Russen im Weltall - Teil 2 von 2: Salyut 7
Russen im Weltall
Teil 2 von 2: Salyut 7
Heute dürfen sie das zeigen was ihnen damals verboten war.
Alles stand immer im Schatten des Juri Gagarin, der 1959 als erster Mensch mit seiner Raumkapsel in den Weltraum startete. Auch danach gab es bedeutende Ereignisse in der russischen Raumfahrt, doch heute erinnert sich kaum noch jemand daran. Zwei Filme aus dem letzten Jahr versuchten sich, mit filmischen Mitteln diese Glanzlichter in die Moderne zu transportieren. Dabei lief bei den Missionen nicht immer alles so glatt wie es gewünscht war. Heute dürfen sie das zeigen was ihnen damals verboten war.
Als eines der herausragenden Ereignisse in der Geschichte der Raumfahrt allgemein gilt heute die Rettung der kollabierten Raumstation SALYUT 7. Technische Probleme und menschliches Versagen in der Erdstation führten zur völligen Abschaltung der Elektronik und zur Isolation der Station. Sie kam ins trudeln und drohte unkontrolliert auf die Erde zu fallen. Zwei Kosmonauten ließen sich überreden zu einer Rettungsmission aufzusteigen.
Der Film SALYUT 7 geht recht freizügig mit seinem Material um. Die Aktion im Jahr 1985 war zwar durchaus dramatisch zu nennen, doch spektakulär genug, um einen handlungskräftigen Film zu drehen, war sie nicht. Also hielt man sich zwar an die wesentlichen Fakten, fabulierte aber darüber hinaus. Ganz Hollywood-like gibt es immer wieder Zwischenfälle und Rückschläge, die Rettung erfolgt in letzter Sekunde. Das muss ja nichts Schlechtes bedeuten, denn wer hat schon so viel Interesse daran, dass er den rein wissenschaftlichen Handlungen zwei Stunden lang folgen möchte. Die Rettungsaktion wurde damals weltweit verfolgt und es gab wenig das geheim geblieben wäre.
Die Kosmonauten damals hießen Vladimir Dschanibekow und Wiktor Sawynch. Der Film reduziert sie auf die Vornamen Fedorow (Wladimir Wdowichenkow) und Alekhin (Pawel Derewjanko). Beide machen sich mit der Mission "Sojus T 13" auf in die Erdumlaufbahn. Das Andocken gestaltet sich als schwierig, denn es muss per Handsteuerung erfolgen, da die Elektronik der Station nicht funktioniert. Beim zweiten Versuch klappt es. Sie finden das Innere völlig vereist vor, denn natürlich ist auch die Heizung ausgefallen. Als das Eis langsam taut stellt es eine Bedrohung dar, denn nachdem die Kosmonauten den Strom wieder notdürftig angestellt haben, könnte es zu einem Kurzschluss kommen. Vorsichtig saugen die Männer das Wasser aus der Luft. Bei einem Außenspaziergang stellen sie fest, dass ein Zylinder stark beschädigt ist, vielleicht durch den Aufschlag eines Minimeteoriten. Jener war für die Kommunikationstechnik zuständig, wodurch "Salyut 7" keine Befehle mehr empfangen kann. Der Zylinder müss entfernt werden, wodurch die Anlage zwar offen liegen würde aber wieder angefunkt werden könnte. Jeder Versuch, den fest verankerten Gegenstand zu beseitigen, scheitert. Zudem verursacht das Wasser eine Katastrophe, ein Kurzschluss löst einen verheerenden Brand aus. "Sojus T 13" wird dadurch aller Funktionen beraubt, sodass eine Rückkehr zur Erde unmöglich erscheint.
Die Station trudelt antriebslos weiter. Der Plan, sie durch einen kontrollierten Absturz im Ozean zu versenken, ist wegen des Feuers sinnlos geworden. Den Männern droht der Tod, denn die Sauerstoffreserven gehen zur Neige. Fedorow und Alekhin entschließen sich zu einem letzten Versuch, den Zylinder mittels Schlagwerkzeugen abzutrennen. Helfen soll ihnen dabei eine Nachtphase, in der die Temperaturen empfindlich sinken und dadurch das Material porös wird. Sie arbeiten ununterbrochen. Als die ersten Sonnenstrahlen auf sie fallen gelingt der entscheidende Schlag. Die Station stabilisiert sich und die Sonnensegel können wieder ausgerichtet werden.
