Leftis Plausch # 14: Ist Science Fiction Fantasy? 2.0
Ist Science Fiction Fantasy? Update 2.0
Die ganz Hartgesottenen unter euch geben sich mit diesen Genre-Bezeichnungen sowieso nicht ab. Für euch gibt es weiterhin nur die drei Kernbereiche Science Fiction, Fantasy, Horror. Aus die Maus! - Manche von diesen Genre-Bezeichnungen und deren Bedeutung sind wahrlich lachhaft und man tut gut daran, diese mit einem Kopfschütteln abzutun. Aber! Es gibt auch von mir verlachte Genre-Bezeichnungen, die ich dann irgendwann aus dem Papierkorb hole, ganz nach dem Motto: da war doch was...!
Darüber hinaus bin ich schon seit längerem dabei, mein Interessensgebiet Richtung Science Fiction auszuweiten, zu erweitern. Auch wenn in den letzten Jahren, wie mir scheint, gerade in der Science Fiction nicht sooo viele Perlen erschienen sind; gibt es im Phantastischen Bereich so viel Material, dass ein Leben gar nicht ausreicht, um alles zu sichten – jedenfalls wenn man medienübergreifend agiert. - So wie ich.
Da ich bekanntermaßen bekennender Bekenner der guten, alten Pulp-Ära bin, richte ich mein Augenmerk möglichst auf Geschichten dieser glamourösen, guten, alten Zeit.
The good old time
Nimmt man sich der guten, alten Science Fiction an - die wir heute als Classic Science Fiction, bzw. Retro Science Fiction bezeichnen - so fällt es schwer, zwischen (Retro) Science Fiction und Fantasy zu unterscheiden, haben doch etliche phantastiche Autoren der Pulp-Ära beides geschrieben; mitunter Science Fiction, Horror und Fantasy in einen Topf geworfen, gut durchgerührt und mehrere dieser Genres in ihren Geschichten vermengt.
So kommt es auch nicht von ungefähr, dass diverse (Retro) Science Fiction-Stories in der legendären Terra Fantasy-Reihe zu finden sind. Ein Beispiel davon sind Leight Bracketts legendäre Marsgeschichten.
Einer dieser „Töpfe“ war das legendäre, in den USA erschienene Pulp-Magazin Weird Tales. - Ihr merkt schon: aus dieser Zeit ist so ziemlich alles „legendär“. Natürlich gab es auch eine Menge anderer Magazine dieser Art, doch Weird Tales war das bekannteste. In Weird Tales wurde Abwechslung groß geschrieben. Hier fand man Science Fiction, Fantasy, Horror und das alles auch in den Stories selbst gut vermischt.
In einigen etwas länger zurückliegenden Diskussionen hier im Zauberspiegel wurde argumentiert, dass eine phantastische Storie dann Fantasy wäre, wenn Magie darin vorkommt. - Ja, es wurde sogar heiß diskutiert, ob es einen Unterschied zwischen Heroic Fantasy und Sword & Sorcery gäbe.
Die Retro Science Fiction, bzw. die Pulp Science Fiction oder auch Abenteuer Science Fiction wurde später von der ernsteren, Technik orientierten Science Fiction... sagen wir mal... „unterwandert“. Und genau das ist der Zeitpunkt, wo das Phantastische Genre sich gespalten hat in Science Fiction und Fantasy. Dazwischen nur noch lose zusammengehalten von sogenannten Science Fantasy-Stories.
In unserer heutigen Zeit, wo es im Phantastischen Bereich zahllose Genre- und Sub-Genre-Bezeichnungen gibt, ist die Bezeichnung „Science Fantasy“ restlos veraltet, nicht mehr up-to-date und hat somit keine Daseinsberechtigung mehr. Sollte jemand mit euch jemals eine Genre-Diskussion anfangen und den Steinzeitbegriff „Science Fantasy“ in die Waagschale werfen, so fragt ihn doch mal, wann er aus seiner Stasiskammer entflohen ist...
