Macabros revisited - Folge 2 Nebensächliches groß geschrieben…
Folge 2
Nebensächliches groß geschrieben…
Nachdem der Rezensent lange Zeit der Auffassung war, dass es sich bei dem ja eigentlich um den ersten richtigen Macabros handelt, während der erste Band „Der Monstermacher“ ohne weiteres überflogen oder gar übersprungen werden kann, da er dem Leser kaum relevante bzw. für die fortlaufende Handlung wichtige Details bietet, so musste er diese Auffassung, wie im ersten Teil dieser Artikel-Serie nachzulesen - unlängst revidieren.
Schließlich kommt es in diesem ersten Heft zu der schicksalhaften Begegnung mit Al Nafuur und auch der geheimnisvolle, versunkene Kontinent Xantilon findet bereits Erwähnung. Der Verfasser dieser Zeilen muss wohl einräumen, dass der intensive Konsum der damaligen Hörspiele dazu beigetragen haben mag, zu dieser Auffassung zu gelangen, fand dort doch der erste Roman doch nur insofern Beachtung, als die wichtigsten Ereignisse am Anfang der zweiten (und auch der weiteren) Folgen zusammengefasst wurde.
Dass dieser zweite Roman seinen Vorgänger übertrifft, sowohl in Bezug auf die episodenübergreifenden Ereignisse, als auch auf die Hauptstory, kann der Rezensent auch nach 30 Jahren noch bestätigen, auch wenn die Story um eine rachsüchtige Druidin nur unwesentlich überzeugender daherkommt. Im Gegensatz zum ersten Band hat der Autor es hier jedoch geschafft, die Handlung vielschichtiger zu gestalten und wenn er die Handlungsebenen am Ende miteinander verwebt, tut er das bereits genauso so geschickt, wie man es von dem späteren, komplexeren Macabros her kennt.
Es gibt überraschende Wendungen, scheinbar unbedeutende Figuren werden eingebaut, deren Einsatz am Ende aber zur schlüssigen, unerwarteten Lösung des Falls beitragen (was ebenso typisch wie beachtlich für Shocker ist) und zu guter Letzt fügt der Autor hier bereits erstaunlich viele für den weiteren Verlauf der Handlung wichtige Bausteine hinzu. Hellmark findet nicht nur die Nordspitze Xantilons, sondern kann auf dieser auch das berühmte „Schwert des Toten Gottes“ und das Buch der Gesetzte in seinen Besitz bringen, und er erfährt weitere Details zu seiner Bestimmung und seiner Herkunft. Dass auch in diesem Roman die Nebenhandlung wieder sehr viel Raum einnimmt, gerade am Anfang, darüber kann man bei diesem (im Vergleich zur Nummer 1) Füllhorn wichtiger Ereignisse getrost hinwegsehen.
Ebenso über die schon an anderer Stelle erwähnten Stilblüten und sprachlichen Eigenarten des Autors. Natürlich mag es nach heutigem Standard etwas schludrig erscheinen, wenn es bei Shocker noch anstatt „bis zum Tagesanbruch“, aber das sind eher Kiesel- als Stolpersteine. Und wenn man nach Ungereimtheiten und dergleichen sucht, so findet man sie natürlich auch hier wieder. So scheint der Name „Macabros“ dem Text nach eher eine Wortschöpfung des „allwissenden“ Erzählers, als des Helden zu sein, wird doch an keiner Stelle geschildert, wie Hellmark darauf kommt, seinem Doppelkörper diesen doch recht ungewöhnlichen und unpassenden Namen zu verleihen.
Irgendwann steht dann da halt einfach
„Er war Macabros“.
Aber irgendwie musste dieser griffige Titel ja schließlich in die Serie eingebaut werden. Amüsant sind auch die diversen, hoffnungslos veralteten Begriffe wie „Helfershelfer“. Aber das sind wie gesagt alles Meckereien auf einem Niveau, das nach der ersten Nummer bereits deutlich gesteigert wurde. Doch auch wenn ein derart immenser Handlungsfortschritt erst wieder mit dem achten Band erfolgen sollte, kann auch der mit ein paar serienbezogenen Details aufwarten. Da Björn Hellmark das Buch der Gesetze natürlich nicht selbst übersetzen kann, führt Shocker hier eine Figur ein, die das für ihn übernimmt: Den Sprachwissenschaftler Professor Bert Merthus.
