»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Ich war der Staatsfeind Nr.1 (Glenn Collins Nr. 106)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Ich war der Staatsfeind Nr. 1«
Glenn Collins Nr. 106 von anonym
Ich habe eine Heidenangst vor den zahllosen Pferdeopern, die sich mein Vater zu Hunderten eingepfiffen hat. Das fing bei Billy Jenkins an und hörte beim 712. G.F.Unger-Nachdruck auf, dessen Kenntnis ihm regelmäßig erst daheim auffiel (die auseinander zu halten war schon eine Leistung!), geh ich zunächst mal an die Gesetzesbrecher und Verbrechensverhüter ran.
Ich höre schon den griechischen Chor: „Nimm nicht als Erstes „Jerry Cotton“!“ und ehe ich mich versehe, hab ich die unterschiedlichsten Beispiele eingetütet, irgendein obskures Zeug, von dem „Kommissar X“ schon das Bekannteste ist.
Also bloß nicht gleich damit anfangen...am besten gleich erst mal eine heftige Lektoratspanne aus vorchristlicher Zeit, als die G-Men noch auf Mammuts geritten sind.
Gab es nicht.
Aber einen flotten Abstecher in die Spätsechziger kriege ich hin, irgendwo in einer vergilbten Romansammelecke stoße ich auf „Glenn Collins“, auch wenn ich das Heft nach diversen Jahrzehnten (es feiert im nächsten Jahr seine 50jährige Existenz und ist damit älter als ich!) in wenig gepflegten Party- und Ramschkellern haptisch ein Alptraum ist.
1968 war ein tolles Jahr, nicht nur filmisch: Edgar Wallace kaute schon auf dem Leisten, weil Klaus Kinski keine Lust mehr hatte (und die Italiener in ihren Filmen mehr blanke Möpse) und Ralph „Robot Monster“ Nader aka Jerry Cotton machte mit seinem achten vergessenswerten Kinoabenteuer seinen letzten Atemzug vor schlechten New Yorker Rückprojektionen, während er durch deutsche Kiesgruben joggte.
Draußen in den Straßen hauten die Studenten auf Polizisten und Perser ein und umgekehrt, der „Summer of Love“ lief problemlos auf die blanken Messer von Altamont zu und gewisse Filmfestspiele implodierten aufgrund diverser Kontroversen nicht nur rund um den Vietnam-Krieg.
Wie gut, dass es da auch noch die straighten Kerle gab, die den Finstermännern auf die Zähne hauten, während sie mit der anderen den Ladys den Po tätschelten – so etwas stirbt niemals aus.
„USA Special Agent“ Glenn Collins war einer von ihnen, ein schnell zusammengestoppelter Ersatz für Inspector McCormick vom FBI (obwohl es da keine Inspektoren gab, ein Fehler, der mit der Umbenennung dann gleich mitkorrigiert wurde), nachdem selbiger sieben Jahre fleißig die Welt gerettet hatte.
Collins startete dann ab 1967 mit Band 101 gleich gut durch, wurde aber schon drei Jahre später wieder endgültig gestoppt: die Konkurrenz war einfach zu groß.
Groß war auch Collins selbst – eine Kokosnuss von einem harten Kerl mit der unverzichtbar attraktiven Kollegin Babs Rimer (heute wäre das ein toller Porno-Name) im Schlepptau, die im vorliegenden Band mit dem reißerischen Untertitel „Mich jagte die Agentin Babs“ auch gleich aktiv angekündigt wird.
Doch ach je, kein übler Krimi-Trash aus dem Hause „Marken“ erwartete mich, sondern ein solider, stramm runter geschriebener Krimi irgendeines nicht genannten Autoren, als käme die Story von altem Schrot und Korn direkt aus der Feder der Hauptfigur.
Ist man denn nirgends vor dem Zeug sicher?