Nun wollen wir den Leuten aus der Stasiskammer nicht zu nahe treten, die bestimmt gerade jetzt beim Lesen dieser Zeilen lauthals aufschreien: „Hey! Natürlich gibt es Science Fantasy!“
Und ich kann diese Leute beruhigen. In meinem nächsten Plausch, „der sich gerade im Druck befindet“*2 und nahtlos an diesen Plausch anschließt, setzte ich mich ausführlich mit der Genre-Bezeichnung „Science Fantasy“ auseinander.
Vorab nur so viel: Wie bereits weiter oben erwähnt haben die Autoren der Pulp-Ära in ihren Stories sämtliche Genres mehr oder weniger stark vermischt, so dass Redakteure und Leser es schwer hatten die jeweilige Storie einem Genre zuzuordnen – sofern sie dies überhaupt taten. Die Übergänge waren fließend. Wohlgemerkt: die Übergänge zwischen Science Fiction, Fantasy und Horror. Und da haben wir wieder den Zusammenhang von Science Fiction und Fantasy.
In den Magazinen waren alle Arten von Stories vertreten – mit mehr oder weniger gewichtigen Inhalt der entsprechenden Genres und es blieb dem Leser überlassen, welche Storie er welchem Genre zuordnet.
Als Anmerkung möchte ich diesbezüglich auf die Roman-Serie Dragon verweisen, die, obwohl es in ihr von den Protagonisten nicht verstandene, alte, hochentwickelte Technik gibt, weithin als reine Fantasy-Reihe gilt, da diese onimöse, alte, hochentwickelte Technik von den Protagonisten als Magier verstanden wird. - Der Leser weiß es natürlich besser.
Nun ist es ja auch so, dass in den 1930er Jahren schon relativ viel über das Universum und der Geschichte der Erde bekannt war. - Vieles, was uns in den Wissenschaftssendungen in N-tv oder ähnlichen Sendern als neue Entdeckung verkauft werden, war schon vor 80 Jahren bekannt. Was also taten die Pulp-Autoren, die unsagbar alte, Äonen alte, fremdartige Kulturen für ihre Geschichten brauchten, die jedoch mit der realen Geschichte der Erde konträr laufen? Sie siedelten sie fernab auf fremden Planeten, fremden Welten an. Damals haben die Autoren wenigstens noch irgendwie versucht einen (pseudo) Bezug zur Realiät zu finden. Heute denkt man sich einfach eine Fantasy-Welt aus; wo die sich befindet - völlig egal.
Ein Science Fiction Nerd sagt mir einmal, dass er Science Fiction als phantastischen Genre gegenüber der Fantasy bevorzuge, da er wenigstens eine evtl. halbwegs realistische Technik als Bezug brauchte – und er gewisse Science Fiction nicht lese, da für ihm etwas mehr zu einer guten Science Fiction-Storie gehört, als nur einen Western in den Weltraum zu verfrachten. - Nun, als alter bekennender Freund des „Space Western“ war dieser Nerd bei mir natürlich genau an der richtigen Adresse...
Nehmen wir mal eine fiktionale Spezialeinheit mit psyonischen Fähigkeiten. Wir nennen diese spzielle Spezialeinheit mal „Psi Ops“. Und diese Typen können durch ihre psyonischen Fähigkeiten sich und andere Dinge zum Schweben bringen, Gedanken lesen und sich unsichtbar machen und durch Wände gehen. So! Und jetzt nehmen wir mal einen Magier, der das alles durch Magie vollbringt. Wo ist dann da noch der Unterschied. Beides ist doch phantastisch.
Der Bösewicht in der Science Fiction ist meistens ein verrückter Wissenschaftler, in der Fantasy ein böser Magier. In der (Retro) Science Fiction schleicht der Held genauso durch Äonen alte Katakomben wie Conan in der Fantasy – und beide stoßen mitunter auf lebende Tote – oder das, was davon noch übrig ist.
Hier bitte die beiden Bilder „Prometheus“ und S&S-Katakomben einfügen.
