So kann man sich irren! - Ein Rückblick mit Schmunzeleffekt
So kann man sich irren!
Ein Rückblick mit Schmunzeleffekt
Der Bastei-Verlag hatte gerade im Februar 2005 eine neue Science-Fiction-Serie "Sternenfaust" aufgelegt, nachdem man Ende des Vorjahres Manfred Weinlands "Bad Earth" eingestellt hatte. Lektor Holger Kappel und Alfred Bekker hatten sich in Anlehnung an die erfolgreiche Honor Harrington-Taschenbuchserie ein neues Konzept ausgedacht. Vier Autoren sollten die Serie gestalten. Als Hauptautoren waren Alfred Bekker, Christian Schwarz und Christian Montillon vorgesehen. Dazu sollte Luc Bahl gelegentlich einen Roman beisteuern. Im SF-Bereich konnte von den vieren lediglich Bekker ein umfangreiches Werk vorweisen. Er hatte u. a. bei Ren Dhark und Ren Dhark Projekt 99 mitgeschrieben und zahlreiche Einzelromane verfasst.
Den Einstiegsband verfasste denn auch Alfred Bekker.
Als Band 2 der Serie erschien dann der Roman "Angriff der Kridan" von Christian Montillon. Dieser Titel stieß im Basteiforum auf Leserkritik. So schrieb beispielsweise der Leser Andro (heute wohl jedem als MX-Autor Sascha Vennemann ein Begriff):
"Ich sage es ungern, aber es ist leider der Fall: Band 2 der neuen Serie kann mich in keiner Weise überzeugen oder fesseln. Christian Montillon hat einen zweiten Band abgeliefert, dem so ziemlich alles fehlt, das der Vorgänger- und Startband hatte. Zugunsten einer einigermaßen guten Story wird hier auf laue Action gesetzt. ... Es ist der Fall eingetreten, den ich befürchtet habe: Hier wird etwas, dass ebenfalls ein Standart-SFO-Roman sein könnte einfach in den Weltraum verfrachtet. Der Schreibstil ist zwar solide, reißt mich aber nicht grade vom Hocker. ...Liebe Autoren, lieber Redax wenn ich sagen sollte, wie ich mir Sternenfaust NICHT wünsche, dann werde ich zukünftig zunächst auf diesen Band verweisen."
(Andro - Sascha Vennemann - im Sternenfaustforum am 1.3.2005)
Er stand mit seiner Kritik nicht allein. Auch andere Leser fanden den Band nicht so prickelnd. So etwas kommt vor und ist ja normalerweise auch kein Beinbruch. Christian Montillon galt damals als Gruselautor. Er hatte bei Zaubermonds Coco Zamis mitgeschrieben und gehörte seinerzeit zu den beliebtesten Zamorra-Autoren und hätte mit dieser Leserkritik sicher gut leben können. Aber dann kam es knüppeldick. Zwei Basteiredakteure beteiligten sich an der Forumsdiskussion. Als Erster schrieb der Sternenfaustredakteur Kappel:
"Ich bin inzwischen auch zu dem Schluss gelangt, dass SF wie Sternenfaust nicht das richtige für Christian Montillon ist. Schade, da ich ihn für einen sehr guten Grusel-Autor halte. Bei Schattenreich hat er mir immer gefallen."
(Der Redax (Holger Kappel) im Sternenfaustforum am 1.3.2005)
Das war schon ein Hammer. Der zuständige Redakteur bescheinigte dem Autoren Montillon öffentlich, nicht als Science-Fiction-Autor geeignet zu sein. Aber es kam noch dicker. Das Redakteursurgestein MadMike (Michael Schönenbröcher), bekannt u. a. als MX-Redakteur setzte noch einen drauf:
"Ich erkenne daraus nur das, was ich auch bei MX gemerkt habe: Christian Montillon sollte sich auf das Grusel-Genre festlegen, da er bei SF ganz offensichtliche Probleme hat."
