40 Jahre Tatort: Günter Lamprecht
Günter Lamprecht
„Ich wurde in den letzen Kriegstagen in Berlin als Hilfssanitäter gezogen. Zu zweit sind wir mit einer Trage durch die Trümmer und haben verletzte Soldaten ins Lazarett geschleppt. Und die Verstorbenen haben wir vom Lazarett in die Bombentrichter getragen und abgelegt. Das waren grausame Bilder von Wunden und Verstümmelungen, die man als 15-Jähriger nicht so leicht verarbeitet. Ganz zum Schluss wurde ich dann noch angeschossen. Zum Glück nur ein Streifschuss, der war schnell versorgt, kein großes Problem, auch wenn das Erlebnis viele Jahre später wieder an Bedeutung gewann.“ (1)
Mit 16 Jahren begann er eine Lehre als Orthopädiemechaniker. Doch Boxen war da schon eher das Ding für den jungen Lamprecht.
„Mit 19 bin ich Boxer geworden. Da habe ich alles aus mir rausgehauen. Ich war ganz gut, sollte Profi werden, mit Bubi Scholz habe ich trainiert. Dann hatte ich schon einen Termin in der HNO-Klinik, um mir vorsorglich das Nasenbein entfernen zu lassen. Da habe ich es dann doch sein gelassen.“ (2)
Schließlich entschied sich Günter Lamprecht dazu Schauspieler zu werden und begann Schauspielunterricht bei Elsa Bongers zu nehmen.
„Ich erinnere mich vor allem noch an das Vorsprechen, das ja gewissermaßen auch meine erste Stunde bei Else Bongers war. Ich kam mittags nach der Arbeit hin, sie fragte mich, was ich vorsprechen wolle, und ich war natürlich völlig verwirrt: "Wieso ,vorsprechen´? Ick bin doch da" (lacht). Ich hatte nicht gewusst, dass ich einen Text hätte vorbereiten sollen. Ich saß da völlig naiv als Orthopädiemechaniker, mit der Aktentasche auf dem Schoß. Sie hat mir den Ruprecht aus dem "Zerbrochenen Krug" von Kleist zum Lernen aufgegeben und damit haben wir dann in der nächsten Stunde angefangen. Offenbar habe ich mich dabei erstaunlicherweise nicht mal so doof angestellt. Ich habe den Text des Ruprechts nicht nur aufgesagt, sondern habe ihn zum Teil schon gestaltet, auch mit Pausen. Ein gewisses Talent war also schon vorhanden. Das hat Else Bongers dann bestätigt und sie war wohl auch sehr gerührt über diesen Proletarier, der da bei ihr im Wohnzimmer stand und plötzlich Kleist sprach. Ich glaube, das war sehr aufregend für sie, und vielleicht hat sie sogar ein bisschen damit kokettiert, dass sie so einen Bengel von der Straße als Schüler hatte.“ (3)
Nach erfolgreichen Unterrichtsstunden bei Else Bongers folgte eine Ausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Sein erstes Engagement erhielt Günter Lamprecht 1955 am Schauspielhaus Bochum. Danach wechselt er von 1959 bis 1961 zum Theater Oberhausen. Weitere Stationen seiner Bühnenkarriere waren Wiesbaden, Gelsenkirchen, Köln, Hamburg, Essen sowie Heidelberg.
1960 gab Günter Lamprecht in DIE BRÜCKE DES SCHICKSALS sein Filmdebüt. Vier Jahre später folgte in QUARANTÄNE, einer Folge der Serie HAFENPOLIZEI, sein TV-Debüt.
Ab den 1968er Jahren wechselt der Schauspieler zum Fernsehen, wo er oft in schwierigen und anspruchsvollen Rollen zu sehen war, so u. a. auch in der Rolle eines Trinker in RÜCKFÄLLE (1977), für die er 1978 die GOLDENE KAMERA erhielt.
1976 erhielt er zudem für seine Rolle in DAS BROT DES BÄCKERS den ERNST-LUBITSCH-PREIS.
„Ich liebe die Recherche. Nach Erwin Keuschs Filmdebut "Das Brot des Bäckers", das ja mittlerweile wirklich zu einem Kultfilm geworden ist und in dem ich einen Bäckermeister gespielt habe, haben mich viele echte Bäcker gefragt, ob ich einmal in diesem Beruf gearbeitet hätte, die Handgriffe wären allesamt so überzeugend gewesen. Das war das größte Lob, das man mir machen konnte. Ich war natürlich nie Bäcker, habe aber die drei Wochen vor Drehbeginn mit den Schauspielerkollegen Bernd Tauber und Manfred Seipold in einer echten Backstube gearbeitet. Wir sind morgens um drei Uhr im Hotel aufgestanden, standen bis mittags, Punkt zwölf Uhr in der Backstube. Dann haben wir noch gefegt und sind zusammen mit den echten Bäckern zum Weißwurstessen gegangen. Durch diese drei Wochen Arbeit waren wir mit dem Bäckerberuf richtig vertraut. Und es kam noch hinzu, dass wir den Film auch im selben Raum gedreht haben, in dem wir geprobt hatten. Die gesamten Handgriffe waren schon geübt, sodass sie authentisch wurden. Für so etwas ist heutzutage bei Filmproduktionen leider nur noch wenig Zeit.“ (4)
1980 gelang Günter Lamprecht mit der Rolle des FRANZ BIBERKOPF in „BERLIN ALEXANDERPLATZ“ der endgültige Durchbruch als Schauspieler.