»Mit dir stimmt was nicht! Vorhin hast du mir schon gesagt, ich sähe zum Anbeißen aus. Das ist beunruhigend! Ich mache mir wirklich Sorgen!«
So dringt es augenzwinkernd aus Spezial-Agentin Babs Rimer, als unser aller Protagonist Glenn Collins sich als Staatsfeind Nr. 1 bewerben möchte!
Dabei hat der tugendhafte und trinkfeste Staatsdiener einen guten Grund für diesen Berufswechsel. Ein Unbekannter (der als „Fallon“ identifiziert wird) warnt telefonisch vor einem Attentat auf den kernigen Gouverneur Wade, ehe er vor dem Münznachwurf gemeuchelt wird.
Tatsächlich soll ein Todeskandidat namens Hank Rubino, ein eiskalter Schlitzer, der irgendwo bei Canon City, Colorado auf seinen letzten Gang wartet, aus der Todeszelle befreit werden. Sofern das gelingen sollte, gibt es für den Gouverneur schon mal ein Todesdatum mit passender Uhrzeit.
Das will nun keiner glauben und es ist auch ein simpler Ablenkungstrick, aber trotz allem stimmt Collins einem Austausch gegen Rubino zu, weil er dem Meuchler ziemlich ähnlich sieht (sowas aber auch…)
Derweil plant das eigentliche Grüppchen Finstermänner den wesentlichen Plan in einem baufälligen Holzhaus: tatsächlich dient das angebliche Attentat zur Ablenkung und wären sich dort die Sicherheitskräfte bündeln, will die Bande anderweitig groß abräumen. Dazu hat der dicke B-Boss (der A-Boss ist das große Geheimnis!) Leslie „Les“ Grant vier fröhliche Leut und zwei Killer (aus dem Koreakrieg!!!) engagiert, die mit Rubino gleich noch den nächsten Umleger befreien sollen.
Während derweil Babs sich um die Sicherheit des Politikers kümmert, glaubt Collins so wenig wie der Gefängnisdirektor an ein Gelingen der Befreiung, aber tatsächlich klettert einer der Verbrecher mit Seil und Haken über die Mauer und leitet ein Betäubungsgas in das Belüftungssystem, das die gesamte Anstalt in Tiefschlaf legt. Dazu meucheln die Killer noch zwei Wachleute!
So können sie den vermeintlichen Rubino davon schleppen.
Gleichzeitig geht noch ein Drohanruf bei Wade ein, der die Familie und den Hausgast, den Hollywood-Schreiber Brett Martin in größte Beunruhigung versetzt.
Collins kommt inzwischen wieder zu sich und sieht sich fortan von Verbrechern umgeben: den raubvogelartigen Matt Robson (ein fieser Fiesling und Fluchtfahrer), den Safeknacker Charly, den Alarmanlagen-Spezi Eddie Harvey und den Trapezkünstler Phil Andrews (vermutlich auch verantwortlich für „Recherchen und Archiv“…). Fürs Lichtausknipsen hat man noch Todd Walker und Harry Cooper engagiert, die den Reigen der beliebigen amerikanischen Namenskombinationen abschließen.
Der Plan besagt, in die Hallstad Co. Chemie-Werke einzusteigen und noch mehr von dem K.O.-Gas zu besorgen, das schon den kompletten Knast ausgeschaltet hat. Rubino soll aus reiner Dankbarkeit mitmachen (obwohl das als Grund nie so recht ausreichen will) und Glenn spielt dementsprechend mit. Dennoch fühlen sich die übrigen Bandenmitglieder in seiner Gegenwart äußerst unwohl – und der misstrauische Robson findet es – sehr logisch übrigens – gar nicht so toll, dass sie einen überall gesuchten Killer mitschleppen.
Da hilft nur eins: den Fiesling natürlich so lange provozieren, bis man ihn ordentlich vermöbeln kann, zumindest bis die anderen Killer einen stoppen!
Babs ist derweil auch auf der Spur des Betäubungsgas und nimmt die Hallstad-Werke unter die Lupe, wo der unvermeidlich fette Chef Brack einen von nur zwei Schlüsseln zum Tresor hat, neben dem Chemiker Hansen. Beide geben sich unschuldig, aber Babs wird misstrauisch.
