Mythos und Wahrheit über deutsche TV-Krimis
Mythos und Wahrheit über deutsche TV-Krimis
Erst nach und nach gesellten sich Streifenpolizisten und später auch Kripobeamte hinzu.
Im TV beschränkte man sich zunächst auf die Umsetzung klassischer Kriminalstoffe, z.B. von Agatha Christie, Francis Durbridge oder Edgar Wallace. Erst in den Sechsziger Jahren wurde der selbst erfundene deutsche Kripobeamte eingeführt. Doch dazu weiter unten mehr. Ich verweise auch gern auf meine Artikelserie: Der Fernsehkrimi im Wandel der Zeit.
Diesen Artikel will ich nutzen um Mythos und Wahrheit bei deutschen Krimiserien mal zusammen zu fassen. Immer wieder stoße ich auf falsche Behauptungen und Unwissenheit in Bezug auf Fernsehkrimis, die seit den späten 60er Jahren laufen. Dazu gehören nicht nur Behauptungen oder Annahmen im Kreise mehr oder weniger kundiger Krimifans - nein auch die Presse und die Kritiker reden oft falsch Zeugnis über TV-Kommissare oder deren Werdegang, nur weil es gerade in den aktuellen Bericht hinein passt.
Hier nun also die häufigsten Irrungen.
Stimmt zwar aber: Das Wort "Scheiße" und ähnliche Kraftausdrücke benutzen bereits vor ihm andere TV-Kommissare. Das frühe Team der "SOKO 5113" (ab 1978) um Werner Kreindl als Göttmann benutzte das Wort weit häufiger als man meinen möchte. Und zwar bereits in den ersten Folgen. Haferkamp nutzte das Wort bereits ab 1974 in seinen Tatort-Fällen.
Willy Kreutzer (Willy Semmelrogge) benutze gar den Ausruf "Diese Arschlcöher" in Haferkamps Tatort-Einstand "Acht Jahre später" (1974). Und Derrick bezeichnete Mörder jeder Coleur gern mal als "Schweine" (auch ab 1974). Schimanski wurde aufgrund der medialen Aufmerksamkeit allerdings ausgeschlachtet und besonders beachtet. Deswegen kann man schon mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Wort im TV salonfähig wurde.
Ein hartnäckiges Gerücht, welches nicht der Wahrheit entspricht. Wahrscheinlich hängt die Hartnäckigkeit dieses Gerüchtes damit zusammen, dass bei beiden Serien Herbert Reinecker ausschließlich die Drehbücher schrieb und der Assistent Harry Klein (Fritz Wepper) in beiden Reihen auftaucht. Doch Derrick wurde 1974 gestartet. Der Kommissar lief erst 1976 aus. Beide Serien liefen also weit über ein Jahr parallel. Außerdem lief Derrick zu Beginn (Folge 1-39) noch am Sonntagabend, der Kommissar hingegen freitags.
Erst nachdem Der Kommissar mit Folge 97 in Rente ging, entwickelte man eine neue Krimiserie. Das war "Der Alte". Sie wurde ebenfalls von Helmut Ringelmann produziert und startete am Ostermontag 1977. Der Alte war der offizielle Kommissar-Nachfolger. Erik Ode hatte sogar in sofern an der Reihe mitgewirkt, in dem er Michael Ande als Darsteller des Assistenten von Köster (Siegfried Lowitz) auswählte.
Stimmt nicht ganz. Götz George zählte bei Dientsantritt zu den jüngeren Kommissaren (43 Jahre), war aber fast gleichaltrig mit Hansjörg Felmy als dieser in den Dienst trat. Übrigens war er sein direkter Vorgänger. Auch die Kommissar-Darsteller Nicole Heesters, Knut Hinz und Diether Krebs waren vor Schimanski dran und wenige Jahre jünger.
Das trifft auf eine Vielzahl von Derrick-Folgen zu. Besonders in den späten Jahren. Aber gerade in der Anfangszeit war es oft anders. In den Folgen 1-39 gab es teilweise recht raue Szenen und einen barscheren Umgangston. Auch das Gerücht, dass es keine Gewalt- und Mordszenen gab, trifft nicht auf alle Folgen zu.
Sehr falsch. Es gab viele andere, aber kurzlebige Krimiserien. In den meisten ermittelten aber Polizeistreifen oder Detektive. Allerdings war die Serie "Kommissar Freytag" schon sehr nahe am Kommissar und lief ein paar Jahre zuvor.
Der Grund war ein anderer. Herr George hat keine Lust mehr auf die Rolle.
Stimmt genau.
Das war mal richtig, stimmt aber längst nicht mehr. Mit 281 Folgen hat er zwar nach Wilfried Klaus (SOKO 5113) die meisten Fälle bearbeitet, aber Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist am Tatort Ludwigshafen inzwischen viel länger im Einsatz. Seit 1989. Die Münchner Tatort-Kommissare (Batic und Leitmeyr) übertrumpfen Derrick inzwischen auch, obwohl sie ihren Dienst erst 1991 aufgenommen haben - also 7 Jahre vor Derricks Aus. Wilfried Klaus ermittelte bei der SOKO in 390 Folgen. Allerdings war er von seinen 30 Dienstjahren in den ersten 15 Jahren nicht der Chef der Soko.
