Und dann kam Albert - Eine englisch-deutsche (Liebes-)Geschichte
Und dann kam Albert
Eine englisch-deutsche (Liebes-)Geschichte
Conroy wurde von Victoria zusätzlich gedemütigt, indem er bewusst nicht zur Krönung von Victoria eingeladen worden war.
Lord Melbourne während der Krönungszeremonie, trägt das Zeremonieschwert. Die Aquarellzeichnung wurde von Victoria selbst angefertigt.
Victoria zeichnete sich durch eine seltsame Mischung aus Kalkül, zumeist aber sehr impulsives, undiplomatisches bis hin zu brüskem Verhalten gegenüber anderen aus. Allenfalls ihre engsten Vertrauten Louise Lehzen, früher Gouvernante und später Leiter des Haushalts und „Lady Attendant“ der jungen Königin, und Lord M. waren dazu in der Lage sie zu steuern.
Nicht nur in dieser Hinsicht erfüllte die letzte britische Königin des Hauses Hannover nicht die Erwartungen, die an sie gestellt wurden. Man war nicht nur skeptisch ob der Tatsache, dass eine Frau den Thron bestieg, sie war auch noch so jung und bekanntermaßen konnte man sie nicht einschätzen.
Erwartet wurde von ihr eine Erneuerung des Königshauses. Ihr Großvater, ein sehr beliebter König, moralisch fleckenlos und mit dem Ruf, seiner Frau und seinen Kindern immer treu und verbunden gewesen zu sein, hatte irgendwann seinen Verstand verloren, die Könige seitdem, Söhne von George III. und Victorias Onkel, zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie illegitime Kinder zeugten, offen ihre Ehefrauen betrogen, Geldverschwender waren und dem Ansehen des Hofes schadeten. Victoria konnte nicht mit der Machtfülle trumpfen/regieren, nachdem die Monarchie begonnen hatte sich zu verändern. Also musste sie die Monarchie neu definieren. Dies sollte in den Augen des Hofes und der Öffentlichkeit durch tadelloses Benehmen, baldige Ehe mit Treue und vielen Kindern geschehen. Das hatte Victoria aber offensichtlich nicht vor. Sie wollte nicht der einen Knechtschaft (Kensington System) entkommen, um sich der einer Ehe zu unterwerfen. Zu offensichtlich standen ihr der frühe Tod von Princess Charlotte und das verachtende Verhalten der vielen Männer bei Hofe ihren Frauen gegenüber vor Augen.
Das Gemälde - im Besitz des Royal Collection Trust - zeigt die Queen kurz nach ihrer Krönung während eines Ausritts mit ihrem Hofstaat. Man sieht nicht nur ihr Lieblingspferd Comus, sondern auch Dash, der Hund, der auch in der Serie auftaucht, und Viscount Melbourne rechts von ihr.
Es handelt sich übrigens nicht um ein tatsächlich vor Ort entstandenes Gemälde. Es gibt sogar einen Tagebucheintrag der Queen zur Entstehung des Bildes:
‘looking so funny, his white hat on, an umbrella, in lieu of a stick in one hand, & holding the reins, which were fastened to the steps, in the other . . . it is such a happiness for me to have that dear kind friend’s face, which I do like & admire so, so like . . . and Uxbridge, George Byng, & old Quintin ludicrously like.’
Eintrag vom 31. Juli 1839, sie beschreibt, wie Lord Melbourne im Studio des Künsters auf einem Holzpferd sitzt, während er gemalt wird.
Hier begeht die Serie einen - meiner Meinung nach - unnötigen Fehler, mag es sich auch um künstlerische Freiheit handeln, um die Handlung auch vor dem Auftauchen Alfreds für das Herz interessanter zu machen. In der Serie entwickelt die junge Frau tiefere Gefühle für Lord M, eine Entwicklung, die sich bereits mit der ersten Folge andeutet. Bei dem Schauspieler von Lord Melbourne, Rufus Sewell, nicht sehr verwunderlich. Sewell legt den einflussreichen William Lamb, 2. Viscount Melbourne so attraktiv und anziehend an, dass nur zu verständlich ist, warum die Jenna Coleman-Victoria so auf ihn reagiert.
Erneut eine Zeichnung der Queen, dargestellt ist Lord Melbourne
Es gibt unterschiedliche Berichte über das Aussehen und den Charme von Lord Melbourne. Während die einen ihn als durchaus gutaussehend, charmant und attraktiv beschreiben, mokieren sich andere über seine teilweise ausgesprochen unangenehmen Verhaltensweisen, eine zunehmende Arroganz und weniger anziehendes Aussehen.
