Die Stadt der Blinden

Stadt der BlindenDie Stadt der Blinden
(Blindness)
mit Julianne Moore, Mark Ruffalo, Yüsuke Iseya, Danny Glover, Don McKellar, Lilian Blanc, Alice Braga, Mitchell Nye, Douglas Silva, Maury Chaykin, Jason Bermingham, Yoshino Kimura
Regie: Fernando Meirelles
Drehbuch: Jose Saramago / Don McKellar
Kamera: Cesar Charlone
Musik: Marco Antonio Guimaraes
FSK 12
Brasilien / Japan / Kanada / 2008

Von einer Sekunde zur anderen verliert ein Mann am Steuer seines Wagens das Augenlicht. Zunächst wird ein medizinischer Sonderfall vermutet, doch als kurz darauf auch seine Frau, sein Arzt und alle Menschen, die mit ihm in Kontakt standen, erblinden, ist die Epidemie schon nicht mehr aufzuhalten. Aus Angst vor Ansteckung werden alle Betroffenen ohne weitere Behandlung in einer ehemaligen Nervenheilanstalt interniert und sich selbst überlassen. Immer mehr Opfer werden in die überfüllten Räume gepfercht, wo bald Chaos, Gewalt und Anarchie um sich greifen. Doch unter ihnen gibt es einen Menschen, der von der Epidemie verschont geblieben ist.

Immer wieder gibt es Filme, die die verschiedensten Gefühle beim Zuschauer auslösen und ihn auch nachhaltig so stark beeindrucken, das man immer wieder an sie denken muss. Die Stadt der Blinden fällt ganz eindeutig in diese Kategorie, denn dieser Mystery-Thriller mit äusserst dramatischen Zügen setzt sich mit zunehmender Laufzeit immer mehr unter der Haut des Betrachters fest, wobei er den Betrachter den extremsten Gefühlsschwankungen aussetzt. Dabei überwiegen ganz klar die nagativen Gefühle, die im Laufe der Geschichte ausgelöst werden, denn schwankt man doch immer zwischen Wut, Zorn, Beklemmung und teilweise sogar von einem regelrechten Schockzustand, in den man phasenweise versetzt wird und der nicht gerade selten extrem intensive Ausmaße annimmt. Wenn man sieht, wie die blinden Menschen hier behandelt werden, dann kann einem schon streckenweise die Galle hochkommen, entstehen doch schon gewisse Ähnlichkeiten mit der Zeit des Nazional-Sozialismus, in der auch eine bestimmte Zielgruppe von der Aussenwelt getrennt wurde, um sie dann unter menschenunwürdigen Verhältnissen wie Tiere einzupferchen.

Ähnlich verhält es sich auch in vorliegender Geschichte, denn die Blinden werden in einer alten und vollkommen verwahrlosten Heilanstalt richtiggehend kaserniert. In dem Gebäude gibt es keinerlei sanitäre Anlagen, Hygiene ist kaum möglich und zudem sind die Menschen vollkommen auf sich allein gestellt, da die plötzliche Erblindung als ansteckende Krankheit angesehen wird und sich kein Aussenstehender in das Gebäude hineintraut. Lediglich mit knapp bemessenen Essensvorräten ausgestattet, müssen die Betroffenen ihr neues Leben meistern, was sich insbesondere am Anfang mehr als schwierig gestaltet. Lediglich Julianne Moore in der Rolle der Ehefrau eines erblindeten Augenarztes ist freiwillig mit in die Anstalt gegangen, obwohl sie ihre Sehkraft nicht verloren hat. Das verleiht dem geschehen auch eine teils sehr unheimliche Note, denn man erhält keinerlei Erklärung dafür, warum nicht auch sie von der mysteriösen Blindheit betroffen ist. Ebenso erhält man auch für das plötzlich auftretende erblinden der unzähligen Menschen keinerlei Begründung, was aber auch nicht weiter schlimm ist, da hier ganz andere Dinge in den Vordergrund gerückt werden und man sich so gar nicht die Frage nach dem warum stellt.

