Der Alte - Erwin Kösters Fälle: Folge 3 - Der Alte schlägt zweimal zu
Der Alte sollte auszeichnen, dass verschiedene Autoren die Geschichten schreiben. Ähnlich wie beim Tatort. Nur dass der Ermittler immer derselbe war. Dies führte besonders in der Anfangszeit der Reihe zu teilweise sehr unterschiedlichen Folgen mit ganz anderem Stil. Die kurioseste Folge aus dieser Zeit ist Folge 3 "Der Alte schlägt zweimal zu". Der Titel allein ist ungewöhnlich und wahrscheinlich nur eine freie Übersetzung, denn die Folge wurde fast komplett in französisch gedreht. Ebenfalls ein Kuriosum, denn dies geschah hiermit zum ersten und letzten Mal. Der französische Filmemacher José Giovanni inszenierte und schrieb diese Folge.
Giftschrank-Folge
Man erlebt einen sehr unglaubwürdigen und nicht gerade elegant ermittelnden Köster. In Deutschland löste die Erstausstrahlung dieser Folge, Proteste aus. Köster fälscht ein Geständnis und überführt so den Mörder. „So was darf ein Kommissar doch nicht machen“. Die kritisierte Szene läuft so ab:
Finberg will den Mord an seiner Frau nicht gestehen, um sich und seine Geliebte zu schützen. Die Geliebte schweigt daraufhin auch. Brenner (Jan Hendriks) kann jedoch sehr gut Stimmen imitieren. Er imitiert Finbergs Stimme und spricht "sein Geständnis" auf Band. Köster spielt dies der Geliebten vor, die daraufhin alles zugibt.
Jahrelang verschwand diese Episode im Giftschrank des ZDF. Erst 1992 wurde sie gekürzt wiederholt. Einige Jahre darauf wurde sie nochmals komplett ausgestrahlt. Ins Ausland hat man die einst umstrittene Folge nie verkauft, weshalb die Anzahl der Köster-Fälle dort nur bei 99 liegt (2).
Surreales Kuriositäten-Kabinett
Zum Fall selbst ist nicht viel zu sagen. Dieser hat nur einen nostalgischen und in der Krimigeschichte vielleicht einen gewissen historischen Wert. Nicht nur, dass Köster hier falschspielt und Brenner Stimmen imitiert, macht die Folge seltsam. Auch Heymanns Affäre mit der Geliebten von Finberg rückt diesen dritten Fall der Reihe in ein eigenartiges Licht.
Übrigens: Die Stimmenimitation wurde für Brenner nie wieder zum Thema. In allen anderen seiner über 90 Auftritte in der Serie hat er diese Fähigkeit nicht mehr gebraucht.
Hölzern und anders
Die Folge wirkt stellenweise langatmig; der Mord ist aber sehr perfide gemacht und die Ausführung überrascht den Zuschauer am Ende sogar. Die Darsteller agieren allesamt hölzern und scheinen sich wie in einem Kabinett zu bewegen, in dem alles surreal und seltsam erscheint. Eine typische französische Filmatmosphäre überstrahlt diese Folge, in der nichts vertraut zu sein scheint. Nicht einmal die Hauptdarsteller.
Für den Inszenator der Geschichte, nämlich José Giovanni, war dies der einzige Der Alte. Bei dem Ergebnis ist dies nicht verwunderlich. Und das, obwohl Giovanni als Regisseur für recht kultige Filme auf dem Stuhl saß. Unter anderem für "Endstation Schafott" (1974) mit Jean Gabin.
Natürlich wurde auch der dritte Fall für Köster in Bayern gedreht, obwohl man vom Gefühl und der Atmosphäre her glaubt, es würde in der französischen Provinz spielen. Das ist José Giovanni zu danken, der alle Stilmittel des französischen Films einsetzte, samt seinem Darsteller Michel Rubin.
Kritik und Reaktion
Die als vierte Folge gedrehte Folge kam bei den Kritikern wie oben erwähnt schlecht weg. Siegfried Lowitz reagierte nüchtern und sagte der Zeitschrift Gong 1977 folgendes: Was mich bei dem Wirbel, der entstanden ist, am meisten wundert, ist, dass ganz offensichtlich sogar von der Presse Drehbuchautor und Darsteller des ‚Alten’ zusammengeworfen werden. Auf die Dramaturgie und den Handlungsablauf der Drehbücher habe ich nun einmal keinen Einfluss, nicht einmal ein Einspruchsrecht. Das gilt auch für das Drehbuch und die Regie von José Giovanni, ohne Zweifel ein brillanter und international anerkannter Regisseur. […] Wie ist das eigentlich mit der Freiheit der künstlerischen Gestaltung? Kann man Autoren vorschreiben, wie sie schreiben, wie sie Regie führen sollen? […] Im übrigen bin ich der Meinung meines Münchner Freundes Sigi Sommer: ‚Wenn der Fall Lowitz Schule machen würde, müsste die britische Königin jedes Mal, wenn im Münchner Residenztheater Maria Stuart gespielt wird, die diplomatischen Beziehungen zum Intendanten abbrechen’". (3)
Buch: José Giovanni Titelmusik: Peter Thomas, Produzent: Helmut Ringelmann, Regie: José Giovanni, Eine Produktion der Telenova Film und Fernsehproduktion im Auftrag von ZDF, ORF, SRG. Erstausstrahlung: 01.05.1977 (ZDF)
(1) = 3sat
(2,3) Die Krimi-Homepage
Kommentare
seinen Trick.
Das Prinzip "Der Zweck heiligt die Mittel" wurde schon in der "Dienstreise" etabliert und zieht sich durch einige der frühen Köster-Fälle. Hier wird es allerdings auf die Spitze getrieben.
Ja