»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die Mörder-Klinik (Sandra King 32)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die Mörder-Klinik«
Sandra King 32 von Spencer Spratt (???)
Die Autoren der Serie sind noch immer nicht definitiv veröffentlicht worden, was viele nützliche und kreative Rückschlüsse leider verhindert.
Nun gut, vielleicht ist bzw. sind der oder die Autoren auch gar nicht daran interessiert, rückblickend mit dieser Sex’n’Crime-Mischung in Verbindung gebracht zu werden, die Verfasser von „Dr. Morton“ und „Der Lord“ werben auch nicht nachtrüglich mit ihrer Autorenschaft, war dann vielleicht doch ein menschenverachtendes Häppchen zuviel – aber eben doch nicht so viel, dass man die Serie nicht nach ein paar Jahrzehnten wieder im Bahnhofsbuchhandel an den Start schicken könnte.
Sandra King harrt da leider immer noch der Dinge, die noch im Print kommen könnten, also muss man sich auf alte Ausgaben konzentrieren, wie ich mich hier auf die „Mörder-Klinik“, die von der Reihenfolge ungefähr die Mitte der Reihe darstellt.
Gespannt war ich darauf, ob wieder so wahnsinnig abstruse Elemente wie die genderüberwindenden Travestiekünste des Oberschurken in „Heuschrecken des Todes“ zu finden wären, deren bloße Vorstellung (ohne filmische Visualisierung etwa) die sonstigen übermenschlichen Fähigkeiten der Ermittlerin praktisch auf ex ad absurdum führten, von den fleischfressenden Insektentierchen, die nebenbei noch Chitinmaterial für Panzerwesten produzieren können, ganz abgesehen. Gut, derlei Forschungen zwecks Ausnutzung besonderer Fähigkeiten aus der Tier- und Pflanzenwelt zum Zwecke der menschlichen Nachnutzung sind auch im Gen-Zeitalter äußerst beliebt, aber ein einzelner Wissenschaftler, der noch dazu ein verrückter Soziopath ist und locker mal eben Kinder killt, obwohl sie außer ein paar Heuschrecken nichts gesehen haben, um zehn Minuten später die Heuschreckenzüchtung lässig im Gespräch zum Tee zuzugeben, ist nicht der Logik letzter Schluss.
Wir verabschieden uns also pflichtschuldig von auch noch dem letzten Hauch von Realitätsverknüpfung und lassen die Irren einfach mal machen – denn die funktionieren auch in „Die Mörder-Klinik“ enorm gut, vor allem weil wir es nicht mit einem sabbernden und irre kichernden Skalpellschwinger zu tun haben, sondern mit einem dauerhöflichen, aber bei Verzögerungen ungnädigen Papa, dessen Moral- und Gewissensvorkommen wohl schon vor mehreren Jahrzehnten bei Ebay versteigert wurden. Da wird gejammert und geklagt, dass man die schönen, perfekten und umso entsetzlichen Operationen nicht immer sofort durchführen kann und exakt null Empathie gezeigt, dass die unfreiwilligen Opfer eines Organtransfers (oder etwas noch Absurderem, dazu später mehr) nicht eben glücklich darüber sind, in Kürze auseinander genommen zu werden.
Die Leser dürfen sich also auch hier auf ein paar knallige Details freuen, die dem seligen „Dr.Morton“ zur Ehre gereichen, abseits dieser medizinisch-technischen Knallfrösche kommt bei diesem Agentenabenteuer aber ein passabler Organhändlerkrimi heraus, der mehrfach das „Nicht-Entkommen-Können“-Syndrom auslöst und tatsächlich ein mulmiges Gefühl hinterlässt.
Ansonsten überlagern sich jedoch wieder Schwächen bei der Plotkonstruktion mit haarsträubenden Zufällen, so dass es am Ende des Romans regelrecht „eng“ wird und dabei verzichtet der Verfasser schon zeilenschonend eine Hälfte des Romans komplett auf die eigentliche Heldin.