Von 1991 bis 1995 war Lamprecht u. a. acht Mal als KOMMISSAR MARKOWITZ im TATORT zusehen bis er schließlich aufgrund ständiger Querelen mit dem Sender SFB das Handtuch warf.
„Der SFB-Intendant Schättle nannte die Fernsehspielabteilung Spielwarenabteilung, der hatte überhaupt keinen Sinn dafür. Aber unsere Quoten waren immer gut. Damit konnte ich immer auftrumpfen, wenn ich was durchsetzen wollte. Und dann bekam ich für den Markowitz auch noch den Verdienstorden der Stadt Berlin. Mir bedeuten Orden ja nichts, aber ich ging schon deshalb hin, um den Sender eins auszuwischen. Am Ende wollten sie dann nur noch auf Video drehen. Da sagte ich: Nicht mit mir. Sie haben dann ganz schnell den Winne Glatzeder engagiert, der hat das dann ausbaden müssen. Aber ich hatte ja alle Rechte an der Figur. Auch ohne "Tatort". Ich habe den Markowitz dann noch in zwei Theaterstücken auf Tournee geschickt.“ (5)
Für die Rolle des Tatort-Kommissar erhielt er 1994 den GOLDENEN GONG, 1995 den VERDIENSTORDEN DES LANDES BERLIN sowie 2000 die GOLDENE KAMERA.
Doch Kommissar Markowitz war nicht die erste Rolle des Schauspielers im TATORT. Bereis 1970 spielte Günter Lamprecht als junger Mann TAXI NACH LEIPZIG, dem allerersten TATORT, mit.
Weitere Filme der Krimi-Reihe, in der Lamprecht zu sehen war, waren u. a. KRESSIN UND DIE ZWEI DAMEN AUS JADE (1973), KURZSCHLUSS (1975) oder SCHATTENBOXEN (1981).
Für viele der heutige Kommissars-Kollegen bzw. -Kolleginnen hat Günter Lamprecht allerdings nicht viel übrig.
"Das ist oft so lächerlich, was da passiert. Die jungen Kolleginnen, die in knallengen Jeans und mit Ballermann herumlaufen und ermitteln. Da muss ich immer lachen, das ist so weit weg von der Wirklichkeit" (6)
Zudem vertritt Lamprecht die Meinung, dass gerade in der Schauspielerbranche mittlerweile zu viele Scharlatane, Klugscheißer und Grünschnäbel ohne einen Funken Lebenserfahrung unterwegs seien.
„Es macht sich zunehmend eine Oberflächlichkeit breit, die in den letzten zehn Jahren mit dem Quotenbewusstsein regelrecht herangezüchtet wurde und die sich auch auf die Schauspieler überträgt. Die Qualität schwindet, der Profit steht zunehmend im Vordergrund, jeder macht mit. Im Grunde machen sich mittlerweile alle schuldig. Wenn man - so wie ich - aus der Reihe tanzt und die Dinge benennt, die einen ärgern, dann wird man sehr schnell als schwarzes Schaf abgestempelt und wird einfach nicht mehr besetzt. Oder es gibt Gerüchte nach dem Motto: "Den brauchst du erst gar nicht anzurufen, der ist unbequem und meckert nur. Der ist schwierig." (7)
1999 wurden Lamprecht und seine Lebensgefährtin Claudia von einem Amokläufer in Bad Reichenhall schwer verletzt.
„Da traf mich eine Kugel aus einem Colt in den Oberarm. Ich stürzte, und Claudia sprang aus dem Wagen, um mir zu helfen. Sie erlitt einen Körperdurchschuss. Wir lagen dann eine dreiviertel Stunde auf der Straße und wurden weiterhin beschossen. Ich wurde sechs Mal in die Arme getroffen. Dann habe ich gesehen, wie das Blut aus Claudias Bauch schoss. Und keiner hat uns geholfen. Ich habe wie ein Verrückter geschrieen: 'Hört doch auf zu schießen, ihr Schweine! Meine Frau verblutet hier. Hört auf!' Danach wurde nicht mehr geschossen. Und als ich wieder nach Hilfe gebrüllt habe, da ist ein tapferer DRK-Mann mit dem Krankenwagen zwischen uns und den Schützen gefahren, hat sich rausgerollt, uns versorgt und so das Leben gerettet.“ (8)
2002 veröffentlichte der Schauspieler mit UND WEHMÜTIG BIN ICH IMMER NOCH (worin er seine Erlebnisse während der Zeit des Nationalsozialismus und in den Nachkriegsjahren erzählt) sowie 2007 mit EIN HÖLLISCHES DING seine beiden Autobiographien im Verlag Kiepenheuer & Witsch.
2007 war Günter Lamprecht in dem Film DER FÄHRMEISTER zu sehen 2013 war ein Wir in seiner bisher letzten Rolle zu sehen.
(1) Günter Lamprecht
(2) Günter Lamprecht
(3) Günter Lamprecht
(4) Günter Lamprecht
(5) Günter Lamprecht
(6) Günter Lamprecht
(7) Günter Lamprecht
(8) Günter Lamprecht
© by Ingo Löchel