Stimmige Slogans - Über Gear & Gear - Das Ende aller Tage
Stimmige Slogans
Über Gear & Gear: Das Ende aller Tage
Über Gear & Gear: Das Ende aller Tage
Sie klingen nicht nur übertrieben, sondern sind es zumeist auch. Viel zu oft schon habe ich erlebt, dass ein Roman solchen Lobhudeleien nicht oder allenfalls in Ansätzen gerecht werden konnte.
Im Falle von »Das Ende aller Tage« allerdings muss ich zugeben, dass die vermeintliche Floskel Der provokanteste Thriller der Jahres! gar nicht so weit hergeholt ist. Ob es wirklich DER provokanteste Thriller 2009 ist, sei mal dahingestellt. Fakt ist allerdings: Der neuste Roman des Autorenduos Gear & Gear enthält eine Menge Sprengpotenzial.
»Das Ende aller Tage« - Inhalt
Hitzerekorde in Europa, Dürren in Südostasien, schmelzendes Eis in der Antarktis: Der Klimawandel hält die Welt in Atem. Alleine die gegenwärtige Hitzewelle, die den europäischen Kontinent fest in ihren Klauen hält, hat bereits Zehntausende Opfer gefordert. Und ein Ende ist nicht abzusehen.
Auch in der irakischen Wüste macht sich die Klimaveränderung bemerkbar. In brütender Hitze arbeitet die Forensikerin Maureen Cole hier daran, Massengräber auszuheben und die Toten zu identifizieren. Keine schöne Aufgabe, der sie nachgehen muss. Doch ihr neuster Auftrag erweist sich als noch zermürbender.
Das Kreuzfahrtschiff White Star befand sich auf dem Weg von den USA nach Israel. An Bord: Mehr als viertausend christlicher Pilger, Anhänger einer jungen Kirche, die auf Tempelberg für Frieden und Verständnis beten wollen. Die Reise steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Überall auf der Welt empören sich Muslime über die Pläne der christlichen Pilger und unterstellen ihnen, sich auf einem modernen Kreuzzug zu befinden. Mitunter arten die Proteste auch in Gewalt aus, und in Jerusalem selbst hat es bereits erste Tote gegeben.
Dann, urplötzlich, bricht jeglicher Funkkontakt mit der Besatzung der White Star ab. Dem ausgeschickten Erkundungsteam bietet sich ein Bild des Grauens: Alle sich an Bord des Schiffes befindlichen Menschen sind tot! Maureen Cole und weitere hochqualifizierte Wissenschaftler werden hinzugezogen, die Todesfälle zu untersuchen. Doch selbst den Experten fehlt jegliche Erklärung für den gleichzeitigen Tod von mehr als viertausend Personen.
Während radikale Muslime rund um den Globus feiern und den Tod der Pilger als Zeichen Allahs sehen, interpretieren fundamentalistische Christen allen voran der Sohn des Initiators der Pilgerreise die Todesfälle als Folge eines feigen terroristischen Akts. Mehr noch: Überzeugt davon, das Ende der Welt sei gekommen (in Form der immer schlimmer werdenden Klimaveränderungen), sehen sich einige Fanatiker von Gott damit beauftragt, in die letzte Schlacht zu ziehen. Schon bald erfolgt der erste Gegenschlag in Form eines christlichen Selbstmordattentäters.
Ein gnadenloser Kampf der Kulturen droht. Die Spirale der Gewalt dreht sich immer schneller. Und mittendrin befindet sich Maureen, die nach einer Aussage, die sie unüberlegt während einer Pressekonferenz gegeben hat, zur Zielscheibe radikaler Moslems wird ...
Klimawandel und Kampf der Religionen
Wenn sie schon einen Roman schreiben, der Sprengpotenzial bietet, dann machen sie es richtig, werden sich W. Michael Gear und Kathleen O'Neal Gear gesagt haben, als sie sich dazu entschlossen, »Das Ende aller Tage« zu verfassen. Klimakatastrophe und Glaubenskämpfe, beide Themen bieten genug Material, um mit ihnen, völlig unabhängig voneinander, Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Bücher zu füllen. Und nicht nur irgendwelche beliebigen Bücher. Nein, sondern Bücher, welche die Leser bei ihren Ängsten packen, welche ihnen grausame, furchtbar realistische erscheinende Geschichten erzählen, die ihnen mehr und kältere Schauer über den Rücken jagen, als es der finsterste Horrorthriller zu tun vermag. Romane wie Douglas Prestons »Credo« oder Ulrich Hefners »Die dritte Ebene« zeigen, dass sowohl das Thema Glaubenskämpfe als auch das Thema Klimawandel sich hervorragend dazu eignen, es den Lesern Angst und Bange werden zu lassen.
