren – ich wollte meine Kunden schließlich nicht in die Pfanne hauen – andererseits konnte ich damit alle Missverständnisse und somit Streitfälle vorneweg ausräumen. Wenn in 5.000 öffentlich kaufbaren Druckwerken ein unerwünschtes Bild von einem Menschen gezeichnet wird, ist das ein echtes Problem. Die Auftraggeber selbst waren diesbezüglich allerdings erstaunlich locker.

Zauberspiegel: Statisten hatten anfangs 100 Euro für einen Auftritt im Heft zu bezahlen. Später wurden Gutscheine um 45 Euro für Privatpersonen angeboten. Sind zu Beginn zu viele potentielle Interessenten durch den hohen „Mitmisch“-Preis abgeschreckt worden?
Roland Zingerle: Ich halte 100 Euro bis heute für keinen übertriebenen Tarif. Immerhin ist die Gegenleistung einzigartig: Eine Verewigung in einem höchstselbst mitgestalteten Roman.
Der Verlag glaubte nichtsdestoweniger an die Abschreckwirkung, doch soweit ich weiß hatte die anschließende Preissenkung kaum Auswirkungen auf das Kundenvolumen.

Zauberspiegel: Haben Sie „Evaluierungen“ durchgeführt, ob die Werbung per Interfiktion positive Effekte auf die in den Geschichten porträtierten Betriebe hatte?
Roland Zingerle: Ich habe Geschäftsleute, die ich nach deren Hefteinbau wieder getroffen habe, in der Tat über die Reaktionen befragt. Daher weiß ich, dass die Mitwirkenden immer wieder auf ihre Präsenz im Kneipen-Krimi angesprochen wurden. Inwieweit das den Umsatz gesteigert hat, konnte freilich niemand genau angeben. Gefühlsmäßig würde ich behaupten, dass die Auftretenden allein das um sie entstandene Gerede als Erfolg ansahen und obendrein z. T. selbst Werbung mit „ihrem“ Kneipen-Krimi machten.

Zauberspiegel: Was waren die wichtigsten Änderungen für Sie nach der Übernahme der anfangs im Eigenverlag herausgegebenen Klagenfurter Kneipen-Krimis durch den Verlag Johannes Heyn?
Roland Zingerle: Zum Einen war ich die für einen Selbstverleger beträchtliche finanzielle Belastung los. Ich hätte unmöglich ein drittes Heft tragen können, denn meine Privatmittel waren nach dem „Lindwurmtöter“ und dem Werbefilm erschöpft. Zwar kam auch in der Anfangsphase schon ordentlich Werbegeld herein, aber noch zu wenig, um die Herstellungskosten aufzuwiegen. Und die Verkaufserlöse fielen aufgrund des geringen Stückpreises von anfangs € 1,90 unter „ferner liefen“.
Zum Anderen war ich auch die Verlagsarbeit – Lektorat, Herstellung, Vertrieb etc. – los und konnte mich auf das konzentrieren, weswegen ich das Ganze gestartet hatte: Das kreative Schreiben.

Foto von den Dreharbeiten zum „Lindwurmtöter“-Kurzfilm – der Fall beruht auf einer wahren Begebenheit. Details zu den Romanen:
Zauberspiegel: Mir ist aufgefallen, dass die Titel der Kneipen-Krimis beinahe alle sehr „unreißerisch“ ausgewählt wurden. Wären billiger wirkende Storytitel nicht heftroman-authentischer gewesen, z. B. „Das Blutrad der Dämonen“ statt „Dämonen“ oder wollten Sie genau solche Tonlagen vermeiden?
Roland Zingerle: Ich persönlich stehe auf kurze, knackige Titel, die nach Möglichkeit nur aus einem Wort oder einer originellen Wortkombination bestehen. Daraus ergab sich ein relativ großer Schriftgrad – was ja auch für das Verkaufsregal von Vorteil ist.
Dies wiederum führte dazu, dass längere Titel gar nicht mehr gingen, immerhin hätten diese das durchgängige Design der Kneipen-Krimis aufgebrochen. „Stumme Zeugen“ etwa hätte ich ursprünglich gerne mit „Der Meister des Schmerzes und das Geschäft mit dem Tod“ benannt – meine Lektorin nahm keine Sekunde an, dass ich das ernst meinen könnte.

