Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Blackbeard – Der wahre Fluch der Karibik

BlackbeardBlackbeard –
Der wahre Fluch der Karibik

Die Geschichte vom Aufstieg und Ende Blackbeards, eines der berühmtesten Piratenkapitäne der Karibik, wird in dieser Koproduktion mit großer historischer Detailtreue sehenswert inszeniert.

Sein Tod 1718 gilt als einer der Marksteine für das Ende des „goldenen Zeitalters“ der karibischen Piraterie und deren bald folgendes Ende.

Edward Teach aus Bristol ging mit seinem langen schwarzen Bart als eine der schillernsten Figuren in die Geschichte der Piraterie ein, da er die Gewohnheit hatte, beim Aufbringen eines Beuteschiffes zwecks Einschüchterung der Gegner brennende Lunten unter seinen Hut zu stecken. Zudem starb er auf eine Weise im Gefecht – mit zahlreichen Stichen und Schüssen im Körper –, die zur Legendenbildung geradezu einlädt.

Der Film setzt damit ein, dass der Steuermann Isreal Hands (sic), der als Erzähler fungiert, Blackbeard, der wie er selbst bereits Pirat ist, kennen lernt und vom ihm angeheuert wird. Israel Hands (ja, dessen Name hat sich R. L. Stevenson für seine „Schatzinsel“ geliehen) war der einzige Mann aus Blackbeards Gefolgschaft, der begnadigt wurde und folglich der einzige überlebende Mannschaftsangehörige war. Seine Stimme rafft und reflektiert aus dem Off das Geschehen für die Zuschauer/innen.

Der Film bietet über die Gründe für die allgemeine Ausbreitung der Piraterie hinaus keine Erklärung, weshalb Blackbeard zum Piraten geworden ist. Seine „Jugendjahre“ bleiben ausgeblendet, da man über diese auch nicht viel weiss. Der Rest seines Lebens gibt denn auch noch genug zu erzählen, und der Film tut dies auf spannende Weise, selbst wenn der Ausgang der Geschichte von vornherein bekannt ist. Implizit schwingt immer mit, dass Blackbeards Piratenkarriere nur in einem dramatischen Ende münden kann.

Blackbeard an Bord Der Film zeigt Blackbeard als zielstrebigen Menschen, der sich der Wirkung seiner Person bzw. seiner Attribute bewusst ist und diese gewinnbringend einsetzt – als Selbstdarsteller, der sich selbst mit seinem sensationsheischenden Aufzug als „Marke des Schreckens“ inszeniert. (Demgegenüber steht die Tatsache, dass es seinen Kaperungen die Opfer oft vergleichsweise glimpflich davonkamen.)

Blackbeard ist ein zynischer Abenteurer, der sich von Anfang an bewusst ist, dass das Phänomen der weltumspannenden karibischen Piraterie vor seinem unvermeidlichen Ende steht und der daher lieber mit einem letzten Aufbäumen von der Bühne abtreten will. Wie er Hands in der 7. Filmminute programmatisch sagt, ist sein Ziel weder Geld noch Macht, sondern Unsterblichkeit.

Obwohl Blackbeard als Pirat seine Geschäfte mit roher Gewalt macht, hat die Figur einige Züge, die ihn faszinierend sein lassen. Er will sein eigener Herr sein und sich von keinem herumdigieren lassen, auch nicht von seiner adligen Gattin, die er in einem Zwischenspiel an Land ehelicht, bevor er sich wieder auf sein altes Handwerk einlässt. Die Piraterie aufzugeben, ist für ihn keine dauerhafte Option. Letztlich verkauft so auch der Film die mit den Piraten und dem Meer stets verbundene Idee von Freiheit. Diese Mannschaft ist aber dennoch im Grunde nicht viel mehr als ein Zweckbündnis von Männern, die nicht wissen, wohin sie sonst sollen.

Obwohl sich der Film für eine Spielfilm-Biographie wirklich erstaunlich getreu an die Überlieferungen von Blackbeards Leben hält, hat man sich dennoch die eine oder andere Freiheit genommen bzw. nehmen müssen, wie sich Mannschaftsreibereien nun genau abgespielt haben, ist ohne Zeitmaschine nicht herauszufinden. Einige Dinge – wie die Bekanntschaft mit Stede Bonnet, einem anderen bekannten Piraten – fehlen vermutlich zugunsten des Spannungsbogens.

Der Versuchung, diesen Blackbeard etwas zu heroisieren, haben die Macher schließlich doch nicht ganz widerstehen können. Am deutlichsten wird dies in der Szene, als Blackbeard Hands ins Bein schießt, wie überhaupt seine Machtdemonstrationen gegenüber der Mannschaft im Vergleich zur Beschreibung in der „General History of the Pyrates,“ dem Piratenkompendium von 1724/28, etwas zurückgenommen scheint. Der Schuss ins Knie illustriert dort seine tyrannenhafte Willkür, im Film wird dies ins Gegenteil verkehrt, zu einer Art Belohnung für einen Getreuen, der so das bevorstehenden Schicksal des Kapitäns und seiner Mannschaft nicht teilen kann. Wohl ein Zugeständnis an den heutigen Zeitgeist ist das Geheimnis des Schiffsjungen Frenchie, dessen Figur frei erfunden ist.