Als der Abend dämmert, startet der neuerliche Raubzug: nachdem Killer Harry und Kletterer Eddie sich auf den Weg machen, sollen Phil und Glenn etwaigen Zeugen den Garaus machen, doch Glenn nutzt die Gelegenheit, Phil auszuschalten und hinterher zu klettern. Just als Phil ihn schließlich auf dem Gelände entdeckt, taucht Babs auf und eröffnet das Feuer auf Glenn, Phil und den anderen Killer. Glenn muss flüchten, verfolgt aber Todd Walker und wird von diesem in einen Kampf verwickelt, bei dem der Mörder zu Tode stürzt.
Glenn kann Babs einige Infos geben, tut dann aber so, als ob er den anderen Killer Harry vor seiner Kollegin retten kann. In dem folgenden Durcheinander können alle anderen fliehen, doch Glenn kann Babs noch Phil übergeben und macht sich dann auf den Weg zum Versteck der Gangster.
Mit dem Tresorschlüssel, den Babs in ihren Besitz gebracht hat, macht sie sich später wieder auf zu Brack, doch dieser hat seinen noch – und Hansens Schlüssel ist ebenfalls vorhanden. Also existieren Nachschlüssel.
Glenn gerät derweil bei der Bande in arge Bedrängnis, hat dann aber in Harry einen Fürsprecher. Man beschließt einen weiteren Einbruch, bei dem Harry die Alarmanlage übernehmen will. Auch wenn Robson Glenn am liebsten umlegen würde, bleibt Collins als Rubino im Team.
Babs untersucht inzwischen die weiteren Spuren – sogar den Schriftsteller Brett Martin, doch der ist nach Hollywood abgereist und hat ein nachprüfbares Alibi. Also hält sie sich an Brack, den sie in einer sinistren Kneipe aufstöbert, wo er Schweigegeld abdrückt – man hat ihn mit einem leichten Mädchen und Fotos erpresst. Babs sackt das Mädchen und den Erpresser ein, hat aber Brack aus den Augen verloren.
Collins besorgt sich aus einem Versteck das Funkgerät, das Babs ihm mitgegeben hatte und informiert sie über den erneuten Einbruch, doch kurz danach wird der Einbruchsplan um einen Tag verlegt.
Babs kriegt kurz darauf bei einer Inspektionstour Hansen zu sehen, der sie vor einer Falle warnt, doch sie fällt nicht darauf herein – sie hält Hansen selbst für die Falle, kann aber nicht verhindern, dass sie mit Gast betäubt wird.
Auch Collins wird beim nächsten Gebrauch des Funkgeräts ertappt, doch er ergreift die Flucht und stürzt sich in einen nahegelegenen See, wo er schließlich simuliert, dass er getroffen wurde und ertrunken ist.
Als Babs wieder zu sich kommt, liegt Hansen tot vor ihr, den man aus Vorsicht erschossen hat, damit er nicht zum Unsicherheitsfaktor werden kann. Man zwingt sie, ihre Kollegen auf eine falsche Fährte zu setzen, doch sie kann eine verschlüsselte Warnung loswerden. Danach will man Babs mitsamt des Holzhauses abfackeln, doch Glenn kehrt rechtzeitig von seinem Schwimmkurs zurück und kann sie retten.
Gemeinsam macht man sich auf den Weg zur Chemiefirma, wo die Bande just wieder aktiv wird, doch diesmal wartet man auf sie : Robson und Cooper werden erschossen, Charly verhaftet. Und der mysteriöse Boss erschießt wegen akuter Unfähigkeit gleich noch Leslie Grant.
Als er jedoch fliehen will, werde Glenn und Babs auf ihn aufmerksam und können seinen Wagen stoppen: es ist doch Brett Martin, der sich durch die Nähe zu den Wades ein Alibi ermöglichte und dennoch an den Ermittlungen dran blieb.