Zauberspiegel: Beruhen einige der von Ihnen dargestellten Klagenfurter Kriminalfälle auf realen Begebenheiten?
Roland Zingerle: Ja, vor allem der Lindwurmtöter. Einen solch grausigen Todesfall hat es damals tatsächlich gegeben.

Zauberspiegel: Sind die Charaktere der beiden Hobbydetektive, Schlaumeier Pogatschnig und Simpel Melischnig lebenden Personen nachempfunden?
Roland Zingerle: Nein; aber von zwei Klagenfurter Polizisten, denen ich je einen Kneipen-Krimi geschenkt habe, erntete ich nach dem Reinblättern großes Gelächter: Ich glaube, es war der damalige Pressesprecher der Kripo Klagenfurt, der zufällig auch Melischnig heißt.

Zauberspiegel: War Ihr spöttisches „An-den-Pranger-Stellen“ der Kärntner Machthaber parteipolitisch motiviert oder sehen Sie sich als Bürger, der mahnt oder steckte eine gewisse Provokationslust dahinter?
Roland Zingerle: Provokation war noch nie eine Triebfeder meines Tuns und erst recht bin ich niemand, der den mahnenden Zeigefinger erhebt. Auch von der Parteipolitik wollte ich die Finger lassen, selbst wenn sie immer wieder ein wenig zwischen den Zeilen durchscheint. Aber ich hätte das Thema nicht anders behandelt, wenn die hierzulande regierende Partei eine andere Farbe gehabt hätte.

Die von Zingerle selbst produzierten Werbeaufsteller für die Buchhandlungen präsentieren: Alle Morde KlagenfurtsBackgroundinformationen zum Verkauf der Heftromane:
Zauberspiegel: Konnten Sie erkennen, welche Bevölkerungsgruppen hauptsächlich Leser der bisher 18 Kneipen-Krimis waren? (Frauen, Männer, Jüngere, Ältere, Klagenfurter, Auswärtige, Touristen, „typische“ Trivialliteratur-Konsumenten, Buchkäufer?)
Roland Zingerle: Quer Beet. Mir unbekannte Leser, die mir auffielen, weil sie immer wieder nach den Heftpräsentationen zum Signieren kamen, waren überwiegend Frauen unterschiedlichen Alters, aber auch einige eher ältere Männer. Zu meinem einzigen Vortrag in Graz kamen zwei Heftroman-Fans der Generation von Anfang-bis-Mitte zwanzig. Die hatten die Inhalte meiner Geschichten besser im Kopf als ich; es war einfach herrlich! Von der lokalen Abgrenzung her würde ich die Leser natürlich vor allem in Klagenfurt sehen, was kein Wunder ist, da hier auch die Bewerbung am intensivsten war. Erstaunlich viele Leser habe ich in der Bundesrepublik Deutschland; die haben sich in den Kneipen-Krimi als Urlaubslektüre verliebt und ihn deshalb abonniert.

Zauberspiegel: Gab es erwähnenswerte, außergewöhnliche Rückmeldung zu einzelnen Romanen?
Roland Zingerle: Ich habe eigentlich nur sehr wenig Respons bekommen. Das finde ich insofern schade, weil ich die Krimis gerne an die Wünsche des Publikums angeglichen hätte. Die Reaktionen von Lesern, die mir weder bekannt noch mit mir verwandt waren, waren quasi Null. Ich denke, meine Leser wollten einfach nur unterhalten werden – und nicht mehr.