Auch wenn die Beziehung zwischen der Queen und Melbourne eine sehr persönliche gewesen sein muss, immerhin war er ihr engster Berater und Melbourne, war Melbourne über 40 Jahre älter als die junge Queen, lediglich von niederem Adel und durch den Skandal um seine Frau Lady Caroline Lamb als möglicher Ehemann indiskutabel. Selbst wenn die Queen sich in vielem nicht um die Meinung der Öffentlichkeit und des Hofes scherte, war sie zu wenig an Heirat interessiert und brauchte Melbourne als Vertrauten viel mehr denn als potenziellen Ehemann. Immerhin war er der einzige, der es sich erlauben konnte, gegenüber der Queen mehr oder weniger deutlich Kritik an zutiefst persönlichen Dingen zu üben - zum Beispiel dem Gewicht der Queen.
Königin Victoria, die ihre Thronbesteigung genutzt hat, um sich von dem einengenden Einfluss ihrer Mutter frei zu machen, hatte gegenüber Premierminister Lord Melbourne angedeutet, dass sie für die nächsten Jahre nicht zu heiraten gedenke.
Umso spannender die rasende Entwicklung, die jene Beziehung zwischen der jungen englischen Königin und dem Deutschen aus eher niederem Adel nahm.
Albert von Sachsen-Coburg und Gotha war ein Cousin von Victoria und galt als einer der aussichtsreichen Kandidaten um die Hand der jungen Victoria. Kaum war sie Königin, begann die Frage, wie sie die Nachfolge im Land sicherstellen wollte.
Die verschiedenen Parteien hatten alle ihre Favoriten auf die Hand der Königin gewählt, in Stellung gebracht und warteten auf die geeignete Situation, sie der jungen Königin zuzuführen. Natürlich hatte sich herumgesprochen, dass Victorias Onkel Leopold (König von Belgien, Witwer von Princess Charlotte - genau, der Tochter des englischen Prinzregenten - und als Bruder von Marie Louise Victoire, Duchess of Kent, auch Onkel von Victoria - ...
Also von vorne: Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld war der Onkel sowohl von Albert als auch von Victoria. Er hatte während der Zeit des Kensington Systems immer wieder versucht, die Isolierungsversuche Conroys und der Duchess zu unterlaufen, nicht zuletzt indem er in regem Briefkontakt mit der jungen Victoria stand und ihr ständig Bücher zukommen ließ. In ähnlicher Weise hatte sich Leopold des jungen Albert angenommen, nachdem dessen Mutter in Schimpf und Schande vom Hof verbannt worden war, und sein Vater Ernst I. mehr an seinen Mätressen als seinen legitimen Kindern interessiert war. Während er Victoria auf schriftlichem Weg förderte, war er für seinen Neffen sehr direkt und noch wesentlich umfassender tätig. Er sorgte für eine umfassende, klar strukturierte und zielorientierte Ausbildung Alberts, engagierte entsprechende Lehrer, die dem Onkel immer von den Erfolgen des jungen Mannes berichteten, gab Anweisungen über die Ausrichtung und Schwerpunkte. Er sorgte dafür, dass Albert ins Ausland reiste, unter anderem nach Belgien, wo dieser die Gelegenheit hatte, sich mit einer "modernen" Monarchie zu beschäftigen, die - bar ihrer echten alten monarchischen Rechte - die Entwicklung in eine nichtabsolute Monarchie erfolgreich bewältigt hatte.
Victoria war die Tatsache, dass Leopold (ab 1831 König der Belgier) eine Ehe zwischen ihr und Albert im Auge hatte, nicht entgangen - das wäre auch schwerlich möglich gewesen. 1836 hatte man für ein erstes Treffen gesorgt: Während der Feierlichkeiten zu Victorias 17. Geburtstag. Man hatte darauf geachtet, dass alles schicklich und mit den nötigen Begleitpersonen stattfand. Victoria ist natürlich bewusst, dass man sie wie eine preisgekrönte Milchkuh an den Mann bringen will, aber sie selbst ist einer Partnerschaft - anders als ihre berühmte Vorgängerin Elisabeth - grundsätzlich nicht abgeneigt, aber nicht jetzt und gleich. Victoria ist als junge Frau, die noch dazu in Kensington erzogen worden ist, nicht nur unerfahren was geschlechtliche Freuden angeht, sie hat auch am Hof erlebt, wie sich Männer und Frauen abseits der ehelichen Verbindung amüsieren. Sie erlebt die Auswirkungen des Verhaltens ihrer Onkel, die das Geld der Familie mit Schauspielerinnen und Tänzerinnen mit vollen Händen ausgeben, Geschlechtskrankheiten wie Syphislis.
Sie befürchtet gleichzeitig, von dem zukünftigen Gatten unter Umständen unterdrückt zu werden, und wie Princess Charlotte früh an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt zu sterben.
