Des Martianmenschen schwere Bürde-Macht und Verantwortung bei Kurd Lasswitz' "Auf zwei Planeten"
Des Martianmenschen schwere Bürde
Macht und Verantwortung bei
Kurd Lasswitz' »Auf zwei Planeten«
Die eine Gruppe, die auch nach kurzer Zeit die Macht auf dem Mars ausübt, übernimmt die Erde als Kolonie, nicht unbedingt mit dem Ziel, die Erdlinge zu besseren Wesen zu machen, sondern so, wie koloniale Mächte eben vorgehen, mit durchaus eigenen Interessen hinter der vermeintlichen Vormundsführung des Mündels. Die britische Seeflotte wird durch die überlegenen Marsianer zerstört, was insbesondere einem deutschen Autor damals gefallen haben muss, zu schreiben. Vielleicht erlebte der Band auch deshalb mehrere Auflagen im damaligen Deutschland...
Die andere Seite der Marsianer, die eher friedlich gestimmten, verständigungsbereiten Nume, erkennen, dass die technologisch unterlegenen "Bat", die Erdenmenschen in ihren besten Ausprägungen europäischer Menschen durchaus mit den "Nume" auf einer moralischen Ebene stehen. Die sich besser dünkenden Marsianer sind dies also in ihren machtpolitischen Handlungen keineswegs. Hier wird den wirklich existierenden,irdischen Kolonialmächten des damalig noch herrschenden Restimperialismus ein schöner Spiegel vorgehalten, der allerdings vielen Zeitgenossen von damals, falls diese patriotisch-nationalistisch angehaucht waren, wohl nicht so gefallen hätte.
Der Roman ist ja, trotz seiner Längen und des etwas überkommenen Stiles sehr gut aufgebaut. Der Kontakt der Erdlinge mit den Marsianern kommt erst zögernd zustande, auf einer Nordpolfahrt, die Personenbeziehungen entwickeln sich, Charaktere werden vorgestellt, präziser ausgeführt und die Konflikte schleichen sich erst langsam und leise ein, bis sie in der Besetzung der Erde durch die Marianer kulminieren, als die "Militärfraktion" dort vorübergehend die Macht übernimmt.
Zum Glück gelingt es dem Autor auch, diesen Konflikt wieder halbwegs zu lösen, indem die Erde letztlich die Raumstationen über den Polen durch ein Kommandounternehmen übernimmt und auch die Marsianer in einen Spiegel sehen müssen, in dem sie, zumindest teilweise, erkennen, dass sie nicht die moralisch so überlegene Macht sind, als die sie sich eigentlich fühlen. Dieser Roman ist also eine schöne Allegorie auf die damaligen Großmächte und deren (Ex)-Kolonien, die sich in Freiheitskämpfen ihre Unabhängigkeit erstreiten konnten (nicht nur GB/USA).
Wahrscheinlich aber wurde der Roman, vor allem auch in Deutschland, wo er ja erschienen ist, nicht so gelesen, sondern nur die Primärhandlung wurde von den damaligen Lesern der Phantastik verfolgt und verstanden. Handelt es sich bei dieser Geschichte also zwar um ein interplanetares Abenteuer, so ist die Story doch eigentlich ein moralisches Lehrstück in den Problemen der Kolonialisierung scheinbar unterlegener Völker, die so begrifflich abgestempelt werden, nur weil sie andere kulturelle Schwerpunkte haben als die Eroberer und damit als "barbarisch" klassifiziert werden können...
Diesen Konflikt von beiden Seiten her zu überwinden, zeigt dieser klassische deutsche SF-Roman durchaus in Lösungsansätzen an, andererseits konerkariert er diese moralischen Forderungen, indem der Autor, doch recht zeitgeistgemäß, die Europäer als kulturell und damit auch moralisch überlegen gegenüber den Inuit, den "Eskimos" hinstellt. Insofern also kann auch Kurd Lasswitz als Kind seiner Zeit nicht vollständig seinen moralischen Zwängen entfliehen.
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