Zauberspiegel: Über welchen Vertriebsweg haben sich die Klagenfurter Kneipen-Krimis am besten absetzen lassen?Die Kneipenkrimis in einem Klagenfurter Buchladen
Roland Zingerle: Über die Klagenfurter Buchhandlungen. Ortsansässige kauften die Hefte vor allem jeweils nach dem Erscheinen in den Buchgeschäften. Das wurde mir auch deshalb bewusst, weil ich immer wieder Mail-Anfragen bekam, wenn sich ein Heft verspätete, oder weil ich Leute kennenlernte, deren Verwandte oder Bekannte glühende Kneipen-Krimi-Fans waren.
Wenn ich selbst einen Buchladen aufsuchte, fragte ich die Händler scheinheilig, wie sich diese Kneipen-Krimi-Heftchen da verkauften, doch meistens wurde ich enttarnt.

Zauberspiegel: Gab es über den Raum Klagenfurt bzw. Kärnten hinausgehende Expansionspläne des Verlags, um den Kneipen-Krimi auch überregional anbieten zu können?
Roland Zingerle: Dazu fehlten die Ressourcen. Der Klagenfurter Kneipen-Krimi ist nicht nur ein Billigstprodukt – wodurch der Gewinn pro verkauftes Stück im Centbereich liegt –, er müsste auch anständig beworben werden, um am Markt durchzudringen, was eine Menge Geld kosten würde. Diese Kombination ist natürlich für jeden Expansionsplan fatal.
Die Romanserie wäre sicherlich ein Erfolg, wenn sie speziell in den österreichischen und süddeutschen Ballungszentren breit beworben würde – doch dazu fehlen einfach die Mittel.

Heftpräsentationen der etwas anderen Art:Zingerle beim gemeinsamen Vortrag mit „Miss Marple“:
Zauberspiegel: Sie haben für PR-Zwecke bei Ihren Lesungen von Helga Happ vom Klagenfurter Reptilienzoo eine Würgeschlange um den Hals gelegt bekommen. Welche Gefühle waren bei diesen Vorträgen im Spiel?
Roland Zingerle: Ich habe kein Problem mit Schlangen, deshalb war das für mich emotional überhaupt kein Thema. Die Schlange – „Miss Marple“ – war immer dieselbe und hat mir jedes Mal die Show gestohlen. Bei der „Woche Kriminacht“ baute sie sich vor meinem Gesicht auf, züngelte mich an; ich hatte den Eindruck, sie wollte mich ganz genau ansehen.
Das war ablenkend, weshalb ich kurz im Lesen innegehalten habe – just in einer Textpassage, die mit den Worten weiterging: „Hubert Pogatschnig fragte sich, wo er soeben den Faden verloren hatte.“ – Als wäre es inszeniert gewesen. Das Publikum honorierte die Einlage mit Gelächter und Szenenapplaus.

Zauberspiegel: Welche Eindrücke konnten Sie während der Kneipenkrimi-Heftvorstellung im aufgelassenen Kellertrakt der Justizanstalt Klagenfurt gewinnen?
Einladung zur Heftpräsentation Roland Zingerle: Die Kerkerstimmung im Einzelzellenbereich war so eng und bedrückend – das hielt keiner meiner Gäste lange aus. Trotz Wasser-und-Brot-Buffet der Bäckerei Wultsch – es gab aber auch Most und Aufstriche – blieb nach der Lesung keiner der Anwesenden länger als 40 Minuten. Die Fenster in den Zellen gingen nach oben in den Gefängnishof und während der Vorträge war plötzlich von draußen anhaltendes Geschrei aus vielen Kehlen zu hören. Es klang wie eine Gefängnisrevolte und die Teilnehmer der Präsentation reagierten eingeschüchtert.