Zudem hatte sie nicht unerhebliche Fehler begangen, die ihr Ansehen in der Öffentlichkeit erheblich beschädigt hatten. Dessen war sich die junge Königin gewahr, mehr oder weniger betroffen/interessiert. Es ist interessant zu verfolgen, wie sie teilweise voll Mitgefühl an Themen Anteil nimmt, wie sie andererseits mit einer regelrecht übertriebenen Verbissenheit die scheinbare Schwangerschaft einer Hofdame verfolgt. Sie ist sprunghaft, stellenweise launisch, unberechenbar. Ihr geliebter Dash wird bei Empfängen neben ihr sitzend mit einem Teller eigens von ihr geschnitten gefüttert, gleichzeitig wird für die anwesenden Gäste jeder Gang in dem Moment beendet, wenn die Queen ihr Besteck beiseite legt - da die junge Frau angeblich über schlechte Tischmanieren verfügt, sie das Essen mit hoher Geschwindigkeit reinstopft und kaum kaut, bevor sie schluckt.
Diese Tatsachen werden in der Serie an verschiedenen Stellen gestreift, und man bemüht sich auch darum, die Queen in keinem zu rosigen Licht zu zeigen. Ihre teilweise schwer verständlichen Temperamentausbrüche, die offensichtlichen Fehler, das fehlende Interesse an vielen Bereichen der englischen Politik, der sozialen Fragen und einer stellenweise vorhandenen Ignoranz über die Aufgabe einer Königin in einer sich wandelnden Monarchie werden immer wieder eingestreut. Sie tauchen - zeitlich teilweise verschoben - in der Beziehung mit Albert auf, der so ganz anders interessiert und vorgebildet ist, teilweise in einzelnen kurzen Sequenzen, die mir viel zu kurz kommen. Die Serie steuert doch sehr auf den "Höhepunkt" der Staffel hin, die einzigartige Liebesgeschichte ... die in meinen Augen, je mehr ich mich damit beschäftige, immer weniger ideal ist.
Bei allen Kämpfen mit Conroy, dem Hof, ihrer Rolle und ihren Aufgaben als Königin teilt sie Anfang 1839 zunächst ihrem Onkel Leopold mit, dass sie keineswegs vorhat, Prinz Albert zu heiraten, geschweige denn sich als mit ihm verlobt betrachtet.
Though all the reports of Albert are most favourable, and though I have little doubt I shall like him, still one can never answer beforehand for feelings, and I may not have the feeling for him which is requisite to ensure happiness. I may like him as a friend, and as a cousin and as a brother, but no more.
Aus dem Tagebuch vom 15. Juli, gegenüber Onkel Leopold
Es gab nicht nur Alfred, die "auf der Matte standen", um den höchsten Preis zu erwerben. Sie war die mächtigste Frau der Welt, und es war nur natürlich davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Macht auf den Ehemann übergehen würde - nicht zuletzt wenn die Gute schwanger oder später Mutter war.
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Aber allein die Vorstellung, Victorias Schwärmerei für den Großfürsten Alexander Nikolaevich, den Erbe der Russischen Zarenkrone ... wie hätte das nur enden sollen?!? Sollte Alexander Nikolaevich auf den Thron verzichten? Oder Victoria - Gott bewahre - auf ihre Krone? Eine sinnlose Gefühlsduselei. So weinte sich die junge Queen zwar im Arm von ihrer Vertrauten Baroness Lehzen die Augen aus, aber es war ganz klar, dass dies niemals zu einer Ehe führen konnte. Victoria ließ ihn ziehen, und wenige Monate später verlobte sich der Gute mit Prinzessin Maria von Darmstadt.
Baron Stockmar, ein enger Vertrauter von Albert und Leopold, Lehrer und Staatsmann, hatte erneut die Aufgabe übernommen, sich als Eheanbahner zu betätigen. Er sorgte für eine Einladung der beiden Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha. Und am 10. Oktober 1839 trafen die beiden am britischen Königshof ein.
Und so wenig emotional das erste Treffen der beiden als Jugendliche verlaufen war, so aufgeladen war dieses.
Die Königin schreibt in ihrem Tagebuch:
At ½ p.7 I went to the top of the staircase and received my dear 2 cousins Ernest and Albert – whom I found grown and changed, and embellished. It was with some emotion that I beheld Albert.
Das Tempo, mit dem sich die Romanze entwickelte, nimmt die Serie gut auf. In der Tat war nach fünf Tagen "alles klar". Am 14. Oktober fand zwischen ihr und Lord Melbourne ein Gespräch über einen möglichen Termin für die Heirat statt, einen Tag später machte Victoria einen Heiratsantrag. Richtig ... sie ging den ersten Schritt, nicht er. Das musste sie, denn als Königin war es ihm aufgrund seines unterlegenen Rangs nicht erlaubt, sie um ihre Hand zu bitten.
Fortsetzung folgt
Victoria – Staffel 1