Verrückte im Taxi und heulende Wölfe in Sachsen - Über die fast maßlose Enttäuschung des Jubiläums-Tatort
Verrückte im Taxi und heulende Wölfe in Sachsen
Über die fast maßlose Enttäuschung des Jubiläums-Tatort
Der hat gerade erfahren, dass die Liebe seines Lebens morgen seinen Todfeind heiraten wird. Es ist keine gute Idee, diesen Mann zu provozieren. Affeld tut es trotzdem. Kurze Zeit später ist er tot. Borowski und Lindholm sitzen gefesselt auf der Rückbank. Und so unterschiedlich sie die Situation einschätzen, in einem Punkt sind sie sich einig. Wenn sie den Fahrer nicht stoppen, werden sie sterben. (1)
Ein Polizeiseminar irgendwo in Niedersachsen, wahrscheinlich im Kreis Braunschweig. So jedenfalls lässt es das Nummernschild des Taxis vermuten. Hier versammeln sich viele Kriminalbeamte um zu lehren und zu lernen. Auch Charlotte Lindholm ist dabei. Und ein Kieler Kripobeamter namens Borowski. Beide haben sich zuvor nie gesehen. Eigentlich ein schöner Ausgangspunkt für ein Croosover der beiden NDR-Ermittler.
Im Kreise der Akademie-Gäste befindet sich auch ein weiteres bekanntes Gesicht. Die Schauspielerin Karin Anselm lauscht den Reden der Dozenten. Und auch Günter Lamprecht hört zu.
Ob es sich bei den beiden um die ehemaligen Tatort-Komissare Wiegand und Markowitz handelt, wird ein Geheimnis bleiben. In der Besetzungsliste des 1000. Tatort sind sie als Gäste gelistet.
Wie so oft wird dem Zuschauer überlassen, wer etwas darstellen soll und wie eine Geschichte im Detail auszusehen hat. Eine Unsitte, die man beim Tatort seit einigen Jahren beobachtet. Die Storys müssen anscheinend nicht logisch sein, nur intelligent. Welcher Schelm hört da denn einen Widerspruch?
Tatort-Krimis sind mitunter spannend - keine Frage. Sie unterhalten auch nicht selten - doch Logiklöcher strotzen überall. Und das bei einer Qualitätsmarke - oder zumnidest einer solchen, die selbiges von sich behauptet.
Als geübter Zuseher sieht es für mich stark danach aus, als wollen die Autoren ihre Geschichten einfach nur zum Abschluss bringen. Im Vorlauf legen sie so viele falsche Fährten und die Geschichte wird durch 1000 Wendungen so undurchsichtig gemacht, dass Ihnen offenbar am Ende selbst der Zugang zu Logik fehlt. Also sei es drum. Lassen wir eben noch den und den über die Klinge springen, was solls. Der Zuschauer wird es schon irgendwie annehmen und am kommenden Sonntag dem Tatort eine neue Chance geben. Vielleicht wird der ja besser.
Doch kehren wir einmal zurück zum aktuellen Tatort, der ja bekanntlich ein Jubiläum darstellen sollte. So ganz erschließt sich da dem Zuschauer nicht, was den Besonderes an dem Fall ist, um ausgerechnet als Jubiläum herzuhalten?
Es ist ein Crossover zweier Ermittler aus unterschiedlichen Regionen. Okay, aber das gabs schon mehrfach. Bereits Kommissar Haferkamp holte sich seinerzeit Amtshilfe von Veigl aus Bayern oder Frau Buchmüller aus Frankfurt. Und sogar Schimanski ermittelte einsweilen gemeinsam mit den ehemaligen Polizeiruf-Kommissaren aus Sachsen. Und die Kölner Ballauf und Schenk taten sich schon in jüngster Vergangenheit mit den Leipzigern zusammen. Das sind aber nur wenige Beispiele. Auch das die Folge "Taxi nach Leipzig" heißt, macht es zwar interessant, aber es ist auch nicht besonders. Viele Folgen der Reihe hatten bereits den gleichen Titel. Was bleibt ist die verworrene und konstruierte Handlung, die nur stellenweise Spannung erzeugt. Wieder eine Gemeinsamkeit mit vielen Folgen. Deswegen ist auch der 1000. Tatort in meinen Augen ein ganz gewöhnlicher und ein ganz schlechter zugleich.
Der Ex-Soldat hinter dem Steuer wird von Florian Bartholomäi gespielt, allerdings wenig überzeugend ist. Maria Furtwängler und Axel Milberg spielen routiniert, aber man merkt Ihnen zeitweise auch an, dass sie zu hoffen scheinen, diese Dreharbeiten mögen bald vorüber sein. Zum Teil spielen sie sehr gelangweilt auf und der Dialogton ist ungewohnt leise. Einige Szenen überzeugen. Wie etwa die Erzählung aus verschiedenen Sichtweisen und die Gedanken der Protagonisten aus dem Off gesprochen, sowie die Slow-Motion-Einsätze. Doch die drei im Taxi benehmen sich ziemlich unglaubwürdig und verrückt. Dazu kommt dann die Szene im Wald nahe Leipzig, wo dem Zuschauer weiß gemacht werden soll, dass es dort Wölfe gibt, die Menschen sehr nahe kommen. Rotkäppchen lässt grüßen. Die Krönung des Ganzen jedoch ist das Ende, wo ein Bodyquard (Achtung Spoiler) auf seinen eigenen Schützling schießt und keiner weiß warum. Toll gemacht. Ohne diesem Ende hätte ich dem Tatort wenigstens noch etwas angewinnen könen, aber ansosnten...? (Spoiler Ende).
Alexander Adolph ist ein sehr erfolgreicher Autor der Reihe, der u.a. den "best case ever"-Fall "Der Spezialist" zu Papier brachte und der den den internationalen Hörspielpreis U.R.T.I. (Grand Prix de la Radio) einheimste. Sicher nicht zu Unrecht. Auch viele andere Fernsehkrimis schrieb er.
Dennoch, ich wollte früher abschalten, habe dann aber diesem Artikel zuliebe durchgehalten. Und was sagt das Netz zum 1000.? Nun die Meinungen sind gespalten. Und Sätze wie "Schimanski hätte das Taxi schon kurz hinter Braunschweig wieder verlassen" witzelten das Ganze etwas ab. Und in der Tat. Streckenweise ist dieser Tatort eher eine Persiflage auf sich selbst, und wenn man es so sieht, dann ist diese Folge auch noch okay. Schließlich bleibt der Tatort irgendwo auch ein Feld für Experimente.
(1)= tatort-fundus.de
Kommentare
Den Tatort habe ich allerdings nicht gesehen. Da sehe ich nur noch sporadisch rein.