Aber sehen wir uns das doch mal genauer an…
»Schwesterherz, nicht, daß ich dir in deine weithin bekannte Schönheit hineinreden will, aber meinst du nicht, daß du was für deine Oberweite tun solltest?«
In good old England trägt man ja noch die lockenprächtige Allongeperücke vor Gericht,wenn das Urteil gefällt wird, doch diesmal macht der Henker Pause, wenn es darum geht, wo der Frosch die Locken hat: Ann Leyton, offenbar ihres Mannes überdrüssig, wird auf Betreiben ihres findigen Anwalts Sir Rufus Burt vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, während Agentin Sandra King und ihr hedonistisch versauter Bruder Bobby nicht recht wissen, ob sie das gut oder schlecht finden sollen. Wenigstens lernen sie bei dieser Gelegenheit den äußerst fitten Mitarbeiter Burts, den Neuseeländer Tom Greggs kennen, der sogar Sandra ganz gut gefällt.
Kurz darauf soll Greggs dann seinen Arbeitsvertrag zwecks Festanstellung unterschreiben, wird jedoch beim Ergreifen des Füllfederhalters ohnmächtig. Da muss der fitte Kerl ja doch was mit dem Herzen haben, also wird flugs ein Arzt verständigt und der Gute wird von Sanitätern abgeholt. Burt gönnt sich ein Pillchen, dann verabschiedet er sich zu einem Termin, fährt dann aber auf Umwegen in sein Tarnapartment, gemeldet auf einen Mr.Brown, wo er sich von der freigesprochenen Ann Leyton noch zum Dank die Nudel kneten lässt, bevor es „auf Matratze“ geht.
Greggs wird derweil in die ländliche Privatklinik des Prof. Dr. Dr.Gordon Dolby gekarrt, wo vor der Hand Schönheitsoperationen gemacht werden und hinter der Hand das Grauen regiert. Vom Stationsdragoner, Schwester Martha Gray, wird Greggs aufgenommen, aber gleich in einen geheimen Teil der Klinik abgeschoben, wo er aus der Bewusstlosigkeit wieder erwacht. Ihm wird höflichst eröffnet, dass er jetzt operiert werden wird – weil er ja das perfekte Herz hat – und dann wieder in Vollnarkose versetzt. Skalpell raus und los…
Dummerweise will Sandra derweil dann doch noch mal mit dem schnuckeligen Tom Greggs ein Sätzchen wechseln und forscht zwei Tage später telefonisch über seinen Verbleib und erfährt von der unerwarteten Herzattacke. Doch oha, nicht nur er ist weg, sondern auch Sir Rufus Burt, den seine Frau Olivia bereits länger vermisst. Sandra macht ein Date mit der Dame ab, während Brüderlein Bobby nach Rom aufbrechen will, um eine alte junge Flamme namens Esther Curtis mal wieder zu betten, die jetzt für die Primadonna und Sopranette Maria Torlani arbeiten soll.
Beim Date mit Olivia Burt wird Sandra gleich weiter zu Burts geheimen Schlupfwinkel verortet, weil die Dame des Hauses mit den Eskapaden ihres Mannes vertraut ist. Vor Ort findet Sandra zwar Burts Sachen und einen Stapel eindeutiger Fotos, darunter welche von Ann Leyton, aber in persona leider niemanden an. Via einer Info eines Polizeifreundes fährt sie zu Leytons Adresse, die sich erst widerwillig zeigt, später aber alles zugibt – jedoch auch, sich von dem noch sehr lebendigen Rufus Burt verabschiedet zu haben.