Vergleicht man die beiden Bilder, so sieht man auf den ersten Blick keinen offensichtlichen Zusammenhang. Auf dem gezeichneten Bild sehen wir einen Barbarenkönig (vermutlich Kull), der mit seinen Kriegern eine alte Katakombe aufsucht, in der sich Unheil erhebt. Das andere Bild stammt aus dem Film Prometheus und zeigt eine Äonen alte Katakombe randvoll mit Urnen – in denen sich Unheil befindet. Tatsächlich ist diese Szenerie keine neumodische Erfindung cineastischen Science Fiction Grusels, sondern wurde bereits 1932 von Ashton Clark Smith in seiner Geschichte „Die Grabgewölbe von Yoh-Vombis“ beschrieben. In dieser Geschichte erforscht eine kleine Expeditionsgruppe auf dem Mars eine Äonen alte Stätte einer längst ausgestorbenen Marszivilisation. Die Expeditionsgruppe entdeckt Katakomben und Gewölbe voll von unzähligen Urnen... Obwohl nur eine Kurzgeschichte wird hier die Situation wesentlich düsterer beschrieben.
Fazit
Für mich ist Science Fiction ein gleichberechtigtes Genre aus dem phantastischen Bereich neben Fantasy und Grusel/Horror, wobei (gerade in der Pulp-Ära) die Übergänge fließend sind. Durch den Versuch die Science Fiction zur einer „ernsthaften“ Literatur zu wandeln entfernte sie sich von der Fiction hin zur Science, wodurch sie eine Zeit lang einen eigenen, separaten Platz inne hielt, der jedoch mit aufkommen der (Fantasy-) Pen & Paper-Rollenspiele immer mehr an Bedeutung verlor und auf ihren einsamen, separaten Platz fast ein Schattendasein fristete, bis sie seit einiger Zeit durch Rückbesinnung auf ihre (Pulp-)Wurzeln und Tugenden eine Renaissance erlebt und wieder ihren gleichberechtigten Platz im phantastischen Bereich – heute besser bekannt unter dem Label „Fantasy“ - findet.
Wie definierte Sam Moskowitz 1963 noch einst – und ich zitiere ihn immer wieder gerne-:
„Als ein Zweig der Fantasy ist Science Fiction daran erkennbar, dass sie dem Leser bei der von ihm gewollten Verdrängung des Unglaubhaften entgegenkommt, indem sie sich einer Atmosphäre wissenschaftlicher Glaubhaftigkeit bedient bei ihren phantasievollen Spekulationen in Raum und Zeit, auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der Sozialwissenschaften, der Philosophie.“
Science Fiction als Ganzes wäre ohne Fantasy, ohne „sense of wonder“, dieser verspielten Freude am Unvorstellbaren, Unvorhergesehenen, schwer denkbar. Zumindest wären wir um eine große Anzahl ausgezeichneter Erzählungen und Romane ärmer.
Nachzulesen im Ullstein 2000 Science Fiction Stories Bd. 20. Interessanter Weise beinhaltet dieser Science Fiction-Band keine Science Fiction, sondern vier Fantasy-Stories. Jeder, der sich für die legendären Terra Fantasy Taschenbücher interessiert, sollte auch mal einen Blick in die Ullstein 2000 Science Fiction Stories riskieren.
Update 2.0
Wieso Update auf 2.0?
Dieser Plausch ist einer der Artikel der dem 'Crash' vom 25. März 2013 zum Opfer fiel und wurde nun, am 01. Mai 2013, wieder neu eingestellt. - Die erste Veröffentlichung war ungefähr Anfang März 2013. Zu diesem Plausch wurde zahlreich diskutiert und gestritten. Um die 120 Kommentare wurden gepostet, die leider nicht gerettet und wieder online gestellt werden konnten. Aus dem Kontext der Kommentare kristallisierten sich zwei Schwerpunkte heraus, die ich hier nochmals zusammenfasse:
- Größtenteils war man sich einig, dass das Zitat von Sam Moskowitz wohl falsch ins Deutsche übersetzt worden ist und das Wort/Genre 'Fantasy' durch 'Phantastik' ersetzt werden müsse. So würde das Zitat anders gedeutet werden. Diesbezüglich ist es interessant, dass erst in diesem Plausch so kontrovers über dieses Zitat debattiert wurde, obwohl es bereits in 'Leftis Plausch # 05: Sword & Planet Was ist das? - Eine Genrebeschreibung', erschienen am 28.02.2012, veröffentlicht wurde.
