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Italienischer Trickfilmpionier - »Die Welt des Bruno Bozzetto«

Die Welt des Bruno BozzettoItalienischer Trickfilmpionier
»Die Welt des Bruno Bozzetto«

Wörtlich übersetzt hieße sein Name auf Deutsch „Braune Skizze“ – wie passend für einen der Pioniere der italienischen Zeichentrickszene! Hierzulande ist Bruno Bozzetto bekannt und beliebt für seine Zeichentrickfigur „Herr Rossi“, die durch unzählige Kurzfilme geisterte und schließlich in Serien wie „Herr Rossi sucht das Glück“, „Die Ferien des Herrn Rossi“ und „Herr Rossi träumt“ sein Unwesen trieb. Im Mediabook „Die Welt des Bruno Bozzetto“ sind nun auf drei BluRays Bozzettos drei große Langfilme versammelt – garniert mit etlichen Extras.

Die Welt des Bruno BozzettoAls der Mailänder 1964 in seinem Studio mit „Der wildeste Westen“ seinen ersten abendfüllenden Animationsfilm realisierte, war er gerade mal 26 Jahre alt und das Genre in Italien nahezu nicht existent. Zusammen mit seinen engagierten, etwa gleichjungen Mitarbeitern, schuf Bozzetto hier einen Film nach klassischen Vorbildern, blieb aber seinem eigenen, skurrilen Stil treu, den er in Kurz- und Werbefilmen perfektioniert hatte.

Die Welt des Bruno BozzettoDer Film (im Original „West and Soda“ betitelt) ist eine turbulente Westernparodie, in der der zwielichtige Rancher Samtfinger (gesprochen von Curt Ackermann) der hübschen Clementine (Ursula Herwig) ihr Ackerland abnehmen will, um seinen Reichtum zu vermehren. Dafür sind ihm sämtliche Mittel recht, die von seinen getreuen Untergebenen Bubi (Hans Clarin) und Ursus (Herbert A. Knippenberg) auch ohne mit der Wimper zu zucken ausgeführt werden. Wie gut, dass der wackere Johnny (Eckart Dux) auf der Bildfläche erscheint, der sich nach anfänglichem Zögern als Beschützer Clementines bewährt. Bruno Bozzetto nennt einen ganz unverwechselbaren und originellen Stil sein Eigen. So kommt es, dass dieser Film mit seinen Anspielungen und parodistischen Seitenhieben auch ein erwachsenes Publikum erreichen kann. Die größtenteils witzige und amüsante Persiflage steckt voller visueller Komik und absurden Ideen, die nur gelegentlich etwas zu kindisch-naiv ausfallen. Ein liebevoll gezeichneter Unterhaltungsfilm, der seine Aussagen in symbolträchtigen Bildern unterbringt. Die BluRay präsentiert den Film in tollen Farben und mit nur noch sehr wenigen Verunreinigungen im Widescreen-Format 1,66:1. Der Ton liegt auf Deutsch wahlweise in Kino- oder PAL-Tonhöhe vor, alternativ gibt es die italienische Originalfassung und optionale deutsche Untertitel. Die Extras setzen sich aus Interview-Featurettes mit Bozzetto und seinen Mitarbeitern („Italiens erster abendfüllender Animationsfilm“, 7 Minuten; „Das Studio und die Mitarbeiter“, 11 Minuten; „Der Dreh und die Spezialeffekte“, 8 Minuten; „Dialoge und Musik“, 6 Minuten), der Kurzdokumentation „Wie macht man einen animierten Cartoon“ (11 Minuten) von Bozzetto aus dem Jahr 1961 und einer umfangreichen Bildergalerie zusammen.

