Fernsehkrimis im Wandel der Zeit: Quo Vadis Tatort - Logik und Dramaturgie passen nicht zusammen
Quo Vadis Tatort
Logik und Dramaturgie passen nicht zusammen
Bereits in den Siebziger Jahren entstand diese Machart. Damals hatte man die einmalige Gelegenheit den US-amerikanischen Regisseur Samuel Fuller für einen TATORT zugewinnen, als dieser in Deutschland weilte. Man machte ihm allerhand Zugeständnisse und er durfte auch am Drehbuch feilen. Opfer war ein TATORT des WDR mit dem damaligen Ermittler Kressin (Sieghard Rupp). Der allein schon bizarr anmutende Titel "Tote Taube in der Beethovenstraße" lies nichts Gutes ahnen. Das Ergebnis war in der Tat ungewöhnlich. Sieghard Rupps Kressin verkam zur Nebenrolle. Fuller brachte seinen eigenen Hauptdarsteller mit. Glenn Corbett mimte den Agenten Sandy. Es gab ausnahmsweise eine komplette Synchronfassung für diesen TATORT, da er auf Englisch inszeniert wurde. Es gab auch zwei Varianten. Eine hatte die Laufzeit von 103 Minuten, eine andere nur 98 Minuten. Die um fünf Minuten gekürzte Fassung ist eine überarbeitete, die bei Wiederholungen heute noch verwendet wird.
Der Krimi wirkte auf die Zuschauer und Kritiker damals verstörend. Die Handlung sei schlecht nachvollziehbar hieß es. Heute sieht man diesen TATORT als Kult an und ordnet ihn als formales Experiment ein.
Der darauffolgende TATORT hieß dann vielleicht nicht ohne Grund "Ein ganz gewöhnlicher Mord". Der wurde von Dieter Wedel inszeniert und stimmte die Zuschauer wieder versöhnlich.
Im TATORT konnte man sich derlei Experimente sehr wohl leisten, weil man nicht auf einen einzigen Ermittler angewiesen war. Man konnte durchaus auch einmalige Ermittler hinzuziehen. Das Konzept des TATORT machte das möglich. Etwas hinderlich war damals allerdings die Erscheinungsweise. Wird der TATORT heute fast wöchentlich ausgestrahlt, hatte man damals einen Turnus von 3-4 Wochen pro neuer Folge.
1981 erschien der erste Schimanski-Tatort mit dem Titel "Duisburg-Ruhrort". Auch dies ein Experiment. Allerdings eines, was aufgrund des Darstellers George aufging.
"Ich spiele den Kommissar nur, wenn ich mehr Verbrecher als Kommissar sein darf", soll Götz George damals in etwa gesagt haben. Uns so kam es wie es kommen musste. Man machte dem Darsteller einige Zugeständnisse.
Hansjörg Felmy war seinerzeit als quotenträchtiger Kommissar Haferkamp abgesprungen, weil ihm die Drehbücher immer schlechter wurden. Schon während seiner Zeit mussten Drehbücher ihm zu Liebe immer wieder umgeschrieben werden, da er sonst drohte abzuspringen. Auch mitten im Dreh. Nicht umsonst wurde die TATORT-Folge "Der Zeuge" 1989 umbesetzt. Statt Felmy ermittelte Jörg Hube. Und im allerletzten Beitrag der Felmy-Ära, nämlich "Herzjagd" (1990) sprang Felmy kurzfristig ebenfalls ab. Sein Assistent Kreuzer (Willy Semmelrogge) musste allein ran.
Ähnlich erging es Boris Aljinovic 2014 als Ermittler Stark, der in der letzten Folge auf seinen langjährigen Chef Ritter (Dominik Raacke) verzichten musste - wenn auch aus anderen Gründen.