(MadMike im Sternfaustforum am 1.3.2005)
Normalerweise wäre nach diesem vernichtenden Urteil zweier ausgewiesener Fachleute und einflussreicher Verlagsmitarbeiter die hoffnungsvolle SF-Karriere für jeden Autoren beendet gewesen. Aber nicht im Falle Montillon. Zwar erschien nur noch ein weiterer Sternfaustroman von ihm (Band 5, Der Wächter) und auch bei Maddrax blieb es bei zwei Romanen (Band 127, Das Aruula-Projekt und Band 132, Entführt!), aber dafür fand er bald ein größeres Betätigungsfeld.
2005 erschien bei der Atlan-Miniserie "Die Lordrichter" Nummer 19, Der Zorn des Erzherzogs. Auch in den folgenden Zyklen "Der Dunkelstern", "Intrawelt" und "Flammenstaub" war Montillon mit jeweils einem Roman dabei. Und im Jahre 2006 kam ein Atlan-Taschenbuch dazu (Lepso 2, Die acht Namenlosen). Im selben Jahr durfte er auch erstmals als Autor für Perry Rhodan schreiben, Nummer 2346, Chindors Weg.
In der PR-Redaktion beurteilte man den Autoren offensichtlich viel freundlicher als bei Bastei und gab ihm bald eine noch größere Bewährungsmöglichkeit.
Im Jahre 2008 startete man bei VPM die zunächst auf 12 Bände ausgelegte Miniserie Perry-Rhodan-Action. Sie spielte in der Perry-Rhodan-Frühzeit zwischen dem Posbi-Zyklus und dem Auftauchen der Blues. Die Hauptrolle spielten Perry Rhodan himself und die Mutanten. Montillon steuerte zwei Romane bei. Außerdem verfasste er die Exposés und war für die Leserkontaktseite zuständig. Und die Serie war so erfolgreich, dass VPM noch zwei weitere zwölfbändige Kurzzyklen draufpackte. Darunter befanden sich wiederum zwei von Montillon verfasste Titel. Die Perry-Rhodan-Leserschaft war allerdings gespalten. Viele Leser der Erstauflage konnten sich nicht mit PRA anfreunden, störten sich z. B. an der überbordenden Action und dem penetrant im Mittelpunkt stehenden Perry Rhodan. Trotzdem fand die Serie auch treue Fans und wurde nach ihrer Einstellung im Jahre 2009 später noch als Taschenbuch neu aufgelegt. Montillon war weiterhin fest etablierter Teamautor bei der größten SF-Serie der Welt. Bis heute schrieb er 59 Romane für die Heftserie. Dazu kamen drei Romane für die PR-Taschenbuchserien, 6 PR-Neo-Taschenhefte und zwei Atlan-Taschenbücher.
Und seit Kurzem bildet Montillon zusammen mit Wim Vandemann das Expokratenteam von Perry Rhodan. Damit steht er in einer Reihe mit legendären SF-Autoren wie K. H. Scheer, William Voltz, Ernst Vlcek, Thomas Ziegler, Kurt Mahr und Robert Feldhoff.
Nicht schlecht für jemanden, dem Experten öffentlich bescheinigten, dass "SF" nicht das Richtige für ihn sei. Im Rückblick war die vernichtende Kritik der Basteiredakteure vielleicht sogar der Glücksfall für den Autoren Montillon. Wer weiß, ob er sonst heute dort wäre, wo er gerade ist.
Und was wurde aus den anderen?
Kommentare
Das ist absolut korrekt: Michael und ich haben uns absolut nicht im Streit getrennt nach den beiden MX von mir. Genauer gesagt: Wir haben uns überhaupt nicht getrennt. Denn nach den MX hab ich noch PZ gemacht, zwar mit Holger, wenn ichs recht weiß, aber das war ja ganz-nahe-an-Mike-dran.
Mike und ich hatten nie ein Problem, eigentlich. Eher "MX und ich". Ich wurde mit der SErie nicht warm, das hat man auch meinen beiden Romanen angemerkt - oder zumindest haben das manche, unter anderem Mike. Und er ist halt der Boss. Das ist auch gut so.
Und: Das Autoren "zu PR abwandern", das kommt halt vor, ja. Und das schrieb oben ja auch jemand, und ich denke, das ist ja auch kein Geheimnis: Klar ist bei PR die Auflage merklich höher und damit auch das Honorar. Das ist halt so.
Nochmal: Das mit MX und mir, das war sehr harmonisch und nix, was Mike anzulasten wäre.
Viele Grüße!
Christian