Hinter dem üppigen schwarzen Bart verbirgt sich übrigens das Gesicht von James Purefoy („A Knight’s Tale“, „Vanity Fair“). Sein Blackbeard muss den Vergleich mit seinen Vorgängern in keiner Weise scheuen – nach dem augenrollenden Robert Newton in „Blackbeard the Pirate“ (1950) und dem zwischen Väterlichkeit, Lächerlichkeit und Grausamkeit schwankenden Thomas Gomez in „Anne of the Indies“ (1950) – von der Hallmark-Produktion von 2006 gar nicht zu reden – ist dieser Blackbeard die erste mir bekannte ernsthafte (bzw. ernst zu nehmende) Auseinandersetzung mit dem Charakter.

Lobenswert ist, dass der Film recht eingehend die Verstrickungen der Kolonialmachthaber in die Piraterie und deren wirtschaftliches Wetteifern zeigt und damit die Rolle der Piraterie als Wirtschaftsfaktor unterstreicht, obwohl die Geschichtsschreibung bei Piraten immer versucht ist, diese vor allem anhand von Einzelschicksalen zu erzählen (was freilich auch dieser Film tut).

Der Film bemüht sich sehr um die historische Akkuratheit der Ausstattung, die wirklich bemerkenswert ist. Auch glänzt der Film mit schönen Aufnahmen von Schiff-und-See-Stimmungen in HD-Qualität, die (fast) nie ins Kitschige abrutschen. Die Schiffe sind akribisch nachgebaut, und der Film ist – trotz der (wohl unvermeidlich) roten Jacke Blackbeards – nicht ganz so farbenfreudig wie die klassischen Piratenfilme, doch würde ein zu intensiver Farbenglanz die Glaubwürdigkeit als „Doku-Drama“ auch eher stören.

Die klassische Fernrohrsicht Interessanterweise bietet der Film gleichwohl alle typischen Schauplätze eines Hollywood-Piratenfilms, neben Strand, Piratenschiff, Meer, Flagge auch „höfische“ sowie Spelunkenszenen.

Beim Anspruch auf Geschichtstreue befremdet es kleine Besserwisser etwas, dass einige Ausstaffierungen sich doch deutlich an Gemälden des 19. Jahrhunderts, namentlich von J. L. G. Ferris und H. Pyle, orientieren bzw. diese direkt filmisch umsetzen (was in der Dokumentation auch – wie üblich ohne Jahreszahlen – gezeigt wird). Zugegeben, die Blackbeards der Stiche aus dem 18. Jahrhundert machen wirklich nur halb so viel her …

Die 50-minütige Dokumentation ist ebenfalls sehenswert, selbst wenn man die Einspielungen aus dem Film schon kennt. Sie vermittelt in kurzer Zeit ein fundiertes Bild über die Piraterie und ihre Verästelungen. Mit der Konzentration auf Blackbeard ergibt sich, dass das Schwergewicht auf den Jahren vor 1720 liegt, dem letzten Höhepunkt vor dem schnellen Ende der Piratenzeit. Der Film räumt mit einigen Mythen auf (dem historisch interessierten Piratenfan dürfte das meiste davon bereits bekannt sein). Als Experte ist unter anderem David Cordingly mit von der Partie, der wohl die meisten Bücher über Piraterie (mit-)publiziert hat.
„Alles über die echten Räuber der Meere“ wird auf der DVD-Hülle doch etwas grossspurig verkündet. Die Piraterie des 17. Jahrhunderts (Stichwort Capt. Avery) und der Unterschied von Pirat und Kaperfahrer oder Korsar etwa werden nur beiläufig erwähnt.

Etwas schade ist ferner, dass in einem Film, der Blackbeards Leben als roten Faden gewählt hat und auch deutlich sagt, dass dieser der in Literatur und Film am häufigsten dargestellte Pirat ist, nur Szenen aus dem schwarz-weissen „Captain Kidd“ von 1945 mit Charles Laughton zu sehen sind und nicht von früheren Blackbeard-Interpretationen (was möglicherweise mit den Rechten zusammenhängt).

Die Dokumentation verknüpft auf interessante, anschauliche Weise Expertenaussagen und historische Dokumente mit Filmausschnitten von Blackbeard, die durch Szenen aus dem Film „Captain Kidd“, der zur Illustration der falschen Mythen dient, kontrastiert wird.

In der Ausstattung der DVD vermisst man die Möglichkeit englischer oder deutscher Untertitel, dafür ist die Hülle visuell schön gemacht und bietet die eine oder andere zusätzliche Kurzinformation. (Bei der angestrebten Geschichtstreue der Produktion wäre zudem eine kleine separate Dokumentation über die Arbeit der Ausstatter von den Recherchen bis zur Produktion wünschenswert gewesen).

Alles in allem ist „Blackbeard – Der wahre Fluch der Karibik“ trotz dem einen oder anderen nicht erfüllten Wunsch für jede Piratenfilmsammlung ein Gewinn.


Blackbeard - Der wahre Fluch der Karibik Die Daten zur DVD
Dangerous Films, 2006 (Koproduktion: ProSieben, National Geographic Channel, France 2, Telefrance)  
Die DVD beinhaltet einen Spielfilm und eine Dokumentation.

Film:

Regie: Tilman Remme, Richard Dale
Drehbuch: Andrew Bampfield
Musik: Ty Unwin
Darsteller: James Purefoy, Mark Noble, Jack Galloway


DVD, Technisches:
Sprachen: D, E
Untertitel: keine
Laufzeit Film: 98 Min.
Laufzeit Dokumentation: 50 Min.
Ton: Dolby Digital 5.1


Bilder:

DVD-Cover: www.polyband.de
Schiff, Blackbeard: Screenshots DVD

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.