Raumschiff Promet Neo?
Raumschiff Promet Neo?
Der Blitz-Verlag verspricht große Dinge:
"Mit aktuellen und gut durchdachten Texten startet Deutschlands wohl kultigste Science-Fiction-Serie durch. Die Promet-Historie wird völlig neu aufgearbeitet. Verbliebene Rätsel werden endlich gelöst, Logikfehler der alten Romane ausgemerzt, der Spannungsbogen gestrafft. Die fehlenden zwölf Jahre zwischen 2095 bis 2107 werden aufgefüllt, bis hin zum Oktober 2109."
(Nachwort des Blitz-Verlages, S.154)
Peet Orell, Jörn Callaghan, Arn Borul, Szer Ekka, Gus Yonker und Pino Tak sind also zurück. Harry T. Orell und die mächtige HTO-Corporation bestimmen wieder die Geschicke der Menschheit, schwarze Raumer bedrohen die Galaxis und Vivien Raid macht den Männern die Hölle heiß? Ganz so einfach ist denn doch nicht.
Christian Montillon, spätesten seit Perry Rhodan Action jedem ein Begriff, hält sich zwar einigermaßen an die Story von Kurt Brand, ein paar Freiheiten nimmt er sich denn aber doch. So stellt er nicht den Absturz des moranischen Schiffes TIRA an den Anfang des Romans, sondern beginnt stattdessen mit dem Angriff der Schwarzen Raumer auf Moran. Brand hatte dies erst später als Flashback des bewußtlosen Arn Borul geschildert. Und überhaupt bei Montillon stürzt die TIRA gar nicht mehr ab, sondern explodiert schon in der Nähe des Mondes. Stilistisch schreibt Montillon flüssiger als damals Brand, bei dem es recht hektisch mit vielen Sprüngen zuging. Deshalb werden auch ein paar unwichtige Einschübe komplett weggelassen (Presse, Eskimo).
Ein Kapitel für sich ist die Darstellung von Vivien Raid. Kurt Brand hatte sie seinerzeit so eingeführt:
"Er prostete Vivien Raid zu und man hätte beide für ein Liebespaar halten können; denn Peet sah seinem attraktiven, schwarz- und langhaarigen Gegenüber lange und tief in die weich schimmernden Augen, die einen leichten Grünton besaßen. Die kostbare Lillom-Bluse mit dem passenden Ster-Rock kleidete sie wie eine zweite Haut, und die Bluse verriet, dass Vivien auch zu dieser Feier mal wieder keinen Büstenhalter trug.
Sie mochte sie nicht; sie konnte diese Dinger nicht ausstehen, und sie wartete auf den Tag, da Modeschöpfer etwas erfanden, das die Körbchen aus der Welt schaffte.
Vivien war nur Peets Freundin seit Jugendzeit. Man sah dem langbeinigen Wunderstück die hochgradige technische Begabung nicht an, ebenso ihre notorische Faulheit; denn sie hatte ein halbes Dutzend Disziplinen auf mehreren Colleges belegt, doch keine einzige mit einem Examen abgeschlossen.
Als sie auf Peets tiefen Blick hin ein Lächeln opferte, wurden ihre Lippen, die von Natur aus etwas breit geraten waren, noch breiter, aber sie gaben ihrem ovalen Gesicht einen Akzent, der sie noch bezaubernder erscheinen ließ.
Und sie wußte, wie sie auf Männer wirkte; nur nicht bei Peet und seinem Freund Jörn Callaghan, der sich gerade mit Harry T. Orell unterhielt und nicht auf die beiden achtete."
(Kurt Brand, Als der Fremde kam, S.8)
Bei Montillon sucht man an gleicher Stelle (Feier anläßlich des Erwerbs der großen Raumfahrerlizenz) vergeblich nach einer Schilderung von Vivien. Der Leser erfährt lediglich, dass sie eine Freundin von Peet ist und mit ihm zusammen studiert hat. Nicht mal die bei den anderen Charakteren obligatorischen Angaben zu Größe, ethnischer Herkunft, Haar- und Augenfarbe gönnt uns der Autor. Erst viel später im Roman wird dann ausgeführt:
"Er würde sich jetzt etwas Schlaf gönnen und danach mit Vivien Raid reden. Die Dreiundzwanzigjährige war technisch gesehen schon fast ein Genie. Immer wieder kamen ihr Ideen für kleine Erfindungen, die große Wirkung hatten. Niemand verstand ein neues Raumschiff oder eine neue Technik schneller als sie."
