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Norbert Off Topic - Folge 10: Freiheit

Norbert Off TopicFolge 10:
Freiheit

Hin und wieder richte ich meinen Fokus gerne auf Filme, die keinem der hier im Zauberspiegel behandelten Genres zugehörig sind. So ist es mir durchaus ein Anliegen, auf solche Werke aufmerksam zu machen. Da aber Themen von außerhalb möglich sind, kann ich mich auch mit dieser kleinen Vorliebe austoben. Ich finde es sehr interessant, sich Filme abseits des Gewohnten anzuschauen. Wer sich berufen fühlt, der kann sich gerne an dieser Reihe beteiligen.

Cuba Gooding jr als SamuelFreiheit (Freedom)
Zwei Handlungen verschiedener Jahrhunderte in einem Film, eine davon geschichtlich verbürgt, die andere aus unzähligen Berichten kreiert. Nichts daran könnte man als Unwahrheit bezeichnen, denn die Zeit der Sklaverei ist eine undurchsichtige, die Literatur- wie Filmemacher und Geschichtsschreiber gleichermaßen inspiriert hat. Allen gemeinsam ist der Gedanke, das Unrecht nach außen zu kehren, das den Afrikanern in jener Zeit und Welt widerfahren ist.

Der australische Schauspieler und Musiker Peter Cousens fasste 2012 den Entschluss, einen Film als Regisseur zu betreuen. Ambitionen solcher Art enden oft darin, billige kleine Horrorfilme, Thriller oder Komödien herzustellen. Er bekam das Drehbuch des renommierten  amerikanischen Autoren Timothy A. Chey in die Finger und beschloss dieses zum Anlass zu nehmen. Über ihn streckte er die Hände in die USA aus. Da traf er zufällig auf einen Schauspieler der abzustürzen drohte. Cuba Gooding jr. hatte seine große Zeit nach dem Gewinn der Oscar-Statue (1996 als Nebendarsteller in JERRY MAGUIRE) längst hinter sich und fristete sein Dasein in mal besseren mal schlechteren Thrillern. Noch einmal eine Chance witternd, zu Ruhm und Ehre zu gelangen, trat er neben Cousens sogar als Produzent dem Projekt bei.

Erzählt wird zunächst die Geschichte des Sklaven Samuel (Gooding), der 1856 mit seiner Mutter, seiner Frau und seinem Sohn von der Plantage des Großgrundbesitzers Monroe (David Rasche) flieht. Unterstützt wird er dabei von einer Organisation namens "Underground Railroad", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Freiheit suchende Sklaven nach Kanada zu bringen. Der Weg ist für die Flüchtigen beschwerlich, denn Monroe hat ausgerechnet den berüchtigten Sklavenjäger Plimpton (William Sadler) auf die Familie angesetzt. So berichtet die Mutter Samuel von seinem Urgroßvater, der als kleiner Junge 1748 aus Gambia entführt und nach Amerika auf dem Schiff des Kapitäns John Newton (Bernhard Forcher) gebracht wurde.

Bernhard Forcher als John NewtonDas Kind, seiner gewohnten Umwelt entrissen, droht die Überfahrt nicht zu überleben, verweigert jede Nahrung und wünscht sich nur die Heimat oder den Tod. Newton wird von dem Schicksal des Jungen berührt und gibt nicht auf um dessen Leben zu kämpfen. Mit Hilfe eines Vertrauten, einem ehemaligen Sklaven, gelingt es ihm den Jungen wieder aufzupäppeln. Er schenkt dem Kind seine Bibel, dessen Inhalt er selber zu entweichen droht. Newton kommt zu dem Schluss, dass diese Fahrt seine letzte sein wird, wenn er die Ideale, die er dem Jungen beibringt, nicht verraten will. Am Ziel angekommen entsagt er seinem Beruf und kehrt zu seiner Liebsten zurück, die er heiraten wird.

Samuel und seine Familie werden von Treffpunkt zu Treffpunkt gebracht, immer neue Leute (meistens Weiße) nehmen sich ihrer an. Zwar konnte die Geschichte seiner Mutter ihm ein wenig von der Skepsis nehmen, aber vertrauen tut er den Menschen dennoch nicht. Unterwegs stirbt die Mutter ob der Strapazen. Die Verbliebenen erreichen die Grenze nach Kanada, doch kurz vor dem Ziel droht Plimpton sie abzufangen.

William Sadler als PlimptonEine Geschichte wie jene um Samuel und seine Familie kann man sich zusammen reimen, ohne dass man dabei allzu viele Fehler begeht. Gleichwohl stützte man sich hier auf den historischen Fakt der "Underground Railroad", einer im Untergrund arbeitenden Organisation, die Tausende von Sklaven in den Norden der USA oder in das sichere Kanada brachte. Natürlich werden Schwierigkeiten geschildert, doch im Ganzen läuft die Flucht recht reibungslos ab. Vermutlich wollte man einen heiligen Schein dieser Gruppe, die per Geheimsprache über das ganze Land vernetzt war, nicht ankratzen. Ihr gehörten Weiße und Schwarze an und nach Möglichkeit wurden Identitäten verschwiegen. Jäger wie Plimpton hätten nur allzu gern die Verantwortlichen gejagt und zur Strecke gebracht.