Während dieser also mit seiner Übersetzungsarbeit beginnt, bekommen wir es auf der Hauptebene mit den auf dem Cover prangenden Untoten zu tun, welche wie schon im ersten Band wieder aus Experimenten hervorgehen. Diesmal wird den Opfern per Injektion ein Blutgemisch injiziert, das sie zu Flugvampiren mutieren lässt (während ein Pferd nach einer solchen Injektion einfach zu Staub zerfällt…). Und um den Wiederholungsfaktor perfekt zu machen, dient auch hier wieder - wie bereits im vorherigen Band - eine abgelegene Einsiedlerhütte als Schauplatz (zumindest zeitweise). Sogar ein Geheimgang ist wieder mit von der Partie. Dass die flatterhaften Blutsauerinnen sich dann am Ende als eher tageslichtscheu erweisen, überrascht den Horror-Kenner dann zwar nicht wirklich, aber immerhin geben sie sich nicht ganz und gar kampflos geschlagen, was durchaus packend geschildert wird. Dennoch stellt die im direkten Vergleich dazu doch eher behäbige Übersetzungsarbeit bzw. die ersten diesbezüglichen Fortschritte des Bert Merthus das eigentliche Highlight dieses Romans dar, geht es hier doch um die Dinge, die den aufmerksamen Leser der vorherigen Bände hauptsächlich interessieren dürften.
Was Stil und Sprache angeht, so befindet sich auch in diesem Roman wieder die eine oder andere etwas merkwürdige Satzkonstruktion, über die man stolpern kann, wenn sie auch den Lesefluss nur geringfügig stören, wie etwa die folgende Szene, in welcher der Held einem plappernden Taxifahrer ausgesetzt ist, der ihn „mit seinem Redeschwall durch die Stadt peitscht“:
„Die Begegnung mit dem Fahrer war wie ein Rausch, war Hektik und Karussell.“
Das hätte man auch anders formulieren können, und würde man heute anders formulieren, aber zum Glück sind solche sprachlichen Ausrutscher auch hier wieder die Ausnahme und regen vielleicht gerade deshalb eher zum Schmunzeln als zum Stirnrunzeln an.
Unterm Strich hat der Autor dem Leser hier ein klassisches Horror-Thema serviert und es auf die typische Shockersche Art variiert, indem er wieder einmal einen finsteren Gesellen am Menschen herum experimentieren lässt. Wer jedoch nach diesem Band glaubt, dass zwei Romane zum Thema „Experimente am lebenden Objekt“ erst einmal reichen dürften, der braucht nur einen Blick auf das Cover der Nr. 4 zu werfen, um eines besseren belehrt zu werden…
Er war normal. Aber er war anders.
Sein langes Haar fiel ihm in die Stirn und verdeckte sein Gesicht, als müsse er sich schämen.
Bösartiges hauchte ihn an.
Björn Hellmark guckte spazieren.
Bis jetzt hatten sie mit ihm gespielt, seine Angst und seine Qual begeistert.
Kommentare
Ich habe damals tatsächlich kein Macabros gelesen, anders als Larry Brent ist Björn Hellmark schlicht an mir vorbeigegangen.
Und ich habe gerade die ersten drei Bände erstmals (im Original) gelesen. Und bin so begeistert wie es Stefan wohl vor 40 Jahren war, obwohl bei mir die 5 heute am Anfang der Altersnennung steht.
Shocker versteht es gerade durch seine Sprache eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Und zwar in einem Maße, wie es selbst von mir geschätzte heutige Genre-Autoren (Hill, Schwichtenberg, Doyle) bei Zamorra und Sinclair nicht schaffen.
Seine Sprache ist weit elaborierter als die der zeitgenössischen Mitbewerber, was für Dich manchmal Stilblüten sind, sind bei uns schlicht umgangssprachliche Ausdrücke (die eine Schreibe auch frisch halten), hier im Norden stellen wir auch Worte durchaus an den Anfang, um sie zu betonen.
Dass er Nebenfiguren herausstellt, erhöht die Spannung, seine Perspektivwechsel finde ich eher gelungen. Vielleicht tragen sie sogar, entsprechend den Filmen Dario Argentos und dessen damals (1970) innovativen Filmsprache mittels ungewöhnlicher Kameraausrichtungen und eben Perspektiven, zur albtraumartigen Stimmung bei, das müsste man vielleicht mal eingehend analysieren.
Übrigens hast Du auch ein bisschen quergelesen? In Band 3 "experimentiert" der Bösewicht nicht am lebenden Objekt, sondern ein Hexer löst mit dem Blutgemisch geplant eine Vampirinvasion aus. Und das Pferd zerfällt, wie vom Hexer gewollt, sofort zu Staub, da es der Sonne ausgesetzt ist. Das passiert den "menschlichen Vampiren" ja auch.
Neben dem Stil von Shocker fasziniert mich diese Mischung aus Überraschungen, Phantasie und der Nutzung gängiger Genreklischees. Ein sehr gelungener Mix.
Und als Leser, der die Serie eben NICHT als Junge kannte, kann ich nur sagen: Ja, es lohnt sich, sie auch erstmals als Erwachsener zu lesen. Im Original! Unbearbeitet!