Inzwischen wacht Greggs in Dolbys Klinik wieder aus der Narkose auf und will nun natürlich endlich wissen, was los ist, er sei ja kerngesund. Das sei ja dann auch der Grund für die OP, denn genau sein gesundes Herz habe man entnommen und nun hänge er an einer Maschine, die diese Funktion übernommen hat. Das sei aber alles nur von kurzer Dauer, denn er sei so fit und sein Brustraum so breit, dass man da demnächst drei weitere Herzen zwecks Frischhaltung anschließen könnte. Den Brustraum hätte man ihm vorsorglich mit Kochsalzlösung gefüllt (!!!!!!!). Die drei Herzen wären dann für zahlungswillige Mandanten. Was aus ihm würde, will er natürlich wissen. Och, meint Dolby, ihn würde man dann abschalten. Täte auch nicht weh!
Sandra hat sich indes in Besitz von Burts Telefonverzeichnis gebracht und telefoniert die aufgeschlagene Seite D durch – bricht aber nach drei Versuchen ab, weil sie nur Buchmacher und leichte Mädchen an den Hörer bekommt. Ein Nachbarin berichtet, Burt sei von der Ambulanz abgeholt worden und Burts Frau bestätigt, dass ihr Mann Herzprobleme hatte. Doch sein Hausarzt weiß nichts von einem neuen Anfall. Also gibt Sandra Ermittlungen ihrer Agenten in Auftrag…
Bobby ist derweil in Rom angekommen, hat seine Arbeit nicht erledigt (war nicht mehr nötig) und verpulvert dann fleißig die Kohle der Krone, indem er im Luxushotel am Platz die Pool-Wanne und diverse Leckerlis für ein Schäferstündchen mit Esther zusammenmietet. Mit zwei Pullen Schampus und viel Badeschaum ist die Holde dann auch gar nicht abgeneigt, sein Entchen zu versenken.
Im Anschluss huscht Esther zu ihrer Chefin Maria Torlani, die kurz vor einer großen Tournee steht und deswegen ausgesprochen fitte Mitarbeiterinnen braucht, weswegen sich Esther auch auf Herz und Nieren durchchecken lassen musste (hint, hint!). Als Geschenk gibt’s erstmal eine Füllfeder und kaum wird die berührt, macht Esther den „Tom Greggs“. Natürlich wird sofort wieder ein Arzt verständigt, ein Dr. Ugo Monta, der sofort ihre „Überstellung“ nach England zwecks Behandlung in die Wege leitet. Einige Tricks später, hebt dann auch ihre Maschine samt Gepäck und der Bewusstlosen ab.
Doch ein Knuffelstecher wie Bobby gibt sich natürlich nicht mit einem Nümmerchen zufrieden und ist erst vergrätzt und dann alarmiert, als er erfährt, was geschehen ist. Natürlich ist er erst einmal am Hausarzt dran, der den behandelnden Mediziner Monta gar nicht kennt – es gibt so einen Arzt in Rom auch gar nicht.
Esther ist inzwischen, noch etwas lallig, auf Dolbys Vor-OP-Tisch gelandet und ist ebenso wenig begeistert, demnächst als Organspenderin zur Verfügung stehen zu müssen. Die Aussicht darauf versetzt sie in Rage, was dem Doc gar nicht gefällt, denn Aufregung ist Gift für eine entspannte Herzentnahme. Mit solchen Infos regt sich Esther natürlich bewusst gleich noch mehr auf, so dass sie erst mal „zur Beruhigung“, nackt und hübsch festgeschnallt, zwischengelagert wird. Entnahme ist für den kommenden Morgen geplant.
Derweil lassen Schwester Martha Gray und Dolby einen Patienten, der seine offizielle OP leider nicht überlebt hat, gleich ordnungsgemäß vom Bestatter abholen, damit auch alles hübsch eingeäschert wird (Seltsame Geschäftspolitik!). In diesem Fall hat die Sache jedoch einen doppelten Boden, d.h. der Sarg hat einen, denn mit dem toten Patienten wird gleich noch eine Leiche abgefackelt, die des Kronanwalts Sir Rufus Burt!