»Opossum ruft Pantherkatze!«
….oder auch „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“
Es gibt nicht viel zu Lachen in diesem Roman, aber immerhin reizen die Code-Sätze, die alle fröhlich-deutschen Märchenbezug haben, zum Schmunzeln an.
Ansonsten ist das eine typisch knallharte und staubtrockene Angelegenheit, nur durchbrochen von dem flott dahin rauchenden und Whisky saufenden Agenten und seiner langbeinigen Kollegin, die einerseits eine erstaunlich emanzipierte und eigenständige Figur für die 60er macht, aber dennoch hie und da mit ein wenig zahmen Sexismus angegangen wird. Vorzugsweise vom Autor, der ihre Figur und ihre Beine als Schlüsselargument für Zeugenbefragungen und Verhöre einsetzt.
Immerhin: die ganz groben sexuellen Peinlichkeiten sind rar und das Agentpärchen gibt sich wirklich als Partner, nicht als „Ober“ und „Unter“, wobei Letzteres ja sonst oft für die weibliche Seite reserviert blieb.
Die Story an sich ist ganz passabel, wenn auch in den 60ern eigentlich auf Gefängnismauern Stacheldraht eigentlich zu den Standards gehört haben sollte und selbige nicht mit Seil und Kletterhaken überwindbar gewesen sein müssten.
Was nie so ganz klar war, ist der Einbau des mörderischen Insassen in die Story, denn erstens hat die Bande schon zwei Killer und zweitens hat „Rubino“ eigentlich in den Plänen so gut wie keine Funktion, außer als Begleitschutz zu dienen. Witzigerweise fragen sich die Gangster und Glenn das übrigens dann auch selbst, ohne dass man das zufriedenstellend beantworten könnte.
Geschickt ist der Einbau von Martin, der eigentlich schon früh als möglicher Verdächtiger im Hintergrund infrage kommt, aber dann per Alibi ausscheidet. Nur leidet die Story – wie so viele im kleinen Format – an dem Mangel an anderen Kandidaten, da Brack ein Trottel ist und Hansen irgendwann erschossen wird.
Geschmunzelt werden darf auch bei dem Versuch Glenns, einen Sender zu bekommen, wobei er beim damaligen Stand der Technik aber einsehen muss, dass das nicht geht: sein Funkgerät ist so groß wie vier Schachteln Zigaretten. Ach ja, die seligen Jahre vor der Mikrotechnologie.
Immerhin: der unbekannte Autor riss den knüppeligen Stoff sehr flüssig und flott runter, sogar die Füllepisode rund um den Erpresser und sein Mäuschen hat etwas für sich und passt ins Gefüge. Das hat man so eher selten erlebt, weswegen ich diesen Startroman aus meiner kleinen Krimi-Ecke auch als überraschend gelungen erachten muss.
Ein Knaller ist übrigens die Einordnung des Titelbilds auf Seite 3, der den schmökenden Robert Lansing auf dem Cover in den „atemberaubenden United-Artists-Film „Namu, der Raubwal“ verortet. Hab ich da im Nachmittagsprogramm eventuell etwas versäumt damals?
Egal, ich putz jetzt meine Knarre und mache weiter...
Kommentare
en.wikipedia.org/wiki/Inspector#Federal_agencies
Da warst du aber groß in Form
Babs Rimer ist ja noch besser als die holde Privatdetektivin aus der wohl grausigsten Bastei-Krimi-Serie "John Cameron". Das Girl hieß Baby Jill und konnte Karate.
Nicht, dass es irgendwie von Belang wäre, aber woher weiß man über den geplanten Ausbruchsversuch Bescheid?
Nya, nur sind das Bürokraten, interne Inspektion halt. Die im deutschen Heftroman herumlaufenden FBI-Inspektoren haben sich ja mit der Aufklärung irgendwelcher Kriminalfälle beschäftigt - insofern war's schon ne Dämlichkeit oberer Güte.