Der Focus des Szenarios liegt ganz eindeutig auf dem Verhalten der Betroffenen untereinander und die Dinge, die hier zu Tage treten, sind teilweise richtig erschütternd. denn wer jetzt denkt, das die menschen in ihrem Leid zusammenhalten und füreinander da sind, der sieht sich ziemlich schnell getäuscht. Trotz der Behinderung tritt auch jetzt die typische menschliche Natur in den Vordergrund, denn es bilden sich verschiedene gruppierungen und Machtkämpfe stehen auf einmal in der Tagesordnung. Begriffe wie Moral und Menschenwürde werden auf äusserst brachiale Art und Weise ausser Kraft gesetzt, denn eine der Gruppen ist im Besitz einer Pistole und droht damit, diese auch zu benutzen, wenn die anderen Gruppen sich nicht an gewisse Regeln halten. Von diesem zeitpunkt an setzt die pure Willkür in der Anstalt ein, denn die nicht bewaffneten Gruppirungen erhalten nur noch Essen, wenn sie bereit sind, dafür ihre Wertgegenstände abzugeben. Nachdem diese Einnahmequelle irgendwann logischerweise erschöpft ist, müssen die Frauen den "Diktatoren" zu Willen sein und ihnen für deren sexuelle Gelüste zur Verfügung stehen. Es sind insbesondere diese Passagen des Films, die einem kalte Schauer über den Rücken jagen, denn die zu Tage tretende Grausamkeit ist schwer zu überbieten. Es entsteht eine Art Ohnmacht, da das Gesehene wirklich nur schwer verdaulich ist. Man will sich einfach nicht vorstellen, das Menschen selbst in einer Situation, in der sie eigentlich extrem stark aufeinander angewiesen sind, nur an den eigenen Nutzen denken und jegliche Moral und den letzten Funken Anstand vollkommen über Bord werfen.

Dies bezieht sich aber auch auf die Soldaten, die das von der Aussenwelt abgeschottete Anstalts-Gelände bewachen und sich teilweise einen Spaß daraus zu machen, die Insassen aufgrund ihrer Behinderung auch noch an der Nase herumzuführen. Doch nicht nur das, wenn ein Blinder dem Zaun zu nahe kommt, der das Gelände umzäunt, wird er einfach erschossen. Hier wird man wieder einmal stark an die NS-Zeit erinnert und diese Anlehnungen sind auch ganz sicher bewust eingefügt worden, um die Schockwirkung des Geschehens noch zusätzlich zu erhöhen. Und das gelingt auch vortrefflich, denn größtenteils sitzt der Zuschauer mit einer Gänsehaut überzogen und Tränen in den Augen vor dem Bildschirm, um das unvorstellbare Gesamtbild auf sich wirken zu lassen. Überwältigt von Wut, Ohnmacht, Beklemmung und Mitleid versucht man, aus einer Art Schockstarre auszubrechen, was aber einfach nicht gelingen will, da die Intensität des Gezeigten ganz einfach zu überwältigend ist. So sieht man dann auch die Figur von Julianne Moore in einem ganz anderen Licht, da ihrem Charakter eine ungeheuer starke Gewichtung zukommt. Wie muss man sich wohl als einziger Sehender unter lauter Blinden fühlen, für die man sich auch noch bis zur körperlichen-und seelischen Erschöpfung einsetzt? Hinzu kommt noch die Tatsache, das man die Agressionen und auftretenden Machtspiele sehen kann und sich so manches Mal vielleicht sogar wünscht, selbst nicht mehr sehen zu können.

Und so ist es dann auch nicht wirklich verwunderlich , das unter den insgesamt hervorragenden Darstellern J. Moore noch einmal herausragt, da ihr Schauspiel einfach nur als absolut brillant-und hingebungsvoll zu bezeichnen ist. Für mich persönlich spielt sie hier ihre bisher mit Abstand beste Rolle, in der sie scheinbar richtig aufgeht und den von ihr gespielten Charakter lebt. Ihre Präsenz ist allgegenwärtig und drückt dem Film ihren ganz persönlichen Stempel auf. Es ist äusserst schwer, den Eindrücken dieses Filmes nicht zu erliegen, der kurz vor dem Ende auch noch eine sehr apokalyptische Endzeitstimmung entfacht, da scheinabr alle Menschen mittlerweile das Augenlicht verloren haben. So kann auch die Anstalt verlassen werden, da niemand mehr da ist, der sie bewacht. Die unbekannte Stadt ist vollkommen verwüstet und von sehenden Menschen ist weit und breit keine Spur mehr. Doch selbst in diesem anscheinend hoffnungslosen Szenario bietet "Die Stadt der Blinden" ganz am Ende doch noch einen Hoffnungsschimmer, auf den ich jetzt nicht näher eingehen möchte, der den Zuschauer aber mit einem sehr positiven Moment und voller Hoffnung zurücklässt, was man nach den ganzen negativen Gefühlen, die man während der Geschichte verspürt hat, als äusserst positives Ende ansehen kann.


Fazit: "Die Stadt der Blinden" ist ein ungeheuer intensives Film-Erlebnis, das einen auch noch lange nach dem Ende weiterbeschäftigt. Zu stark und schockiernd sind die Eindrücke, die man während der Sichtung des Filmes gesammelt hat und die man erst einmal so richtig verarbeiten muss. Herausragende Schauspieler und eine alles überragende J. Moore drücken dem Film ihren Stempel auf und machen ihn zu einem wirklich faszinierenden Erlebnis, das seine Spuren hinterlässt.

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