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40 Jahre Tatort-Haferkamps Fälle: Lockruf

40 Jahre Tatort (und mehr)LOCKRUF

In der Nähe des Wochenendhauses der Familie Huck wird Sabine Knoop, ein junges Mädchen, erschossen aufgefunden. Im Haus entdeckt Haferkamp die Tatwaffe, ein Jagdgewehr. Haferkamp ermittelt bei den Besitzern des Wochenendhauses. Frau Huck kommt als Täterin nicht in Frage; Peter Huck, ein angesehener Architekt, hat ein einwandfreies Alibi, er war zur Tatzeit in Frankfurt. Aber Heiko, der Sohn, gerät in Verdacht. Denn er hat Sabine gekannt und hatte auch die Möglichkeit, ins Wochenendhaus hineinzukommen.


Haferkamp (Felmy) mit seiner Ex-Frau Karin Eickelbaum Doch plötzlich geschieht etwas Unerwartetes: Herr Huck stellt sich der Polizei. Er behauptet, er sei in den dreieinhalb Stunden, während der er das Hotel in Frankfurt verlassen hatte, zum Wochenendhaus gefahren und habe das Mädchen erschossen, weil er sich von ihr provoziert fühlte. Haferkamp steht vor der Situation, ein Geständnis zu haben, dem er nicht glauben kann; er möchte Peter Huck die Unschuld nachweisen. Kreutzer, Haferkamps engster Mitarbeiter, schlägt in dieser absurden Situation einen nicht ganz legalen Trick vor, den Haferkamp entschieden zurückweist. Als nun Dinge passieren, die ganz danach aussehen, als habe Kreutzer auf eigene Faust doch seinen Trick versucht, kommt es zu einer ernsthaften Verstimmung zwischen den beiden.

Die Inhaltsangabe reißt in Kürze das runter was in den letzten 55 Minuten des Films geschieht. Die ersten 35 Minuten beschäftigen sich intensiv mit der Familie Huck. Wir beobachten Vater Huck bei seinem Verhältnis mit der Geliebten, die er in der Jagdhütte zu treffen beliebt. Seiner Frau, die zuhause den Garten in Schuss hält, und das Haus, erzählt er von einer Geschäftsreise nach Frankfurt. Den Portier im Frankfurter Hotel "impft" er entsprechend. Immer wenn seine Frau telefonisch nach ihm fragt, sagt der Portier zu Frau Huck, ihr Mann werde sie zurückrufen. Dann informiert der Portier den Mann in der Jahdhütte, und dieser ruft von dort aus seine Frau zurück. Lockruf nennt das Herr Huck. So kann er ungestört dem Liebesleben mit seiner Freundin fröhnen. Heute im Handy-Zeitalter wäre so ein Umstand nicht mehr nötig. Das zeigt aber auch, dass derartige Krimis heute nicht mehr möglich sind. Krimis in denen das Telefon, und zwar das Festnetztelefon mit Wählscheibe eine entscheidene Rolle spielt. Dieses trägt nicht selten auch zum Spannungsaufbau bei.
Ferner wird das Augenmerk im Film zu Beginn auf den Sohn der Hucks gelenkt, der eine sehr junge und sehr attraktive Freundin hat, die dann eben von Frau Huck ermordet wird, weil sie diese für die Geliebte ihres Mannes hält. Das kann man ruhig verraten, weil der Mord und die Mörderin gezeigt werden. Wie (fast) immer bei Haferkamp.
Eigentlich mag ich ja solche Krimis besonders, in denen sich eine Geschichte erst langsam entwickelt und der Mord nicht sofort passiert. Hier geschieht er nach 30 Minuten. Und Haferkamp taucht erst nach 35 Minuten in der Handlung auf.  Ich sage "eigentlich" mag ich solche Fälle. Doch leider ist mir Haferkamp in ausgerechnet dieser Folge etwas zu blass. Wären da nicht seine Geistesblitze bei der Auflösung, dann wäre er fast zur Nebenfigur geworden. Letztlich tragen aber auch noch die Szenen mit seiner Ehefrau und der Streit mit Kreutzer zu einem runden Haferkamp bei.

Die Atmosphäre des Krimis stimmt auch. War auch kein Kunststück, soviel Zeit wie sich Becker mit den Szenen (besonders denen im Wald) gelassen hat.
Völlig unnütz war allerdings, dass der Sohn der Hucks, der mit seiner Freundin in der Hütte des Vaters ein Schäferstündchen abhalten wollte, alle Spuren verwischt, als er das Mädchen nach einem Einkauf tot auffindet. Er hätte ebenso die Polizei rufen können, aber das hätte den Krimi sicher stark verkürzt.
In dem Krimi ist ein enormer Sprung zwischen den Jahreszeiten zu beobachten. Die Waldszenen spielen sich bei schönsten Sonnenschein ab. Die Szenen in denen Haferkamp und Kreutzer die alte Gartenlaube des Mädchens aufsuchen spielen im tristen Wind und Regen. Und die Schlussszene schließlich findet auf einem tief verschneiten Friedhof statt. Wie ist das zu erklären? Nun wahrscheinlich schlug das Wetter damals ziemlich viele Kapriolen. Die Folge wurde vom 13. März bis 19. April gedreht. Da Schlussszenen in Filmen meist zuerst gedreht werden ist anzunehmen das im März noch Schnee lag, während es im April dann schon recht warm geworden sein mag.

Dieter Schidor (bekannt aus Derrick und Der Seewolf) spielt den Sohn. Das Mädchen wird von Sonja Jeaninne gespielt. Übrigens mit sehr freizügigen Aufnahmen,was nicht verwundert, denn sie ist eine bekannte "Schulmädchen-Report"-Darstellerin gewesen. Nicht umsonst gilt sie als eines der attraktivsten Mordopfer der TATORT-Reihe. Herbert Fleischmann und Angnes Fink spielen die Eltern. Gracia Maria Kaus ist auch wieder dabei. Die Frau von Wolfgang Becker wurde in fast allen Haferkamps unter seiner Regie besetzt. Hier spielt sie einmal mehr die Geliebte.
Eines weiteres Haferkamp-Highlight also. Trotz kleiner Schwächen, die beim genauen Betrachten auffallen.

Haferkamp - Hansjörg Felmy
Kreutzer - Willy Semmelrogge
Ingrid Haferkamp - Karin Eickelbaum
Helga Huck - Agnes Finck
Peter Huck - Herbert Fleischmann
Heiko Huck - Dieter Schidor
Simone - Gracia Maria Kaus
Sabine - Sonja Jeanine

Autor - Herbert Lichtenfeld
Regie - Wolfgang Becker
Erstsendung:  02.07.1978


 

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