Zauberspiegel: Was genau ist im Hof passiert?
Roland Zingerle: Wie mir der Gefängnisdirektor später erklärte, unterhalten sich die Häftlinge abends, indem sie von einem Fenster zum anderen hinüber rufen. Durch die Enge des Hofes überlagern sich die Stimmen und durch den Hall vergrößert sich der Lärm. Die Situation war also nicht nur harmlos sondern noch dazu gefängnis-alltäglich.
Das Erlebnis ist den Besuchern bis heute in den Knochen sitzen geblieben: Wenn ich welche von damals treffe, erzählen sie mir noch immer von ihren Angstgefühlen im Keller der Strafanstalt.

Zauberspiegel: Ihre Zusammenarbeit mit dem Bäcker Werner Wultsch hatte bereits einige Zeit davor für Aufregung gesorgt. Was waren die Ursachen für den Trubel?
Roland Zingerle: Mein Freund Werner Wultsch begann im Jahr 2006 mit seinem Umstieg vom Bäckermeister zum Kunstmaler; ein Prozess, den er auch mit erschreckender Konsequenz durchgezogen hat. Heute lebt und arbeitet er als freier Maler; seine Bäckerei hat er verpachtet. 2006 habe ich für ihn eine erste Ausstellung organisiert, die er zum Thema „Brotlose Kunst“ abhielt, mit der er auf das Sterben der kleinen und mittelständischen Bäckereibetriebe aufmerksam machen wollte. Zur Bewerbung der Vernissage haben wir einen ausgestopften Bäcker vor seiner Bäckerei an den Galgen gehängt und einen zweiten vor der Ausstellungslokalität.
Das hatte zur Folge, dass viele Klagenfurter dieses Vorgehen für geschmacklos hielten und sich so sehr darüber erregten, dass die lokalen Medien auf diese Thematik aufsprangen. Die dadurch indirekt beworbene Vernissage war mit mehr als 300 Besuchern ein Riesenerfolg.

Das Vergraben der Zeitlkapsel Zur konkreten Abwicklung von Kneipenkrimi-Marketingprojekten:
Zauberspiegel: Wie kann man sich den Ablauf einer typischen Heftpräsentation für den Klagenfurter Kneipen-Krimi vorstellen?
Roland Zingerle: Ich habe meine Lesungen immer so aufgezogen, dass ich Schlüsselstellen aus mehreren Kapiteln vorgetragen habe, so dass die Zuhörer ein Bild des Falles und der ersten Ermittlungen bekommen haben. Die Romanvorstellung endete immer an der spannendsten Stelle – immerhin sollten die Leute das Heft ja kaufen. Schwerpunkt jeder „Darbietung“ war der Humor, den ich entsprechend – teilweise auch mit Körpereinsatz – in Szene gesetzt habe. Den Ludwig Melischnig z. B. sprach ich immer im tiefsten Dialekt.
Nebenbei habe ich darauf geachtet, dass eine bestimmte, mir nahestehende Person bei den Leseabenden dabei war, weil die auch über die kleinsten Witze gelacht und damit das restliche Publikum mitgezogen hat.

Zauberspiegel: Gab es Schwierigkeiten bei der Durchführung Ihres Kneipenkrimi-PR-Vorhabens mit der am umgebauten Klagenfurter Neuen Platz eingegrabenen „Zeitkapsel“? Waren bürokratische Hindernisse der Stadtväter beim Hinterlegen der u.a. mit einem Kneipenkrimi-Manuskript befüllten Metallbox zu überwinden?
Roland Zingerle: Vorweg: Mein Verleger – und das gestand er mir erst hinterher – glaubte nicht, dass ich die Genehmigung zum Hinterlegen der Stahlkassette bekommen würde. Gerade die bekam ich jedoch ohne Probleme, weil ich die Stadtverwaltung mit dem Projekt glatt überrumpeln konnte: Jeder Beamte, mit dem ich über die Zeitkapsel-Bewilligung sprach, war erst einmal verwirrt und verwies mich eine Hierarchieebene höher, bis ich schlussendlich vor dem Präsidialchef selbst stand. Auch dieser war verwirrt, denn so wie seine Untergebenen hatte auch er keine Ahnung, wie er mit diesem Ansinnen umgehen sollte.
Schließlich fragte ich den Präsidialchef, ob irgendetwas dagegen einzuwenden wäre, die Box am Neuen Platz zu vergraben. Er überlegte kurz und musste dann zugeben, dass nichts dagegen sprach, immerhin würde die Kassette nach Beendigung der Arbeiten nicht zu sehen sein, sie widersprach keiner Bau-, Umwelt- oder sonstigen Verordnung. Also gab er mir grünes Licht unter der Bedingung, dass der Bauleiter keine technischen Bedenken hätte. Dieser hatte keine, also konnte die Aktion durchgeführt werden.