Inzwischen interviewt Bobby in Rom bereits Torlanis Dienstmädchen, die in der Beschreibung Montas etwas von „Reisepass“ fallen lässt, woraufhin Bobby nach und nach die ganze Geschichte von der Überführung aufribbelt. Am Flughafen macht er noch einen Alitalia-Mitarbeiter zur Sau, dann hat er soweit alles beisammen, um nach London zurück zu düsen.
Esther schafft indessen das Unmögliche: eine Handgelenksschlaufe löst sich etwas und sie kann sich nach und nach von ihrer Fesselung befreien. Vorher nippelt sie aus Grays Händen (Gray’s Anatomy???) aber noch etwas Kraftbrühe und wartet auf die Nacht zwecks Flucht.
Kurioses Zwischenspiel: Sandras und Bobbys Vorgesetzter Lord Bensing macht derweil eine Süffelpause, um auch nach Burt zu suchen und puzzelt über Kontakte Burts Club in London heraus. Er haut einen Kumpel an, ihn als Gast mitbringen zu dürfen, kauft sich eine Badhose (fragt nicht!) und geht eine Runde Schwimmen. Oder besser „aushorchen“, denn von der clubinternen Klatschbase Jimmie Lonsdale erfährt er, dass Burt mit dem obskuren Dr. Dolby verkehrt. (Nicht, dass diese Episode irgendwas Neues bringen würde oder eine Folge für die Handlung hätte…)
Esther ist inzwischen, sehr patent, am Laken aus dem Fenster entwichen und flieht nackig durchs Unterholz. Ein netter Typ namens Jack Bicks nimmt sie mit, den sie nur mit Mühe überzeugen kann, dass sie gerade nicht in die Klinik sollte, sondern zur örtlichen Polizei.
Während Jack später in den Pub geht, kommt Esthers Geschichte bei den lokalen Behörden nur bedingt schlüssig an. Und zu allem Überdruss informieren die Beamten in guter Absicht auch noch die Klinik, so dass die böse Martha Esther mittels eines Pflegers auf dem Revier wieder aufsammelt.
Bei den Agenten stecken Bobby und Sandra (da ist sie ja mal wieder…) die Köpfe zusammen, als Bobby auf die Idee kommt, die letzte Nummer unter D in Burts Adressbuch zu probieren, die ohne genaue Zuordnung unter eine andere geschrieben wurde und kriegt eine Verbindung zu Dolbys Privatklinik. Über Kontakte zur lokalen Presse kriegen sie die gewünschten Informationen und planen flugs, sich selbst als potentielle Patienten einzuschleusen, denn Sandra könnte ja (eigentlich ja nicht) eine Brustvergrößerung gebrauchen…
Das Gespräch mit Dolby läuft zufriedenstellend – zumindest für die Brustaussichten – doch als sie unauffällig eine Schwester verhört, lässt sie Burts Namen fallen, was Schwester Martha alarmiert, die Sandra auf die Schnelle mit einer Betäubungsspritze auf die Bretter schickt. Ihr Plan: illegale Einäscherung.
Gerade als es für Sandra echt schlecht aussieht, trifft Bobby beim Süffeln im örtlichen Pub besagten Jack Bicks, der natürlich von der Klinik weiß – und von einem nackten Mädchen namens Esther.
Sandra hat ihre Betäubung schneller als gewöhnlich überstanden und sich mit ihren Spezialwaffen befreit. Sie macht einen Schleichgang durch die Klinik und findet Tom Greggs an besagter Maschine, der sie bittet, die Maschine abzuschalten, damit er sterben kann. Leider wird sie dann wieder ohnmächtig, weil die Narkose erneut zuschlägt.