Es kommt jedoch immer wieder vor, das TATORT-Kommissare abspringen, weil die Drehbücher nicht mehr Ihren Vorstellungen eines guten Krimis entsprechen. Zuletzt war dies bei Andreas Hoppe der Fall. Über zwanzig Jahre lang ermittelte er an der Seite von Lena Odenthal in Ludwigshafen. 2017 stieg er aus. In dem 2018 gesendeten TATORT "Kopper" feiert er seinen Abschied. Eine Geschichte die ganz auf ihn zugeschnitten war. Aber auch eine Episode die an fehlender Glaubwürdigkeit und Logik zu leiden hatte. Wie in vielen Krimis fehlen heute zugkräftige Schauspieler, die ihren Beruf von der Pike auf lernten. Damals kamen die fast alle vom Theater. Sie wurde von der Bühne weg gecastet. Ob das Hansjörg Felmy war, ein Horst Tappert, ein Siegfried Lowitz, ein Herr Ode oder auch jeder Gastdarsteller. Heute sind viele Darsteller am Werke denen man (vor allem bei Nebenrollen) ihre Talentlosigkeit nur allzu offensichtlich anmerkt. Sie müssen nur zwei Sätze sprechen, die man nicht versteht (weil genuschelt) und schon vergeht einem die Lust am TATORT oder jedem anderen Krimi oder Film.
Ich lobe mir da jeden ausländischen Film in deutscher Synchronisation. Denn hier versteht man wenigstens was und im Synchronstudio sitzen die wahren Profis ihrer Zunft. Damals sah man den Darstellern ihre hohe Kunst nicht immer an. Man nahm es als selbstverständlich hin, wenn sie jedes Wort, das sie sprachen geradezu zelebrierten. Erst im Vergleich zu heute - in den schnell und rasant gedrehten Filmen, fällt dieses auf.
Gerüchte, dass Andreas Hoppe den TATORT verlassen wollte gab es schon lange. Auch Ulrike Folkerts soll schon gedroht haben auszusteigen, wenn die Drehbücher nicht langsam besser werden. Endgültiger Anlass für den Ausstieg soll aber die Folge "Babbeldatsch" gewesen sein. Der im Februar 2017 ausgestrahlte TATORT polarisierte wie kaum ein Anderer und löste in sozialen Netzwerken einen Shitstorm aus. Es war wieder ein Experiment. Der ganze Film war vom Text her improvisiert. Es gab keine geschriebenen Dialoge. Die Darsteller sollen Laien gewesen sein. Ein Umstand der gar nicht so sehr ins Gewicht gefallen wäre, bei den vielen Laien, die heute am TATORT (teils sogar als Kommissare) mitspielen. Das schauspielerische Ergebnis dürfte sogar besser gewesen sein als bei manch anderem TATORT. Denn die "Amateure" stammen vom Mundarttheater Hemshofschachtel. Allein der Dialekt in dem der Film entstand sorgte für Kritik. Eine Krimihandlung war fast nicht rauszulesen. Viele bemängelten auch den kammerspielartigen Charakter.
Heutzutage wird am TATORT allzu viel herumexperimentiert. Die Handlungen sind zum Teil unlogisch, weil ein normaler Mensch so nie handeln würde wie in machen Fällen. Nicht ansatzweise. Hinzu kommt die gehetzte Inszenierung. Nur eine Sekunde nicht aufgepasst und verpasst Wesentliches. Nebensächliches wird hingegen ausgeschlachtet. Logiklöcher gibt es viel zu viele. Man geht offenbar davon aus, dass der Zuschauer sich die Zusammenhänge selbst zusammenreimt. Dies fiel mir neulich beim Bremer TATORT "Die Rückkehr" (2015) besonders auf. Ein vor Logikfehlern und löchriger Handlung nur so strotzender Beitrag. Jeder ZDF-Krimi oder so manche Serienfolge einer "SOKO" ist da ansehnlicher. Um der Dramaturgie wegen wird gemurkst. Filmkunst sieht für mich anders aus. Schauspielkunst sowieso. Da greif ich lieber in die Konserve zu einem alten TATORT mit Haferkamp, Lutz oder Veigl. Da weiß man was man hat.
© G. Walt 2018
Kommentare
Und ich war begeistert. Der Anfang ist inspiriert von Spiel mir das Lied vom Tod ( 3 Killer am Bahnhof....ein Mann mit Koffer steigt aus dem Zug....Frozen Einstellungen ala 2 glorreiche Halunken.....). Immer wieder gibt es Shakespeare Einschübe auf einer kleinen Amateur Theaterbühne.......es endet in einem Showdown nach Art von Sam Peckinpah. Ungewöhnlich, aber gut, dieser Tatort.
Was bei den heutigen Produktionsbedingungen bei dem Massenangebot, das zu verarbeiten ist, auch kein Wunder ist. Da geht Tempo vor Qualität.
@Andreas Decker: Nun manche Synchros sind ätzend, vor allem wenn es um US-Serien geht. So reden normale Menschen normal nicht. Nicht mal in the USA.