Zauberspiegel: Bei der Vorstellung des Kneipen-Krimis Nr. 9 im Reptilienzoo Happ wurden als „Schockeinlage“ Plastikspinnnen vom Plafond auf die Zuhörer fallengelassen: Wie konnte dies praktisch bewerkstelligt werden – und wie reagierte das Publikum?
Roland Zingerle: Die Gummispinnen waren an der Decke mittels Angelschnüren befestigt, welche zum Lesepult geleitet wurden. Bei der entsprechenden Textstelle kappte ich die Schnüre mit einer Schere und die Spinnen kamen herunter – sogar mit einem „Spinnfaden“ hinten dran. Der Trick war natürlich alles andere als unerwartet, weil jeder Besucher schon beim Eintreten sah, was Sache war. Dennoch zeigten vereinzelte Schreie aus dem Auditorium, dass vielen nicht klar gewesen war, was passieren würde.

Zauberspiegel: Durch Ihre vielfältigen Medienauftritte liegt folgende Frage nahe: Werden Sie auf der Straße oder in Klagenfurts Supermärkten als Autor erkannt und angesprochen?
Roland Zingerle: Kaum, aber doch. Was mir immer wieder passiert ist, dass mich Menschen am Namen erkennen, vor allem bei Telefonrecherchen oder im Landesarchiv. Unlängst habe ich mitbekommen, wie ein Pärchen in einer Pizzeria am Nebentisch getuschelt und dabei immer wieder in meine Richtung geblickt hat. Zunächst dachte ich, die machen sich über mich lustig, bis ich draufgekommen bin, dass es bei ihrem Gespräch um Krimis ging.
So etwas kann einem schon den Tag retten – auch wenn ich nicht weiß, warum eigentlich.

Das Buch „Der Zingerle“ von Heinrich Schwazer:Guido Zingerle; das Ende und die geplante Fortführung der Klagenfurter Kneipenkrimis:
Zauberspiegel: Bei meinen Online-Recherchen zu den Kneipenkrimis bin ich auf die Sachbücher „Der Zingerle“ von Heinrich Schwazer (Verlag Edition Raetia) und „Der Frauenmörder Zingerle“ von Artur Oberhofer (Verlag edition AROB) gestoßen. Sind Ihnen diese Kriminalstudien bekannt?
Roland Zingerle: In den 1940er Jahren gab es in Südtirol einen berüchtigten Frauenmörder namens Guido Zingerle. Mein Vater hat bei gesellschaftlichen Ereignissen immer Schauergeschichten vom „Onkel Guido“ erzählt; ob er tatsächlich mit mir verwandt ist, weiß ich nicht.
Allerdings war ich neugierig, als das Buch „Der Zingerle“ herausgebracht wurde, in dem der gesamte Kriminalfall von damals aufgearbeitet wurde. Ich ging also in die nächste Buchhandlung und sagte zur Verkäuferin – sinngemäß: „Ich möchte gerne das Buch ‚Der Zingerle’ bestellen.“ Sie: „Ach, Sie meinen den Kneipen-Krimi von Roland Zingerle?“ Ich: „Nein, das Buch heißt ‚Der Zingerle’.“ Ich erläuterte ihr die Hintergründe, ohne meine Identität preiszugeben und als sie das Buch schließlich im Bestellsystem gefunden hatte, meinte sie: „Für wen darf ich es reservieren?“ – „Für Zingerle!“ Ihr Gesicht daraufhin war eines der längsten, das ich jemals gesehen habe.