John Newton hingegen ist eine geschichtlich verbürgte Person. Allerdings musste er aus gesundheitlichen Gründen (Schlaganfall) der Seefahrerei entsagen. Er konvertierte erst danach zum christlichen Glauben und war zusammen mit William Wilberforce eine treibende Kraft zur Abschaffung der Sklaverei. Dass ausgerechnet dieser Mann ein Bestandteil des Films wurde liegt im Interesse des Regisseurs Peter Cousens begründet. Sein Hang zur Musik hat dem Film eine besondere Note verliehen. Newton ist Komponist eines der wohl bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. Aus seiner Feder stammt AMAZING GRACE, welches er 1772 vortrug und das 1779 in einer Liedersammlung erstmals in schriftlicher Form veröffentlicht wurde.

Samuels FamilieDie Musik des Films. Ja, hier kann man geteilter Meinung sein. Cousens wollte kein Musical, aber die Afrikaner sollten möglichst oft ihre Emotionen durch das Singen zum Ausdruck bringen. Meistens ohne instrumentale Begleitung werden hier Klagelieder angestimmt, die das Ursprüngliche in Sprache und Ausdruck betonen. Nun, der Film bleibt dabei nicht authentisch. Nur die wenigsten der Lieder entsprechen jener Zeit des 19. Jahrhunderts, das eine oder andere wurde gar erst im 20. Jahrhundert komponiert. Verschiedentlich wird das dem Film gerne angekreidet, da es das Zeitbild verzerrt. Na ja, wenn man sonst nichts findet. Es geht hier um die Glaubwürdigkeit der Leute, um das Erschaffen emotionaler Ausdrücke. Ehrlich gesagt, wenn man sich nicht direkt damit beschäftigt und es recherchiert, dann fällt es nicht auf und man kauft es den Vortragenden ab.

Der Film ist leider nicht so bekannt geworden wie er es verdient gehabt hätte. Das mag zumindest bei uns daran liegen, dass er bei einem der billigsten Label, Great Movies, erschien. Die Synchronisation ist jedoch überraschend gut. Offenbar wusste man immerhin den Wert des Films zu schätzen. Cuba Gooding jr. beeindruckt durch eine gute Performance. Der ständig zweifelnde, ernste und in sich gekehrte Mann liegt seiner Art, was durchaus auch in einigen seiner Thriller zu erfahren ist, welche ich im Schnitt ohnehin besser finde als die meisten Kritiker. Aber das liegt wohl auch darin begründet, dass ich den Mann grundsätzlich als einen herausragenden Schauspieler wahrnehme. Mögen manche Filme auch nicht so toll sein, auf ihn als Darsteller ist Verlass.

Kurz vor der GrenzeDer Film geizt nicht mit eindrucksvollen Bildern, auch wenn er manchmal sein nicht übermäßiges Budget kaum verheimlichen kann. Das Schiff von John Newton ist von innen deutlich geräumiger als von außen. Da hat es wohl nicht für einen Kahn von glaubwürdiger Größe gereicht. Es gibt auch wenige Aufnahmen, die das Auge des Betrachters in der Natur schwelgen lassen. Es sind die Drehorte abseits der Postkarten, die zu fesseln wissen, das Setting einer kargen aber nicht schmucklosen Welt. Ausstattung und Kostümierung sind auf ein einfaches Maß reduziert und bieten so den Kontrast zu den Prunkbildern, in denen diese Zeit oft eingefangen wird. So manches Mal gerät er dadurch in den Verdacht, einem klassischen Western zu ähneln, nur um sich dann schon ob seiner Thematik wieder abzuwenden.

Der Film hat nicht viele Momente die abstoßend wirken. Man mag es ihm ankreiden , dass er auf übermäßige Brutalität verzichtet. Es war ja durchaus üblich, Sklaven für ein Fehlverhalten in extremer Form zu bestrafen. Das wollte man aber wohl bewusst vermeiden, weshalb das Leben als Sklave, auch während der Überfahrt, nur sporadisch mal gezeigt wird. Muss ich auch nicht haben, ist mir oft genug schon gezeigt worden. Überdies hätte darin die Gefahr gelegen, auf derartige Schauwerte reduziert zu werden. Die Perfidität des Ganzen wird mir durch einen Dialogsatz aufgezeigt, als Newton seinen Zielhafen erreicht hat. Er wird mit den Worten empfangen: "Eine erfolgreiche Fahrt, Kapitän. Es gab nur 24 Tote." Das muss man erst einmal sacken lassen. Bei so etwas kann einem schlecht werden.

Insgesamt war ich von dem Film beeindruckt. Er besitzt eine ruhige Art des Erzählens und bringt seine Botschaft ohne den Holzhammer näher. Die Schauspieler sind durch die Bank gut und das Ambiente glaubwürdig. Genau genommen besitzt er keine einzige Actionszene und doch verkommt er nicht zu einem geschwätzigen Etwas, bei dem ich dann oft die Lust verliere.

Freiheit (Freedom)Freiheit
(Freedom)
mit Cuba Gooding jr. (Samuel), Bernhard Forcher (John Newton), William Sadler (Plimpton), David Rasche, Sharon Leal, Aaron Bantum, Michael Goodwin
Produktion: Timothy A. Chey, Peter Cousens, Cuba Gooding jr. für Production One
Regie: Peter Cousens
Drehbuch: Timothy A. Chey
Kamera: Dean Cundey
Musik: James Lavino

USA 2014

Farbe – 1,85:1 – 94 Minuten (NTSC), 91 Minuten (PAL)

Uraufführung: 21. August 2014
Deutsche Erstaufführung: 9. Juni 2015 (DVD)

Deutscher Vertrieb: Great Movies

Cover und Screenshots der Deutschen DVD (Great Movies)

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