Die Golden Girls von Florenz - »Tee mit Mussolini«
Die Golden Girls von Florenz
»Tee mit Mussolini«
Zeffirelli war nämlich ein uneheliches Kind aus einer Liaison eines florentinischen Stoffhändlers und einer Kostümbildnerin, die starb, als der Junge erst sechs Jahre alt war. Da sein Vater anderweitig verheiratet war und Franco offiziell lange Zeit nicht anerkannte, pendelte das Kind zwischen Waisenhaus und der illustren Gesellschaft der „Scorpioni“. So bezeichnete man eine kleine Gruppe englischer Frauen, die sich in Florenz niedergelassen hatte, einer der Hochburgen der italienischen Kunst- und Kulturszene. In den 1930er und 1940er Jahren erlangten die spitzzüngigen alten Damen eine gewisse Popularität, die ihnen in Anlehnung an ihre giftigen Bemerkungen den Spitznamen der Skorpione einbrachte. Für die Verfilmung seiner Jugendjahre konnte Zeffirelli die Crème de la Crème der britischen Bühnenschauspielerinnen gewinnen, u.a. die geadelten Ladies Dame Joan Plowright, Dame Maggie Smith und Dame Judi Dench. Genau 20 Jahre nach Entstehung von „Tee mit Mussolini“ versammelte Roger Michell alle drei noch einmal zusammen mit Dame Eileen Atkins vor der Kamera – in der gleichermaßen sehenswerten Dokumentation „Tea with the Dames – Ein unvergesslicher Nachmittag“.
1935 muss der junge Luca Innocenti (Charlie Lucas) einsehen, dass er bei seinem Vater Paolo (Massimo Ghini) unerwünscht ist. Dessen Frau soll nämlich nichts vom unehelichen Balg ihres Mannes erfahren, Lucas Mutter ist bereits verstorben, was dem Jungen aber verheimlicht wird. Die Engländerin Mary Wallace (Dame Joan Plowright), Sekretärin bei Paolo, nimmt sich des verstoßenen Kindes an. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Lady Hester Random (Dame Maggie Smith), Arabella (Dame Judi Dench) und der Amerikanerin Georgie (Lily Tomlin) kümmert sie sich rührend um den Knaben. Die Ausländerinnen bilden in Florenz die Diaspora der „Scorpioni“, die Kunst und Historie der Stadt in der Toskana zu schätzen wissen und den aufziehenden Faschismus unter Duce Benito Mussolini (Claudio Spadaro) nicht erkennen beziehungsweise verharmlosen. Die reiche Amerikanerin Elsa Morganthal (Cher) legt für Luca einen Ausbildungsfond an, so dass dieser nach einigen Jahren auf dem Internat als schmucker und gebildeter junger Mann (jetzt dargestellt von Baird Wallace) nach Florenz zurückkehrt. Doch auch dort hat sich nun das Blatt gewendet, und die britischen Damen finden sich alsbald in San Gimignano im Internierungslager wieder.
Auf gewohnt detailreiche Weise lässt Franco Zeffirelli auch hier wieder eine vergangene Epoche zum Leben erwachen. Orientiert an seiner eigenen Biografie, entspinnt er hier das liebenswerte Porträt einer ungewöhnlichen Lebensgemeinschaft, die von den exzellenten Bühnendarstellerinnen auf äußerst charmante und gewitzte Weise verkörpert wird. Die Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg werden dabei weitgehend ignoriert.
Stattdessen bedient sich der Regisseur eines märchenhaften Eskapismus, der jedoch gut zu seiner Geschichte passt und für Kurzweil sorgt. Die deutsche BluRay-Erstveröffentlichung in der Reihe „Cinema Favourites“ bietet ein exzellentes, gestochen scharfes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1) und einen ebenso überzeugenden Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 5.1). Auch diese Neuveröffentlichung bietet leider keinerlei Bonusmaterial.