Zauberspiegel: Warum genau wurden die doch über Klagenfurt hinaus auch im weiteren Kärnten durchaus beliebten Kneipen-Krimis mit Band 18 eingestellt?
Roland Zingerle: Der Grund für das Ende der Serie war, dass der finanzielle Erfolg letztlich zu gering ausfiel, um den doch recht großen Zeitaufwand für die Vorproduktion zu rechtfertigen. Der Klagenfurter Kneipen-Krimi ist ein Massenartikel und der Anteil an der Kärntner Gesamtbevölkerung, der Groschenhefte liest, ist zu gering, um auf einen nennenswerten Absatzerlös zu kommen.

Zauberspiegel: Ist eine Fortführung der Romanserie – in welcher Form auch immer – für die nähere Zukunft anvisiert?
Roland Zingerle: Ich könnte die Erzählungen noch bis zu meinem Tod in hundert Jahren weiterschreiben; Ideen hätte ich genug. Im Sommersemester 2011 habe ich an der Universität Klagenfurt eine Lehrveranstaltung zum Thema „Der Groschenroman – ein Kulturphänomen am Beispiel des Klagenfurter Kneipen-Krimis“ abgehalten, in dessen Zuge ich mit vierzehn Studentinnen und Studenten den allerletzten Kneipen-Krimi verfasst habe, welcher mit Ende Juni 2011 erhältlich ist.
Dabei habe ich auf eine gegenwärtige Mode zurückgegriffen und „die Geschichte vor der Geschichte“ erzählt. Titel: „Ausgekegelt!“ Bei diesem Kriminalfall lernen Pogatschnig, Melischnig und Gruppeninspektor Ogris einander kennen.

Zauberspiegel: Gibt es noch weitere Informationen, die Sie zu Ihrem neuen 19. Kneipen-Krimi mitteilen könnten?
Roland Zingerle: Die Geschichte wurde in mehreren Arbeitsschritten von allen Studentinnen und Studenten dieser Lehrveranstaltung gemeinsam entwickelt, in der Endphase schrieb jede und jeder von ihnen je ein Kapitel. Bei dem Fall geht es um einen Serienmörder, der unter Ludwig Melischnigs Bierführer-Kollegen wütet. Auch das Mitwirken von Romangästen war wieder möglich; eine meiner Studentinnen hat diese Gelegenheit genützt und ihre zwei Großmütter literarisch verewigt.

Zauberspiegel: Ist zu befürchten, dass nach dem Prequel endgültig Schluss sein wird oder planen Sie bei Gelegenheit noch weitere Kneipenkrimi-Stories ein?
Roland Zingerle: Eine Fortsetzung der Serie über Band 19 hinaus ist nicht vorgesehen, aber die Erfahrung zeigt, dass sich die Dinge oft anders entwickeln, als man denkt. Ich halte mir alle Möglichkeiten offen. Ein anderes vielversprechendes literarisches Projekt befindet sich noch in der Konzeptionsphase; neue Groschenheftreihen starte ich allerdings wohl keine mehr.

Zauberspiegel: Danke für das Gespräch und alles Gute für Ihre weiteren Vorhaben!
Roland Zingerle: Herzlichen Dank für Ihr Interesse!


Bildquellen:
  • Alle Abbildungen © MMag. Roland Zingerle, außer:
  • Das Foto mit dem am (Gefängnis-)Bett Sitzenden = Copyright Wolfgang Wagner
  • Die Kneipenkrimi-Heftcover ab der Nummer 3 © Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt
  • Zingerle, die Metallbox in den Beton des Neuen Platzes versenkend © Christian Lehner, Woche
  • „Der Zingerle“ (Titelbild) = Copyright Verlag Edition Raetia, Bozen

 

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