Ein Podcast als Ermittler - »Schläfst du noch?« von Kathleen Barber
Ein Podcast als Ermittler
»Schläfst du noch?« von Kathleen Barber
Dreizehn Jahre ist der Mord inzwischen her, doch der Podcast reißt nicht nur bei Josie alte Wunden auf. Ihre schon früher labile Mutter Erin, die seit dem tragischen Tod ihres Ehemannes in einer Sekte ist und den Kontakt zu sämtlichen Familienmitgliedern abgebrochen hat, bringt sich um. So ist Josie gezwungen, zu ihrer Beerdigung in die alte Heimat zurückzukehren. Dort wird sie nicht nur mit ihrer Zwillingsschwester, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt hat, konfrontiert, sondern auch mit immer neuen Folgen des Podcasts. Und langsam schleichen sich auch bei Josie Zweifel ein: Was, wenn an Poppy Parnells Theorie etwas dran ist und seit Jahren ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt?
Inspiriert von dem realen Podcast „Serial“ um bereits zu den Akten gelegte Kriminalfälle schreibt die amerikanische Autorin Kathleen Barber mit „Schläfst du noch?“ ihren Debütroman. Um mit dem Schreiben zu beginnen, gab die Juristin ihren Job auf und widmet sich seitdem ganz ihrer Karriere als Schriftstellerin. Barbar lebt und arbeitet in New York und wuchs wie ihre Protagonistin Josie in Illinois auf.
Barber schreibt eingängig und versteht es ganz gut, dem Leser immer nur wohldosierte Informationen zu servieren, sodass ein Großteil der Spannung zunächst darin besteht, Josies Situation richtig zu verstehen. So ist anfangs für den Leser die Frage danach, was zwischen ihr und ihrer Zwillingsschwester bloß vorgefallen sein mag, mindestens ebenso interessant wie die nach Ungereimtheiten um den Mordfall. Auch die Beziehung zwischen Josie und Caleb liegt im Fokus des Romans, schließlich hat Josie ihn jahrelang über ihre Vergangenheit belogen und muss nun um ihn bangen, wenn der Mord durch den Podcast wieder ins Rampenlicht gerückt wird.
Erzählt wird ausschließlich aus Josies Perspektive, lediglich unterbrochen von der Niederschrift des Podcasts und den darauffolgenden Diskussionen in sozialen Netzwerken. Barber kreiert eine sympathische Hauptfigur, die dem Leser die Identifikation mit ihr leichtmacht. Auch die weiteren Figuren sind vielschichtig und durchdacht, einzig die Journalistin Parnell ist in meinen Augen ein wenig zu klischeehaft dargestellt. Auch bleibt für mich die Haltung bezüglich solcher Podcasts nach dem Buch fraglich. Parnell berichtet sehr reißerisch und verursacht mit ihren Ermittlungen für die Angehörigen des Mordopfers viel Leid, fördert aber durchaus auch neue Informationen zutage. Was hieraus nun des Lesers Schlussfolgerung sein soll, ist für mich nicht ganz klar, zumal auch die Diskussionen bei Twitter und Co nach den Veröffentlichungen der Podcasts ziemlich negativ dargestellt werden.
Etwa ab dem letzten Drittel des Buches ist die Vorgeschichte der Familie soweit klar und der vermeintlich bereits aufgeklärte Mord rückt in den Fokus. Hier war leider relativ schnell absehbar, worauf die Geschichte am Ende hinauslaufen wird, weshalb mich der Roman in seinen letzten Zügen nicht so richtig überzeugen konnte.
Insgesamt ist „Schläfst du noch?“ ein solide geschriebener Debütroman, der vor allem in der ersten Hälfte zu fesseln vermag. Danach lässt die Handlung aber die eine oder andere unerwartete Wendung vermissen und kann so auch die Spannung nicht durchgängig oben halten. Schade, denn für meine Begriffe wäre da mehr Potential gewesen.
Schläfst du noch?