(Christian Montillon, Aufbruch, S.96)
Vivien Raid bleibt also recht blaß. Die ehemals so temperamentvolle und selbstbewußte Frau mutiert zum braven Mädchen, das nicht flucht. Damit wird ein belebendes Element der Originalserie ausgemerzt. Raumschiff Promet wurde ja nicht nur deshalb gelesen, weil es eine wohltuende Abwechslung zu den Agentromanen und Raumschlachten der Rhodanserie war. Die Leser schätzten auch den zwanglosen Umgang mit Sexualität, der ein Novum für die damalige SF-Heftlandschaft in Deutschland war.
Insgesamt liest sich der Roman von Montillon flüssig und angenehm. Es gibt aber auch Punkte, die bei einem so versierten SF-Autoren überraschen. So läuft an Bord der moranischen Tira ein schlichter "Motor", kein Triebwerk oder Reaktor. Die Tira ist kurz vor der Havarie in der Nähe des Mondes, aber die Erde bzw. Schedo scheint noch weit entfernt. (S.50-53) Wenn man an die kosmischen Entfernungen denkt, so ist es ein Katzensprung von Mond zur Erde oder anders ausgedrückt, wer in der Nähe des Mondes ist, kann die Erde gar nicht übersehen. Und dann die Schilderung der UV-Sichtigkeit des Moraners. Gemeint ist, dass der Moraner im ultravioletten Bereich des Spektrums sieht. Montillon leitet daraus ab, dass Borul bei normaler Beleuchtung quasi im Dunkeln herumtappt. Nun ist es aber so, dass die Sonne - und auch eine einfache Glühbirne - keinesfalls nur in einem Bereich des Wellenspektrums strahlt. Also Borul müsste auch bei normalem Sonnenschein oder bei Lampenlicht etwas sehen, natürlich etwas anderes als wir Normalsichtige, aber immerhin etwas.
Es gibt auch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu Perry-Rhodan-Neo. Die Prometromane kosten nicht 3,90 sondern stattliche 12,95 Euro. Die Erscheinungsweise ist nicht 14-tägig, sondern 2-monatlich.
Für mich war Raumschiff Promet in den siebzigern eines der Highlights der SF-Heftromanszene. Ich habe die Serie leider erst nach der Einstellung lesen können. Die ersten Romane gab es zusammen mit Terra Nova-Heften im Supermarkt, jeweils im Dreierpack in Plastik eingeschweißt. Die Romane unterschieden sich deutlich von Commander Scott oder Perry Rhodan, die es damals am Kiosk gab. Eine Handvoll Freunde gondelten mit ihrer privaten Yacht in der Galaxis herum und es bleibt dabei weitgehend friedlich. Die Crew hatte menschliche Schwächen und Bedürfnisse, es waren keine klinisch reinen Heldenabziehbilder. Wohltuend fand ich damals auch, dass die Abenteuer nach Band 30 eigentlich keinem roten Faden mehr folgten. Allerdings vollzog sich im Hintergrund der Abenteuer nach und nach die Einigung der Menschheit und die Besiedlung von Alpha Centauri. Der Erzkapitalist Harry T. Orell mußte einen Weg finden, mit den Vertretern der Weltregierung, zu denen auch der eingefleischte Kommunist Pjotr Chronew gehörte, auszukommen. Mal sehen, was davon in der Neufassung übrig bleibt. Vielleicht fällt es ja auch dem "gestrafften Handlungsbogen" zum Opfer. Eine kleine Enttäuschung ist auch, dass man bei Blitz nicht auf die Titelbilder von Manfred Schneider zurückgegriffen hat. Diese unverwechselbaren Zeichnungen gehören für mich zu Raumschiff Promet.
Aber zur Erinnerung auch bei Perry Rhodan Neo hat es einige Zeit gedauert, bis das ganze Potential abgerufen wurde. Sagen wir es einmal in Abwandlung von W.K.Giesa: Abwarten und Promet lesen!
Kommentare
Es handelt sich um eine "exklusive Sammlerauflage". Gibt aber auch eine ISBN: 978-3-89840-344-3.