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Gab es eine Streitdiskussion, ob die Romane '20.000 Meilen unter dem Meer' von Jules Verne und Mary Shelley's 'Frankenstein' heutzutage noch zur Science Fiction zugehörend bezeichnet werden können. Verfechter der Literaturwissenschaft verwiesen auf literaturwissenschaftliche Analysen und Aussagen, konnten oder wollten diese jedoch nicht benennen oder nachweisen, so dass Horst Hermann von Allwörden selber Kontakt mit entsprechenden Kreisen aufnahm und ein entsprechender Fragenkatalog an Studenten, Magister, Doktoren und Professoren verteilt wurde. Siehe dazu den Artikel Aus drei mach eins - Das Phantastische im Zauberspiege1.
Copyright © 2013 Olav Linke
Kommentare
Du sprichst von Deinem und da will ich nicht von irgendwelchen beliebigen Ansätzen suchen.
Und ich rate Dir, mäßige Deinen Ton. Ganz ernsthaft.
Ich habe dir jetzt in Beitrag "10", "12" und "16" erklärt, woher u.a. mein Forschungsansatz diesbezüglich herrührt. Das muss reichen.
Es ist gar nicht so schwer, dass man an diese Information rankommt, um die sich jetzt diese ganze Diskussion dreht.
- kauf was zu essen
- was denn?
- geh in den Supermarkt
- Was willst Du denn essen?
- Geh in den Supermarkt!
Und ich schmeiße Erwachsene raus, die dummes Zeug reden. Ich will also immer noch wissen, welchen Forschungsansatz du folgst?. Wenn Du nicht antworten willst lass es, denn Du stehst kurz vor der Moderation
Edit: Es gibt mehr als einen Ansatz und ich frage nach Deinem ganz speziellen und nicht 1000 anderen.
Da hätte ich jetzt aber einen Spruch auf Lager, den ich nicht bringen darf. Von wegen Einsamkeit und so.
Ein Einkauf läuft bei uns sehr organisiert ab. Die Infos "Jules Verne" und "Science Fiction" oder "Zahnpasta" und "Hygieneartikel" reichen meistens aus, um das Gewünschte zu finden. Kann natürlich sein, dass der Supermarkt ziemlich unorganisiert oder alternativ eingerichtet ist und die Zahnpasta bei den Eiern oder der Milch oder den Brötchen versteckt, weil ja alles irgendwie in den Mund kommt.
Dein Vergleich zieht nicht. Auf die Frage, welchen Forschungsansätzen ich folge, verweise ich dich abermals auf Beitrag "10", "12" und "16".
Links hast du in der vorigen Diskussion etliche bekommen. Entweder hast du dir diese nicht aufgehoben oder nicht gelesen. Also warum soll ich noch einmal verlinken, wenn sie dich eh nicht interessieren?
Ich weiß ja mittlerweile, woher andere so ihre Informationen und Meinungen haben, dass u.a. "20.000 Meilen unter dem Meer" ein Abenteuerroman ist.
Das macht den Unterschied. Und von mir hat man hier schon sehr viel Substanzielles zu etlichen Themen erfahren. Ob man es annehmen will oder nicht, das bleibt jedem selbst und seiner eigenen Meinung überlassen.
Ich habe auch heute mehrmals neue Denkansätze zu "Jules Verne", "20.000 Meilen unter dem Meer" und "Science Fiction" gefunden. War nicht schwierig, die zu finden.
Aber eine derartig einfache Frage willst Du wohl nicht beantworten.
Die einfache Frage habe ich dir jetzt mehrmals beantwortet. Du verstehst nur die Antwort nicht.
Ich warte jetzt dann auf die hochwissenschaftlichen Forschungsergebnisse einiger Zauberspiegel-Mitarbeiter, welche mit ihren Meinungen und ihren neuen Genredefinitionen demnächst die Literaturwissenschaft umschreiben werden.
Du hast immer nur gesagt: dass das SF ist. Das iat keine Antwort, die mich zufriedenstellt. Und wenn Deine Unterstellungen nicht bald aufhören werde ich Dich mal ne Woche sperren.Es reicht so langsam.
@Larandil. Für mich ist 20.000 Meilen ... auch SF, für neue Lesegenrationen verschiebt sich nach und nach die Wahrnehmung. Der Text wird heute oft als reiner Abenteuerroman gelesen . Einen Standpunkt, den ich nachvollziehen kann.