Gelungenes Remake mit Schwächen und Längen - »Tod auf dem Nil«
Gelungenes Remake mit Schwächen und Längen
»Tod auf dem Nil«
Poirot nimmt die Ermittlungen auf und muss unter den zahlreichen anderen Verdächtigen, darunter Linnets Dienstmädchen Louise Bourget (Rose Leslie), ihr Treuhänder Andrew Katchadourian (Ali Fazal) und die berühmte Marie Van Schuyler (Jennifer Saunders), den Tätern finden… (1)
Fast logisch
Nach "Mord im Orient-Express" (2018) wagte Kenneth Branagh eine weitere Verfilmung eines Stoffes von Agatha Christie. Es erscheint fast logisch, dass die Wahl auf "Tod auf dem Nil" fiel, damit wieder auf eine Neuverfilmung.
Die Neufassung von "Mord im Orient-Express" hatte mich keineswegs abgeholt. Bei "Tod auf dem Nil" ist das etwas anders, vielleicht aber auch deshalb, weil meine Erwartungen nach der Vorerfahrung ziemlich weit unten angesiedelt waren. Im Groben beschreibt auch das Remake die Ereignisse des ersten Films von 1978. Es gibt aber ein paar kleine Unterschiede von denen nicht alle sinnvoll erscheinen.
Unterschiede
Zu Beginn gibt es die Szene, in der Simon Doyle von seiner Verlobten der reichen Linett vorgestellt wird. In dieser Szene ist Hercule Poirot bereits zugegen und wird Zeuge dieses ersten Aktes, wie er selbst sagt. In dem ersten Film von John Guillermin ist dieser erste Akt sozusagen das Vorspiel und Poirot kommt noch gar nicht vor. Somit wurde unnötigerweise ein Zufall konstruiert, der auch für den weiteren Verlauf der Handlung keinen Sinn ergibt. Aber das sei geschenkt. Die Zufälle sind damit noch nicht am Ende. Poirot begibt sich auf Nil-Kreuzfahrt und trifft in Ägypten seinen alten Freund Bouc, der auch schon in "Mord im Orient-Express" mitwirkte. Dieser Zufall ist noch einigermaßen schlüssig, denn so stößt Poirot zur Hochzeitsgesellschaft von Simon Doyle und Linett, die diese Raddampfertour arrangiert haben und zu deren Gästen auch Bouc gehört, da er mit Ihnen befreundet ist.
Die erste Stunde des Films, der immerhin 2 Stunden und 10 Minuten dauert, passiert wenig bis gar nichts weiter. Poirot erfährt von den Morddrohungen der jungen betrogenen Jacqueline, die sich ebenso unter die Gäste gemischt hat. Und man lernt die Teilnehmer der Tour ein wenig kennen, aber es bleibt zu wenig Zeit, um jeden einzelnen einschätzen zu können. Der Film setzt anders, als sein Vorbild, weniger auf die Dialoge, als vielmehr auf Szenen. Auch ein Mordanschlag auf Linett in Abu Simbel zählt noch in die erste Stunde des Films. So geht alles ziemlich schnell, man lernt die Leute im Schweinsgalopp kennen und doch hat der Film gerade wegen der ersten Stunde so seine Längen.
Als dann der Mord geschieht, kommt dann auch Tempo in den kriminologischen Teil des Films. Allerdings wird die Zeit zum Ende hin fast schon zu knapp, so dass es etwas unglaubwürdig erscheint, wie Poirot die Lösung des Falls plötzlich aus dem Ärmel zaubert. Zuvor wurde er noch von seinen Verdächtigen unter Druck gesetzt, endlich einen Täter zu liefern, während er fast verbittert wirkt, diesen nicht präsentieren zu können. Dann plötzlich erzählt er seine Geschichte ohne dass zuvor eine Annäherung an die Wahrheit bei ihm zu erkennen gewesen wäre. Im ersten Film hat man sich mehr Zeit dafür gelassen und die Auflösung wirkte an sich etwas glaubhafter, wenngleich auch dieser Film wegen der latenten Komik etwas litt. Diese fehlt hier nämlich zum Glück ganz und macht ein Drama aus der Story, denn sie ist ja auch ein solches. Eines in zwei Akten, wenn man so will. Denn ein guter Freund Poirots spielt am Ende auch ein doppeltes Spiel und wird selbst Opfer des unheimlichen Mörders.
Auch die Verfolgungsjagd Poirots auf dem Dampfer in James Bond-Manier passte nicht in das Bild des kleinen etwas komisch wirkenden Detektiven. Solche Verfolgungen mit Schießereien suche ich eher in anders gearteten Filmen, aber man wollte wohl jedem etwas bieten.
Dreharbeiten
Entgegen seinem Vorbild wirkt der Film nicht ganz so authentisch. Das liegt daran, dass es sich um einen Atelierfilm handelt. Jedenfalls zum Großteil. Die Pyramiden und Abu Simbel wurden im Studio nachgebaut, bzw. hat man diese teilweise am Computer entstehen lassen. Der Raddampfer fuhr nicht in Real auf dem Nil, sondern in einem Wassertank.(2) Das alles war ohne Frage perfekt gemacht und schön anzusehen, aber eben nicht echt. Die Originalschauplätze im Film von 1978 waren da schon ein ganz anderes Kaliber.
Schauspieler
Alle Darsteller konnten für mich überzeugen, auch wenn ich den Cast stark überladen fand, so konnte doch jede Rolle ein paar Akzente setzen. Kenneth Brangah als Poroit gewann hier etwas in meiner Gunst. Im Film zuvor fand ich ihn noch nicht akzeptabel. Auch dass man Poirot in einem Prolog eine Art Profil gab, ist an sich nicht schlecht. Dort wird eine Episode aus dem ersten Weltkrieg beschrieben, in dem er kämpfte. Dies zeichnete den eher nachdenklichen und melancholischen Poirot, der sich dann doch deutlich vom humorigen Sir Peter Ustinov abhebt. War Albert Finney in "Mord im Orient-Express" (1974) noch ein Zwischending von komischer und dramatischer Figur, ist Ustinov der eher komische und Branagh nun der eher Dramatische. Warum man diese Kriegsgeschichte allerdings ausgerechnet in diesen Film eingearbeitet hat, bleibt ein Geheimnis.
Synchronisation
Die deutsche Synchronarbeit übernahm Axel Malzacher. Poirot sprach Martin Umbach, wie schon bei "Mord im Orient-Express". Simon Doyles alias Armie Hammer sprach Sascha Rotermund.(3)
Fazit
Gelungenes Remake diesmal, wenngleich auch mit Längen und Schwächen.
Tod auf dem Nil
(1)= Filmstars
(2,3)= Wikipedia, Eintrag zum Film
(c) by author 10/22
Kommentare
Branaghs „Mord im Orient-Express” hat mich schon derart enttäuscht, dass mein Interesse am „Tod auf dem Nil” gegen Null tendiert. Ein Poirot-Film mit Action-Szenen, das passt einfach nicht. Was kommt als nächstes? Miss Marple im Emma-Peel-Stil?