So landet auch Sandra nackt und op-fertig auf einer Liege direkt neben Esther, doch als alle Hoffnung fahren will, steht natürlich Bobby in der Tür und glotzt den beiden auf die Hupen. Ach ja, und die Polente stürmt die Klinik…
Als Nachklapp wird dann mal schnell das Motiv und alles Weitere zusammengefasst: Dolby war ein manischer Herzverpflanzer, der sich ein Schneeballsystem ausgedacht hatte. Er lockte Unschuldige an, denen er das Herz entnahm und es kranken, aber reichen Bedürftigen verpflanzte. Die mussten dann einen neuen Spender „liefern“, der für die nächste OP gesund und fit genug war. Burt hat das getan und Torlani auch, doch Burt starb dennoch an Komplikationen und Herzversagen nach der Runde auf Ann Leyton.
Was wir verpasst haben (die letzten sechs Zeilen): Greggs hat es noch geschafft, den Doc zu töten und dann doch die Maschine selbst abzuschalten und Martha hat sich selbst weggespritzt – und damit ist dann alles wieder fröhlich.
»Daß die Leute immer Eiche für den Sarg haben wollen. Fichte ist doch viel billiger und brennt schneller!«
Muttern hat immer gesagt, man soll mit etwas Positiven anfangen und dann folge ich mal ihrem Rat: thematisch ist die Story noch genauso frisch und grauenhaft wie am ersten Tag. Gesunde junge Herzen für reiche alte Säcke, das findet sich in unserer postkapitalistischen Kauf-mich-Gesellschaft nicht mehr nur in Erste-Welt-Ländern, das ist ein globales Symptom für den Verfall der Menschlichkeit, sobald genug Geld und Skrupellosigkeit vorhanden sind.
Dass der Mumpitz dann auch noch von einem „Ich-will-doch-nur-Doktor-spielen-Soziopathen durchgeführt wird, dem eine hartherzige Psycho-Dragonerin im Schwesternkittel assistiert, zieht die Story gar nicht mal so ins Lächerliche, nimmt ihr höchstens die realistische Spitze.
Bei der „Mörder-Klinik“ kann es einem schon mal mulmig werden, hier tritt der normal-unschuldige Mensch gegen die Ohnmacht der Mächtigen an und die oft kolportierten Episoden von verzweifelter Flucht und Wiedereinfangen machen nicht nur im modernen Horrorfilm betroffen.
Womit die besseren Teile auch schon alle erwähnt wären!
Ansonsten fällt leider das arg grobschlächtige Ende ins Auge, dass jeden auch nur noch so kleinen Hauch von Showdown zugunsten einer finalen kurzen Zusammenfassung auf der letzten Seite in den Wind schießt. Dabei wird nicht nur das Konzept der Organhändler endlich mal erklärt – abseits der kindlich-nörgerlischen Lamentos des Chirurgen, der offenbar seinen Fix nur bekommt, wenn er bei irgendeinem Opfer die Pumpe entfernen darf – sondern auch gleich noch die Überwältigung und die Tötung der Verantwortlichen ausgespart. Skandal!
Den Arzt zu meucheln wird dem passiven Tom Greggs zugeteilt, der vorab gar nicht an den Aus-Knopf kam, dann sich plötzlich doch abschalten kann und der Spritzen-Suizid von Schwester Ratched wird auch noch postmortal in einem Halbsatz dokumentiert. Wie das alles vor sich gegangen sein soll, ich kann es mir nicht vorstellen. Ist der Arzt formschön ins Zimmer gelaufen, hat Greggs vorsorglich mal ein Skalpell in die Flossen gedrückt und mit Kuss auf die Wange um Verzeihung gebeten, wobei er freundlich mal die Schnur mit dem Abschaltknopf angehoben hatte, während Bobby von Esthers UND Sandras Möpsen wie gebannt war? Ja, so muss es gewesen sein.
Entweder ist da der ganze schöne Gore zugunsten der allgemeinen Roman- und Kinderfreundlichkeit gekürzt worden oder die höchstzulässige Zeilenlänge war leider erreicht. Eine Frustration sondergleichen!
