Racheritual
Racheritual
Baxter Kincaid ist ein großartig gelungener Charakter. Er ist alles andere als gewöhnlich. Er ist intelligent, sarkastisch und immer noch davon überzeugt, dass das Gute gewinnen kann. Allerdings ist er nicht mehr der Meinung, dass dies unbedingt auf dem legalen Weg geschehen kann. Kleine Abwege sind für ihn inzwischen ein probates Mittel der Wahl, immer zum Wohle seiner Klienten, denen er ihr Recht verschaffen möchte.
An seiner Seite steht eine "Außenseitertruppe", bestehend aus Corin Campbell, Kincaids Partnerin, eine echte Ein-Frau-Armee, seinem Mann für IT und Sicherheit, einem Fotografen, seinem alten Polizeikollegen Terry, der inzwischen Priester geworden ist, und einer FBI-Agentin namens Isadora Davis, die den Auftrag hat, ein sehr sorgfältiges Auge auf Kincaid zu haben.
Ihr Ziel ist klar: Sie wollen beweisen, dass Steinar Hagen keineswegs unschuldig ist, ebenso wenig sein Sohn Magni.
Unterdessen verfolgen diese ihre eigene Agenda, und es ist keineswegs klar, dass alle aus Kincaids Kreis auch den Tag überleben werden.
"Racheritual" ist der erste Thriller von Ethan Cross, den ich gelesen habe, und ich fühlte mich sehr gut unterhalten. Es ist klar, dass Kincaid leiden wird - und überleben, denn er ist als der neue Ermittler von Ethan Cross für mehr als nur einen Band vorgesehen.
Gerade diese elementaren Widersprüche zwischen den beiden Gruppen haben mich sehr beeindruckt: Da sind zum einen jene die Steinar Hagen nachfolgen, und dessen mythologischer Bindung zu den nordischen Gottheiten und der "Lehre" von der unbeugsamen Härte und der Überlegenheit gegenüber den anderen. Und zum anderen jene, die Hagen als Gutmenschen betrachtet, die an eine höhere Gerechtigkeit glauben, an Menschlichkeit, repräsentiert vor allem natürlich durch Kincaid und in der Person von Terry, Baxters ehemaligem Kollegen bei der Polizei.
Dies wird an vielen Stellen deutlich, nicht zuletzt in der Szene, als Magni seinem Bruder Modi seine Sicht der Welt erklärt: "Warum sollte ich es nicht genießen. der Stärkste im Raum zu sein? Warum sollte ich meine Überlegenheit nicht feier? Weil das jemandes Gefühle verletzen könnte? Weil irgendwer empört sein könnte? Du und all die anderen schwachen Mitglieder dieser Gesellschaft, ihr scheint zu glauben, ihr hättet etwas verdient.2 Dass ihr nur, weil ihr auf der Welt sein, Respekt verdient hättet. (...) Diese Welt ist durch und durch schwach geworden.(...) Wenn ich mich umsehe, sehe ich lediglich einen Haufen Weicheier. Einen Haufen Idioten, die nur darauf warten, dass ich sie ausnehme." (...) "Und eins dieser Rechte besagt, dass der Stärkere sich am Schwächeren bedient. Vergiss Gerechtigkeit, Modi, vergiss Rechtschaffenheit. (...) Es gilt allein das, womit man davonkommt. Und wenn du der Stärkste bist, kommst du mit allem davon."
Dies erinnert mich sehr an vieles, was in Gesellschaft und Geschäftswelt passiert - nicht erst seit heute, aber besonders seit einigen Monaten. Das Recht des Stärkeren ist inzwischen offen durchsetzbar, man muss dies nicht "im Geheimen" tun, sondern man kann sich damit brüsten, dass man eben nicht "woke" ist - wobei dieses Wort sich wunderbar dafür eignet, alles in ihm zu verstecken, das man als schwach und weich empfindet. Und nein, Ethan Cross benutzt dieses Wort natürlich nicht, das es geht nicht um die Darstellung der Verschiebungen, die innerhalb der Gesellschaften stattfinden.
Ich kann diesen Roman nur empfehlen, es ist gute Unterhaltung mit der "notwendigen Prise" an Gewalt und Verbrechen, die ein Thriller braucht, ich kann ihn mir gut verfilmt vorstellen und bin gespannt, wie es Ethan Cross gelingt, in den folgenden Bänden Baxter Kincaid und seine Gruppe zu gestalten.