Der Ablauf gibt dramaturgisch natürlich mehr her, zumal dieser durch teilweise spektakuläre Aufnahmen unterstützt wird. Allerdings wurde nicht an der Temposchraube gedreht. Beinahe gemächlich dringen die Protagonisten in das Geheimnis vor, das letztlich nur ein kleiner Gegenstand ist. Menschliche Reaktionen und das Verhalten daraus kommt recht schnell in den Vordergrund. Es treibt sie voran, doch leider führt es auch zu Fehlern.
Es gibt mehrere Momente da man Vergleiche zwischen SALYUT 7 und SPACEWALKER ziehen kann. Hier wie dort geht es um zwei Kosmonauten, die über sich hinaus wachsen müssen um die großen Probleme meistern zu können. In beiden Filmen sind sie auf sich allein gestellt und müssen jenen Weg verlassen, der ihnen laut den Regeln vorgegeben ist. Und auch hier gibt es den Kommandeur der Zentrale, der fest an seine Männer glaubt und sich über die Befehle von oben hinweg setzt. Auch in diesem Film wird jene Person von einem exzellenten Schauspieler verkörpert.
Shudin (Aleksandr Samoylenko) plagen mit der Zeit Gewissensbisse, dass er die Beiden auf jene gefährliche Mission geschickt hat. Die Tatsache, dass die Amerikaner eine "Challenger" ins All schicken wollen, setzt ihn stark unter Druck. In Moskau will man auf jeden Fall verhindern, dass die Technologie der "Salyut 7" dem Konkurrenten in die Hände fällt. Dennoch zieht Shudin in Erwägung, die Amerikaner um Hilfe zu bitten, die seine Leute herausholen könnten. Damit gerät er jedoch in enorme Schwierigkeiten.
Berechnungen ergeben, dass der Sauerstoffvorrat bis zum Absturz der Station reichen würde, wenn einer der Kosmonauten sich opfere. Als Shudin ihnen dieses mitteilt zeigen die Männer Einheit. Entweder es gelingt ihnen das Unmögliche oder sie würden ein Opfer des Pioniergeistes werden. Also erhöhen sie die Anstrengungen.
Und auch genau wie bei SPACEWALKER wurde hier ein exaktes Zeitbild erschaffen, nur eben zwanzig Jahre später. Technisch ist eine Menge mehr möglich. Überhaupt wurde auch bei dieser Produktion auf ein glaubwürdiges Äußeres geachtet. Die CGI-Bilder, auf deren Erzeugung im "Making Of" ausführlich eingegangen wird, sind atemberaubend. Ja, die herum schwebenden Wassertropfen wirken ein bisschen albern, aber so haben wir uns das vorzustellen. Spezielle Berater bezüglich der Darstellung der Schwerelosigkeit hat man selbstverständlich hinzu gezogen. Regisseur Klim Shipenko verlangte von seinen Effektleuten, dass in jeder Szene etwas durch die Gegend schwebt, um dem Zuschauer die Gesetze der Schwerkraft zu nehmen und in den Film eintauchen zu können. Es ist ihm gelungen, auch wenn Manches recht kurios aussieht.
Die immer wieder eingeflochtenen Sequenzen auf der Erde, wo sich die Familien um ihre Ehemänner/Väter sorgen, sind zum Glück nicht überpräsent aber leider dem klassischen Kitsch unterlegen. Man kann es hinnehmen, denn im Wesentlichen spielt sich Alles im Weltraum ab. Das Geschehen dort ist zwar ruhig erzählt, um auch der Visualität Raum zu geben, aber es bleibt konstant spannend. Natürlich weiß man um das positive Ende, aber der Weg dorthin ist ungepflastert, sodass man als Betrachter nicht jede Wendung vorhersehe kann. Dass lediglich das Abschlagen des Zylinders die Rettung herbei führt muss man hinnehmen, auch wenn es einem unlogisch erscheint. Bis dahin gibt sich der Film aber nicht der Lächerlichkeit preis.
Albern ist lediglich der Schluss zu nennen, wenn die "Challenger" unmittelbar an der wieder intakten "Salyut 7" vorbei fliegt und der Pilot den Kosmonauten einen militärischen Gruß aus der Kabine zuschickt. Netter Gedanke, 1985 auch keine Utopie mehr, aber trotzdem schlichter Kitsch. SALYUT 7 ist dennoch ein spannendes Stück Genrekino, das sich trotz Abweichungen vom originalen Geschehen an Wahrheiten hält, diese manchmal überspitzt aber nicht übertreibt.
Salyut 7
Cover und Screenshots der deutschen DVD (Concorde)