Die Welt des Bruno BozzettoDer zweite Film, „VIP – Mein Bruder, der Supermann“, entstand im Jahr 1968 und ist erneut eine wilde Genreparodie, dieses Mal insbesondere auf Agenten- und Superheldenfilme. Minivip (gesprochen von Gerd Duwner) ist in seiner Familie aus der Art geschlagen. Im Gegensatz zu seinen ruhmreichen Vorfahren und seinem Bruder Supervip (Horst Gentzen) verfügt er über keinerlei Superkräfte, sondern ist stattdessen ausgesprochen ängstlich und sogar kurzsichtig. Als er zur Erholung alleine auf eine Kreuzfahrt geht, schliddert er zusammen mit einem Löwen, der sich später als die hübsche Lisa (Renate Danz) entpuppt, hinein in ein gefährliches Abenteuer, bei dem die machthungrige Happy Betty (Ingrid van Bergen) die Menschheit zu willigen Konsumenten für ihre Supermarktkette umpolen will. Eine charmant übertriebene Satire und Parodie auf Science-Fiction- und Superheldenfilme mit ironischen Seitenhieben auf etliche andere Klischees. Insbesondere der Konsumterror und die Werbeindustrie bekommen hier gehörig ihr Fett weg. Mit eingeflochtenen Songeinlagen nähert sich der Film zwar etwas den amerikanischen Produktionen an, bewahrt im Zeichenstil und seinen subversiven Gags aber dennoch genügend Individualität. Auch dieser Film liegt mit toll restauriertem Bild (im Widescreen-Format 1,66:1) und stets gut verständlichem Ton (Deutsch und Italienisch im DTS HD Master Audio 5.1, optional mit deutschen Untertiteln) vor. Das Bonusmaterial besteht aus den Interview-Featurettes „Die Geburt von VIP“ (9 Minuten), „VIPs Anatomie“ (9 Minuten), „Animation in Italien“ (10 Minuten), „Der Dreh“ (6 Minuten), „Die Musik“ (11 Minuten) und „Die Premiere“ (5 Minuten) sowie einer mittelgroßen Bildergalerie.

Die Welt des Bruno BozzettoDer dritte Film dieser Zusammenstellung, „Allegro non troppo“, ist fraglos Bruno Bozzettos Meisterwerk. Angelehnt an Walt Disneys „Fantasia“, hat der Regisseur hier sechs klassische Musikstücke mit originellen Zeichentrickbildern unterlegt. In einer Rahmenhandlung in Schwarz-Weiß sehen wir einen despotischen Orchestermeister (Néstor Garay), der einen duckmäuserischen Zeichner (Maurizio Nichetti) und ein aus Seniorinnen bestehendes Orchester dazu zwingt, sich seinen Wünschen zu beugen. Ein Präsentator (Maurizio Micheli) führt in die verschiedenen Stücke ein. Auf Claude Debussys „Präludium am Nachmittag eines Fauns“ und Antonin Dvoraks „Slawischen Tanz Nummer 7“ folgen Maurice Ravels „Bolero“ und Jean Sibelius‘ „Valse Triste“, bis der Film schließlich mit Bebilderungen von Antonio Vivaldis „Konzert in C-Dur“ und Igor Strawinskys „Der Feuervogel“ seinen Abschluss findet. Der Einfallsreichtum kennt hier nahezu keine Grenzen. Durch das Engagement unterschiedlicher Zeichner hat jeder Kurzfilm eine individuelle Note, die mitunter auch an Robert Crumb oder Terry Gilliam erinnert. Am gelungensten ist die Entstehung des Lebens zu den Klängen von Ravels „Bolero“. Ebenfalls beachtlich sind die immer wieder durchscheinenden gesellschaftskritischen Tendenzen. Am witzigsten ist Vivaldis „Konzert in C-Dur“, das von den Strapazen einer Honigbiene erzählt. Die Rahmenhandlung steht leider in krassem Gegensatz zu den Zeichentrickgeschichten, denn die hier beabsichtigten Slapstick- Hommagen sind nur albern und werden teilweise fast schon ärgerlich. Nichtsdestotrotz ist „Allegro non troppo“ fraglos ein zeitloser Klassiker, den man als Liebhaber von Animationsfilmen gesehen haben muss.

Die Welt des Bruno BozzettoAuch hier können Bild (im Widescreen-Format 1,66:1) und Ton (Deutsch und Italienisch im DTS HD Master Audio 5.1, optional mit deutschen Untertiteln) vollauf überzeugen. Einige seinerzeit für die deutsche Fernseh- und Kinoauswertung herausgeschnittene Passagen (aus der Rahmenhandlung) sind hier nun wieder eingefügt und mit deutschen Untertiteln versehen. Die Extras bestehen aus den Interview-Featurettes „Auftakt“ (6 Minuten), „Reden und Erschaffen“ (7 Minuten), „Eine Aufgabe für jeden“ (10 Minuten), „Nicht nur Zeichnungen“ (6 Minuten), „Bozzettos Bolero“ (10 Minuten) und „Symphonie der Techniken“ (6 Minuten) sowie einer sehr umfangreichen Bildergalerie. Eine zusätzliche Bonus-DVD komplettiert das Set und enthält die Dokumentation „Die Welten des Bruno Bozzetto“ aus dem Jahr 2002 (41 Minuten) sowie fünfzehn Kurzfilme des Regisseurs (zusammen 99 Minuten), in denen auch ein gewisser Herr Rossi seine Aufwartung macht.

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