Mit »Das Ende aller Tage« gehen Gear & Gear einen Schritt weiter und vereinen beide Themen in einem einzigen Roman. Das Ergebnis ist ein erschreckender Thriller, dessen Plot durchaus in der Lage ist, einem so manchen Alptraum zu bescheren.
Man nehme nur einmal die Darstellung der Klimakatastrophe und ihrer Folgen. Während viele Autoren sich hier in bombastischen Schreckensszenarien ergehen, beschränken sich Gear & Gear auf eine recht nüchterne und vielfach sehr knapp gehaltene Darlegung von Fakten. Ausführliche Beschreibungen von Flutkatastrophen (man erinnere sich nur einmal an die atemberaubende Schilderung einer Tsunamiwelle in Frank Schätzings »Der Schwarm«) oder ähnliches fehlen vollkommen. Dennoch gehen die kurzen Passagen, in denen die Konsequenzen des Klimawandels explizit erwähnt werden, unter die Haut. Es ist gerade die Beiläufigkeit, mit welcher der Tod von Abertausenden von Menschen berichtet und schlichtweg zur Kenntnis genommen wird, der so zu schockieren versteht.
Ganz anders hingegen die Darstellung der religiösen Unruhen. Christliche Fundamentalisten, die zu Selbstmordattentätern werden und immer wieder hochrangige muslimische Religionsführer aber auch zahllose Unschuldige! mit in den Tod reißen ... Das kommt einem bekannt vor, Peter Brendts »Jihad« lässt grüßen. Doch was bei Brendt allenfalls spannend gewirkt hat, erzeugt bei Gear & Gear echte Gänsehaut.
Die meisten Attentate werden nur aus der Ferne geschildert, aus der Sicht von Fernsehzuschauern zum Beispiel. Immer wieder begleiten die Autoren aber einen der Selbstmörder auf seinem letzten Weg und erzählen die letzten Momente seines Lebens aus seiner Sicht. Wie es einem bei derartigen Gräueln, wie sie beschrieben werden, nicht kalt den Rücken runter laufen kann, werde ich wohl nie verstehen.
Der Kampf der Religionen ist es, der den größten Teil des Romans einnimmt. Insofern sind es gerade auch die in diesem Zusammenhang erzählten Szenen, die den größten Schrecken hervorrufen. Das Ehepaar Gear gibt sich auch reichlich Mühe, ein wahrhaft alptraumhaftes Szenario zu entwerfen. Mit ungeheurer Intensität schildern sie den zunehmenden Hass und die radikale Bereitschaft fanatischer Christen, in den heiligen Krieg zu ziehen, sowie die nicht minder radikalen Reaktionen verblendeter Moslems auf die Attentate. Die Gewalt eskaliert regelrecht. Schlussendlich kulminieren die furchtbaren Ereignisse in einem konsequenten Finale, das vielleicht nicht das Ende aller Tage darstellt, dennoch so einige unliebsame Überraschungen zu bieten hat.
Provokant? Und wie!
»Das Ende aller Tage« ist ein Thriller, der das Adjektiv provokant wahrhaft verdient hat. Selten war religiös verblendeter Hass (auf christlicher wie auch islamischer Seite!) derart intensiv, derart furchteinflößend beschrieben wie im neusten Spannungsroman von Gear & Gear.
Keine Frage, »Das Ende aller Tage« lebt von seinem rasanten und hochdramatischen Plot und der exzellent beschriebenen angespannten Atmosphäre. Die schonungslose und ungeschminkte Darstellung dieser Elemente ist so stark, dass man über die viel zu schlicht ausfallende Zeichnung der Charaktere mühelos hinwegsieht.
Aber mal ehrlich: Wen interessieren bei diesem Buch schon die Figuren? An die erinnert man sich nach der Lektüre ohnehin kaum noch. Was hingegen im Gedächtnis bleibt, sind die eindrucksvollen und bestürzenden Schreckensszenarien, die sich infolge des Klimawandels und der religiösen Streitigkeiten ergeben.
Diese Passagen sind es, die einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen und die den Roman unbedingt lesenswert machen. Starke Nerven sollte man allerdings mitbringen ...
Daten zum Buch