Aber vorab hat man ja auch ordentlich Romanzeit überflüssig verplempert: erst mit unglaublich breit angelegten Ermittlungen in England, bis Sandra endlich weiß, dass sie nichts über das Verschwinden von Burt weiß, dann wiederholt sich das umständlich in Rom, wobei der Reisebilderbogen aus der Ewigen Stadt plus Schampusrammelei zusätzlichen Platz kostet. Lange umständliche Stadtfahrten durch London ergänzen das erste und zweite Drittel, während man gleichzeitig schon vorab ahnt, dass vermutlich die Geschwister in jeder Stadt einen der miteinander verbundenen Fälle ausgraben würden.
Später holpert sich der Roman dann durch eine enorm umständliche Flucht, während Sir Alfred, der alte Portwein-Nascher seine ganz persönliche überflüssige Ermittlungsszene bekommt, bei der er ein paar Informationen sammelt. Die aber werden im Roman nie weiter gegeben und es steht zu befürchten, dass der Chef der Geheimorganisation den wichtigsten Teil eventuell im Club seines Freundes noch versüffelt hat.
Schlussendlich kommen Bobby und Sandra selbst auf den Trichter, wie und wo man Dr. Dolby lokalisieren kann, aber da ist die Story schon auf der Schlussgerade.
Was hier wesentlich seltener im Einsatz ist, sind die zahlreichen Waffen und Gadgets, die hier nur zum Fesseln durchschneiden genutzt werden, während die Helden den Bösen so einige Schritte hinterher hinken. Aber Sandra ist ja sowieso das komplette mittlere Drittel des Romans von der Bildfläche verschwunden.
Nicht verzichten müssen wir auf den allgegenwärtig nötigen Bettsport, denn auch hier wird zweimal nicht nur blank gezogen und zugeritten, sogar Sandra holt ihre Freundinnen zum Vermessen bei Dolby aus ihrem Versteck. Natürlich fällt das Letztere betont nüchterner und kinderfreundlicher aus.
Schön absurd – nämlich schon in Bereiche eines Metzgermeisters wie Dr. Morton hinein reichend – ist die Methode Dolby, die es Chirurgen offenbar erlaubt, nicht nur eine Herz-Lungen-Maschine für ein entnommenes Organ zu installieren, sondern im frei gewordenen Raum nicht weniger als drei andere Herzen in glucksender Kochsalzlösung „anzuschließen“.
Wo die angeschlossen werden, speziell wenn es sich um einen organischen Anschluss halten sollte, wird lieber anatomisch verschwiegen, wäre aber auch nicht sonderlich überzeugend gewesen. Dieser Kokolores ist so saublöd, dass man ihn leider nur formschön umschreiben kann, aber was man dabei einspart, kann hier noch siebzehnmal an Zimmerservice-Bestellungen, Diskussionen mit Flughafenmitarbeitern, medizinische Griffe und Befestigungen oder geographische Beschreibungen von Taxifahrten verschwendet werden.
Oder mit Leichenverbrennungen, die man über alle Stationen verfolgen kann, ohne dass die Abläufe einen erzählerischen Nährwert hätten.
Ergo wiegen auch hier die Schwächen die Stärken nicht auf, dafür wurde die bedrohliche Grundsituation einfach nicht stringent genug durchgezogen und zu viel überflüssiger Text hinzugefügt, den man schlichtweg nicht braucht. Dazu wird der Drive immer wieder mit den üblichen Sexwitzchen abgewürgt, die wohl auch in den 80ern nicht totzukriegen waren.
Insgesamt also ein wahnwitziger Knaller, bei dem man sich ständig berechtigt beschweren kann, während man grinsend über den Boden rollt.
Aber: „Sandra King“ ist und bleibt eine Wundertüte, aus der ich mir irgendwann noch mal was Schönes oder Unschönes rausklauben wäre, bis dahin vertraue ich mich einem Schlückchen mit der Kraft der drei Herzen an...oder waren es zwei...egal….
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Zauberkreis-Krimi-TB Nr. 75