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Oben wird gespoilert

UPOben wird gespoilert

In einem nicht ganz so ernst zu nehmenden Artikel bei Slate hat Nina Shen Rastogi den Leser darüber aufgeklärt, dass Carl Fredricksen 23,5 Millionen Luftballons benötigen würde, um sein Haus in die Luft zu bringen.

Nachdem bei Wired Science ein Experte für das Verlegen und Umsiedeln alter Gebäude Fredricksens Haus mit 100.000 Ballons anheben wollte, war die Kolumnistin neugierig geworden.
 
Da sich das Haus noch von Strom- und Wasserleitungen sowie vom Fundament losreißen muss, kam Nina Shen Rastogi bei ihren Überlegungen auf über 9 Millionen mit Helium gefüllte Ballons. Als Regisseur von UP-OBEN hat Pete Docter dem Magazin Ballooning schließlich anvertraut, dass die interne Rechnung bei PIXAR auf 23,5 Millionen erforderliche Ballons kam. Bei der Startsequenz hat die Computer-Filmfirma dann immerhin über 20.000 individuelle Ballons generiert, während es bei den restlichen Flugszenen so um die 10.000 Stück waren.

OBEN ist der erste Animationsfilm, der die Filmfestspiele von Cannes eröffnen durfte. Kein zu unterschätzendes Prädikat. Doch welche Erwartungen kann man damit in diesen zehnten Kinofilm des Hauses Pixar setzen? Man könnte die Entscheidung der Festival-Leitung einfach als PR-Stunt in eigener Sache abtun. Oder man hat OBEN für tatsächlich so brillant gehalten, dass er stellvertretend für das gesamte Festprogramm stehen könnte. Finanzielle Zuwendungen scheiden aus. Zumindest ist das eine spannende Geschichte um einen Film, der wesentlich mehr verspricht, als er halten kann.

Was das Drehbuch diesmal bereithält, ist in erster Linie wieder so interessant und teilweise auch verrückt, dass es nur von Pixar kommen kann. In einer Welt des demografischen Jugendwahns und der schnuckeligen CGI-Tierchen lassen die Herren Docter und Peterson als Autoren und Co-Regisseure einen 78 Jahre alten Griesgram auf das verwöhnte Publikum los. Ein maulender, nörgliger Kerl ist dieser Carl Fredricksen, den man nicht gerne zum Nachbarn hätte. Nun, davon abgesehen wäre er ja nicht mehr lange in der Nachbarschaft. Carl zur Seite stellt man einen Halb-Asiaten, was auch nicht zur üblichen Helden-Beschreibung in Kinder- und Jugendfilmen zählt. Er heißt Russell und ist eine dicke, halslose Nervensäge, die den Mund nicht zubekommt und einfach nur nervt.

Die Konstellation ist also alles andere als gewöhnlich und damit darf man die Behauptung aufstellen, dass es schon wieder typisch Pixar ist. Aber viel überraschender als die zwei unsympathischen Hauptfiguren ist zweifellos die Grundlage des bevorstehenden Abenteuers. Und diese Grundlage ist die Geschichte einer großen Liebe, eine fünfminütige Sequenz, die ohne Worte erzählt wird und so hinreißend umgesetzt und inszeniert ist, dass man sie schon jetzt einen Klassiker des Animationsfilms nennen darf. Diese Szene erzählt vom Miteinander und von inniger Zuneigung, wie sie das wahre Leben nicht besser beschreiben könnte.

Carl Fredricksen muss den Traum vom Haus auf einem Hochplateau in Venezuela verwirklichen, wenn sein Leben einen Sinn gehabt haben soll. Der Rest ist pures Abenteuer, das nicht unbedingt immer ganz rund läuft. Wie das ungleiche Duo das Ziel in Windeseile erreicht, ist dabei noch dem flotten Erzähltempo zuzuschreiben, ohne dass man die Logik bemühen muss. Immerhin ist es nach wie vor ein Film, der die gesamte Familie ansprechen soll. Doch in der zweiten Hälfte drehen dann Drehbuch und Inszenierung richtig auf und OBEN beginnt einen störenden, noch dazu unnötigen Sinkflug. Was den Figuren schließlich an physikalischen Herausforderungen zugemutet wird, deckt sich nur noch selten mit dem, was man am Film anfangs zu schätzen gelernt hat.

Die Umsetzung von Inhalten kann man bemängeln, ignorieren oder einfach gut finden. Doch nebenher funktioniert OBEN über eine zweite Erzählebene, die sich in Farbgestaltung, Texturen und Bildkomposition ausdrückt. Kaum ein Familienfilm hat bisher die gesamte optische Palette in dieser Form zum integralen Bestandteil der Geschichte gemacht. So können die Filmemacher wett machen, was die niedrige Aufmerksamkeitsspanne des jungen Publikums geradezu notwendig macht. Die fast schon tragikomische Geschichte mit ihrem emotionalen Tiefgang muss im Laufe des Films zwangsläufig zu einer Folge von übersteigerten Sequenzen führen, um für den Anfang zu entschädigen, der für Kinder ohnehin schwer zu verarbeiten ist.

