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Kann Heitz Thriller? - Totenblick

Kann Heitz ThrillerKann Heitz Thriller?
Totenblick

Markus Heitz dürfte den meisten bekannt sein für seine Fantasy- und Horror-Romane (etwa die »Zwerge«-Reihe oder die Vampirthriller »Kinder des Judas«, »Judassohn« und »Judastöchter«).

Mit seinem neusten Werk »Totenblick« wagt sich der Bestsellerautor nun auf ein wenn schon nicht völlig fremdes, so doch zumindest in Teilen neues Gebiet vor: das Thrillergenre.


Kann Heitz ThrillerEin Ausflug, der durchaus gelungen ist und dem Leser einige spannende Lesestunden bereitet. Ein Ausflug aber auch, der nicht ganz ohne leicht schalen Beigeschmack auskommt.

Zunächst aber zum Inhalt des Buchs: Ausnahmezustand in Leipzig. Ein brutaler Serienkiller hält die Polizei, die Stadt, ja bald das ganze Land in Atem. Seine Methode: Er bildet Kunstwerke nach und drapiert seine Opfer entsprechend bekannter Todesdarstellungen aus der Kunst. So wird der erste Tote etwa in einer grausig-skurrilen Nachbildung des Gemäldes „Der Tod des Marat“ von Jacques-Louis David gefunden – mit einem Unterschied: Die Augen des toten Mannes sind weit aufgerissen, und bei ihm findet sich die Botschaft, dass es für denjenigen, der den Totenblick zuerst auf sich zieht, kein Entkommen gibt und er selbst bald sterben wird.

Was zunächst wie eine absurde Drohung anmutet, erweist sich schnell als grausige Realität: Die beiden Polizeibeamten, die den Leichnam gefunden haben, kommen wenige Tage später bei vermeintlichen Unfällen ums Leben. Doch waren es wirklich Unfälle, oder sollte hinter dem Mythos des Totenblicks mehr stecken?

Die grausige Mordserie, die nun beginnt, die Spekulationen um den Totenblick, die Hilflosigkeit der Ermittler, die einfach keine Spur zum Killer finden können und von diesem öffentlich herausgefordert und verhöhnt werden, all dies sorgt dafür, dass Angst und Schrecken umgehen. Wird es den ermittelnden Beamten gelingen, den irren Killer zu stoppen, bevor er immer neue seiner grausigen Dioramen herstellen kann? Ein aussichtslos erscheinendes Katz-und-Maus-Spiel nimmt seinen Lauf …

Heitz erster Abstecher ins Thrillergenre ist, wie bereits erwähnt, ein in weiten Teilen gelungenes Unterfangen, das allerdings die eine oder andere Schwäche aufweist. Um mit diesen zu beginnen: Der Killer, den Heitz auf Leipzig loslässt, ist leider der typisch hyperintelligente und scheinbar immer überlegene Psychopath, wie er in Serienkiller-Thrillern bis zum Abwinken vorkommt. Nicht nur, dass das ziemlich einfallslos (und bisweilen auch ein wenig langweilig) wirkt; wenn schließlich die Identität des Mörders gelüftet wird, so erscheint dessen stete Überlegenheit ganz und gar überzogen und im Grunde unerklärlich.

Und nicht nur die Figur des Mörders bereitet Probleme: Generell fällt es schwer, eine emotionale Beziehung zu den Protagonisten von »Totenblick« aufzubauen. Die Figuren wirken – trotz der ein oder anderen charakterlichen Schwäche – allesamt zu glatt, ohne echtes Innenleben, was zur Folge hat, dass sie dem Leser während der Lektüre nicht wirklich nahe kommen. Wenn dann mal wieder einer der Handlungsträger vom Killer hopps genommen wird, dann berührt dies kaum, lässt einen kalt.

Markus HeitzWährend es den Protagonisten an emotionaler Tiefe mangelt, kann man sich aber nicht darüber beschweren, dass Heitz allzu sehr in den üblichen Schablonen (sieht man mal vom Serienkiller ab) denkt. Ganz im Gegenteil: Wie schon in früheren Werken präsentiert Heitz auch in »Totenblick« wieder ungewöhnliche Figuren (man denke z.B. nur an den Helden von »Blutportale«, der Blumenhändler ist, oder an den charmanten Bestatter Konstantin Korff aus »Oneiros«), wie sie so in Romanen eher selten zu finden sind, etwa einen sympathischen Polizisten mit schwerem ADHS und einem ausgesprochen schlechten Namensgedächtnis, oder Ares Löwenstein, die zweite zentrale Figur aus »Totenblick«, einen Personal Trainer, Hobbyschauspieler und Mann mit Motorradgang-Vergangenheit, der heute drei Töchter sowie drei gescheiterte Ehen hat.

Apropos »Oneiros«: Konstatin Korff spielt auch in »Totenblick« eine wichtige Rolle. Von daher sollte man zuerst das erst genannte Werk lesen, bevor er zu »Totenblick« greift – andernfalls wird das ein oder andere Ereignis reichlich unverständlich erscheinen.

Doch zurück zu »Totenblick«. Was am Roman voll überzeugt, ist der Plot als solches. Mit dem Mythos um den Totenblick greift Heitz einmal mehr ein unverbrauchtes, ausgesprochen interessantes Thema auf, das sich wie ein roter Faden durch die tempo- und abwechslungsreiche Handlung zieht. Beides – die ungewöhnliche Thematik wie auch die vielschichtige Handlung – sorgt, gemeinsam mit der ausgefallenen Idee, dass der Serienkiller reale Nachbildungen von Totenszenarien in der Kunst erstellt, dafür, dass man trotz der genannten Schwächen gebannt am Geschehen dran bleibt und das Buch nur schwer wieder aus der Hand legen kann. Heitz‘ Abstecher ins Thrillergenre, das lässt sich in jedem Fall sagen, muss sich nicht hinter den Werken bekannter Genreautoren verstecken. Fesselnde, sehr gut geschriebene Lektüre ist dem interessierten Freund von Spannungsliteratur hier gewiss!

»Totenblick« ist ein trotz einzelner Schwächen in weiten Teilen gelungenes Buch, das Lust macht, in naher Zukunft einen weiteren „echten“ Thriller aus der Feder von Markus Heitz zu lesen. Bin mal gespannt, ob er sich dazu bereit findet – oder ob er sich in den mysteriösen Welten der Fantasy und der Dunklen Spannung (sprich: Horror) doch wohler fühlt und zunächst einmal in diesen verbleibt.

Totenblick
von Markus Heitz
Erschienen: Sommer 2013 (Deutschland)
521 Seiten; 9,99 €
ISBN: 978-3-426-50591-5
Auch als eBook erhältlich (9,99€, ISBN: 978-3-426-41796-6)
Knaur

Kommentare  

#1 Mainstream 2013-08-20 21:56
-
Eine wirklich gehaltvolle Rezension, mit geistreichem Blick für
Details. Ein gesundes Hintergrundwissen macht diese Besprechung
nicht nur lesenswert, sondern zu einem echten Leseanreiz.

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