Mit 281 Derrick-Folgen und seinen Kommissars-Folgen kommt er auf 347 Fälle. Theo Renner (Michel Guillaume) ermittelte bei der SOKO München aber in 476 Fällen bis 2017 und hat diesen Rekord längst eingestellt. Michael Ande beendete seine Dienstzeit beim Alten allerdings auch mit einem Rekord, der Harry Klein überflügelte. Für ihn waren es über 401 Einsätze.
Stimmt genau. Zumindest in dem Wortlaut. Derrick sagt in Folge 2 aber einmal "Harry, wir brauchen den Wagen - sofort." Damit meinte er aber nicht seinen Dienstwagen, sondern das Auto eines Tatverdächtigen um Spuren darin zu sichern.
Das behaupten in der Tat einige Artikel der Presse. Doch Columbo ermittelte bereits 1968 im Trenchcoat, während Haferkamp (Hansjörg Felmy) seinen ersten Tatort-Einsatz 1974 hatte. Außerdem war sein Trenchcoat immer glatt gebügelt.
Falsch. Sein Vor-Vorgänger Kressin (Sieghard Rupp) war auch kein Waisenknabe in der Angelegenheit. Und selbst Derrick und Haferkamp hatten in den ersten Folgen (wenn auch nur andeutungsweise), Frauengeschichten.
Kommentare
Dass Wepper aufgrund seiner bereits erwobenen Popularität zu Derrick wechselte ist klar. Und der Kommissar war ein Auslaufprodukt. Generell wollte man mit Derrick einen Gegenpol zum Kommissar, daher auch das Howcatchem-Prinzip. Beim Kommissar waren es immer Whodunits. Und man wollte sich wahrscheinlich nicht selbst Konkurrenz im eigenen Haus machen. Als der Kommissar weg war, wurde wohl für Derrick auch der Weg für Whodunits frei. Abgesehen davon das diese "Täter ist bekannt"-Variante dem Zuschauer nicht schmeckte.
Der Alte war wieder etwas völlig anderes - jedenfalls unter Lowitz und sollte den Krimi revolutonieren. Weg vom Kommissar und Spießbürgertum hin zum Gangsterkrimi oder Krimi-Mix. Insofern war sicher gefühlt Derrick eher ein Kommissars-Nachfolger - das stimmt. Aber der Alte war das erdachte Nachfolge-Konzept.
Lowitz schleust sich als vermeintlicher Gangster in eine Bande ein. In seiner Lederjacke kommt er auch glaubhaft rüber. Zudem gibt es in dieser Folge viele Außenaufnahmen. Und ne Menge deutscher Schlitten aus den 70er Jahren, bei denen die Macher von French Connection oder Bullit wohl auch ins Schwärmen gekommen wären. Dieser rauhe Charme wurde aber wohl nach und nach verwässert.
Andere Autoren haben jedoch eher klassische Krimis dazu geschrieben was sich mehr und mehr durchsetzte.
Das xy bereits 75 umgestellt wurde wusste ich nicht. Ich dachte es wär auch 76 gewesen.
Ich habe die Folgen nicht in der Erstausstrahlung gesehen, erst Jahre später, aber ich habe mich immer gefragt, welchen Eindruck „Der Kommissar“ beim Rezipienten der frühen 70 er wohl gemacht hat.
Da waren revolutionäre Ideen im Spiel. Das war beinahe ein Vorläufer von Quentin Tarantino.
Ich erinnere mich hier an eine Folge, in der Erik Ode und sein Ermittler Team in einer typischen deutschen Gaststätte der damaligen Zeit an verschiedenen Tischen Platz nehmen.
Einer der Ermittler ( eventuell der Kommissar selbst) wirft eine Münze in die Juke Box......Johnny Cash erklingt....und alle Ermittler ( von ihren unterschiedlichen Tischen aus) versuchen, den Verdächtigen an der Theke „ zu Tode zu stieren „. Überhaupt hatte der Kommissar immer einen abwechslungsreichen „Score“. Wie gesagt, ähnlich Tarantino, der auf Musik in seinen Filmen einen „speziellen“ Wert legt.
Aber: Ode bzw. der Kommissar war ein Macho....man siehe seinen Umgang mit der Sekretärin „Rehlein“.
Und der Kerl hat wohl die meisten Schnäpse in einer Serie getrunken. Eigentlich dauernd.
Kommissar Freitag hingegen ist der autoritäre Chef, wie er im Buche steht. Na ja, man kann sich ausrechnen, in welcher Zeit dieser Kommissar Freitag seine Ausbildung zum Polizisten gemacht hat.....
Derzeit habe ich keinen Zugriff auf dieses Buch. Bei Wikipedia ist es unter Derrick nicht aufgeführt. Eventuell kann ein Leser ( G. Walt ?) den Titel nennen......auch Ode, Freitag etc. werden behandelt. Oder ich finde das Buch beizeiten.........PS. Es ist kein Fan-Buch.
www.amazon.de/Reineckerland-Schriftsteller-Reinecker-Rolf-Aurich/dp/3869160683
Reineckerland ist es definitiv nicht.
Melde mich, wenn das Teil aufgetaucht ist.
@Heizer: Wäre cool.