Doch Carl Fredricksens Motivation für die Ereignisse bleibt in den Bildern stets präsent. Die steigenden Ballons, der erste Blick auf das Reiseziel, der Streit zwischen Carl und Russell, das Haus auf dem Plateau. In Farbe, Bild und Komposition wird immer auf Carls eigentliche Intentionen verwiesen. Unterschwellig reißt die Geschichte um den verloren geglaubten Lebenstraum nie wirklich ab. Die grell-bunte Farbpalette scheint schier unerschöpflich und wechselt spontan auch zu einer ungeheuren Vielzahl verschiedener Graustufen. Gigantische Panoramen verwandeln sich der Geschichte entsprechend durchaus schnell in beengte Bildausschnitte.

Dass sich die Moral der Geschichte letztlich auf das übliche Über-sich-hinauswachsen bezieht, ist ein ausgelatschter Schuh, der selbst dem Erwachsenen mit kindlichem Gemüt nur allzu aufdringlich erscheint. Hätte man doch nach den ersten vierzig Minuten durchaus weitere Überraschungen in der Erzählstruktur erwarten können. Doch wo immer man Mängel entdeckt, weil man Mängel finden möchte, bleibt OBEN der bisher raffinierteste, weil der bislang am konsequentesten durchdachte Langfilm aus dem Pixar-Haus.

Das Hin und Her und Für und Wider inwieweit die aktuellste 3-D-Technik für das Kino sinnvoll ist, beantwortet OBEN mit einem klaren Für und Wider. Die Bilder überzeugen mit unglaublicher Tiefe und erstaunlicher Räumlichkeit. Selbst in den schnelleren Schnittphasen, wird die Trägheit der Augen nicht überfordert und die dritte Dimension muss nicht erst wieder im Kopf aufgebaut werden. Das ist der große Vorteil, wenn das gesamte Konzept eines Films auf 3-D abgestimmt und jede Szene damit aufgebaut wird. Nicht der Effekt wird hier demonstriert, sondern die Natürlichkeit. Man verzichtet sogar auf süße Hundeschnauzen, die dem Zuschauer ins Gesicht schnüffeln könnten.
Die beiden Unsympathen
Während das Verfahren nahezu perfekt ist, bleibt die Technik noch leicht hinterher. Das nur zirka 80% der angedachten Bildhelligkeit durch die Brillen wahrgenommen werden kann, wurde bei keinem der bisherigen in RealD-3D präsentierten Filme auffällig. Bei UP – OBEN allerdings sollte man die auf feinste Nuancen abgestimmten Bilder in ihrer wahren Brillanz sehen. Und da kann die 3-D-Fassung nicht in vollem Umfang mithalten, was besonders in den Venezuela-Sequenzen bemerkt werden könnte. Und nicht zu vergessen die Ballon-Szenen, auch wenn man nur 20.000 zu sehen bekommt. Doch die Mädels und Jungs von Pixar können einen wenigstens glauben machen, man sähe 23 Millionen. In dieser hohen Kunst der Phantasie haben sie sich mit OBEN ihre Vormachtstellung weiter ausgebaut.

 

Up – Oben
Sprecher: Ed Asner / Fred Maire, Jordan Nagai / Maximilian Belle, Christopher Plummer / Karlheinz Böhm, Bob Peterson / Dirk Bach, Delroy Lindo / Stefan Günther u.a.
Regie und Drehbuch: Pete Docter, Bob Peterson – Produktionsdesign: Ricky Nierva - Bildschnitt: Kevin Nolting – Musik: Michael Giacchino – zirka 93 Minuten - USA / 2009

Kommentare  

#1 Andrew P. Wolz 2009-10-02 02:00
Dann ist es also technisch noch nicht möglich, die Brillanz so "hochzuschrauben", dass sie durch die Brille immer noch "strahlt"? Bleibt die Frage, wie vielen Zuschauern das auffällt.

Der Film läuft ja sowohl in 2-D als auch in 3-D. Wäre mal interessant, ob die 3-D-Version mehr Erfolg hat. Wenn nicht, wäre das ja ein Zeichen, dass die neue 3-D-Technik nicht mehr Zuschauer ins Kino zieht. Und das ist eigentlich ihr Hauptsinn. Ich selbst bin noch unsicher, ob sich 3-D durchsetzen wird. Die Zeit wird's zeigen.
#2 Mainstream 2009-10-06 09:40
-
Verlässliche Zahlen zu finden, welche Version, wieviel
eingespielt hat, ist sehr schwierig. Tatsache ist, das
beim amerikanischen Zuschauer (der Deutsche ist noch
nicht representativ genug)
die 3-D Fassungen bevorzugt
werden. Nur gibt es noch viel zu wenig Kinos die mit
den notwendigen Projektoren und Leinwänden ausge-
rüstet sind.

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