»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Das Dämonenhaus - Gespenster-Krimi Nr. 46 von Frank de Lorca
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Das Dämonenhaus«
Gespenster-Krimi Nr. 46 von Frank de Lorca
Also habe ich mir meine Schäufelchen geschnappt und bin mal ganz tief in den Regalstapeln suchen gegangen, ob ich da nicht doch noch eine Serie vergessen hatte, eine alte womöglich...
Und: ja richtig, da gab es ja noch den „Gespenster-Krimi“, das Anthologieflaggschiff, dass sie (fast) alle überlebt hat, bis auch die letzten dieser Romanheftmammuts im Schneesturm der fortschreitenden 80er verschwanden. Immerhin 597 Romane hat die Reihe zusammen bekommen, damit lag die Reihe noch über 100 Romane vor dem Silber-Grusel-Krimi, der noch ein Jahr länger durchhielt (für Statistiker: 1985 bzw. 1986 ex gegangen).
Von denen hatte ich mir noch gar nichts vorgenommen, dabei hatte mit dieser Serie ja vieles angefangen, was heute noch laut nachhallt. Der ewige „John Sinclair“ war ein Kind des GK – beginnend schon mit der Nr.1 – und wurde später nach 50 Romanen als selbständig ausgekoppelt. Ähnlich ging es dem Kollegen Tony Ballard, der sich sogar 67fach dem Willen seines Autoren Friedrich Tenkrats hingab, um dann zweihundertmal mit einer eigenen Serie aufzutreten.
Andere hatten weniger Glück, wie etwa der umtriebige Dämonenjäger Frank Connors, der schon mit Nr.51 debütierte, nie ausgekoppelt wurde, es aber auf 53 Beiträge brachte und zuletzt noch im vorletzten Band tätig war.
Klar, auch hier lief nicht immer alles rund, viele Subserien versandeten wieder; andere, wie beispielsweise „Ted Ewigk“ und die Silbermonddruiden Gryf und Teri hatte ihre kurzen und kürzeren Auftritte, ehe sie dann in „Professor Zamorra“ integriert wurden.
Und als die Tage für den GK kürzer wurden, da versuchte man es sogar mit einem Intensivkonzept, um zu retten, was zu retten war. Man koppelte einfach eine ganze Handvoll Subserien aneinander und verzichtete fast völlig auf Einzelromane, so daß die Leser drei Jahre lang fast ausschließlich einen „Daniel O'Shea“, „Mack Norman“, „Coogan“, „Hexer“ oder „Damona King“ erwarten konnten, wenn sie zum Kiosk pilgerten, der Kundenbindung wegen. Das hatte durchaus positive Ergebnisse, die Stories wurden übergreifender, die Themen breiter, die Szenarios phantasievoller.
Die selige „Damona King“, relativ erfolglos durch 107 eigene Heftromane gestritten, bekam im GK einen 22bändigen wohlstrukturierten Höhepunkt und Abschluss, den man als wirklich gelesen haben sollte. Der Zug und die Struktur, die dort präsentiert wurden, fehlte der eigenen Serie lange Zeit. Und „Der Hexer“ sollte seinen eigenen Erfolgsweg antreten, sollte als „sole survivor“ den GK beerben, nur bedingt erfolgreich sein, dann aber vom Autor durch diverse Taschenbuchinkarnationen getrieben und redigiert werden, bis er dann als Klassiker anerkannt wurde.
Ja, im GK war eine Menge los.
Ich persönlich war damals im Romantauschladen (ja, Kinder, die gab es reichlich in vielen Städten, so vor dem Internet und Ebay und Smartphones und fünfstelligen Postleitzahlen...) hauptsächlich auf Ballards und Sinclairs aus und entschied sonst nach Thema und Titelbild (so leicht beeinflussbar, wie man mit dreizehn Jahren halt ist...). Da die Serie schon lief, seit ich noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gelaufen war (streng genommen seit 1973), waren Mitte der 80er die alten Romane eher selten geworden, man bekam hauptsächlich Material ab Band 250 (womit ich lange auf die Sinclairs verzichten musste, da dieser ab 215 out-of-GK war).
Und damit kommen wir zu meiner Entscheidung, mal einen richtig alten Käse auszugraben, der ohne Kreuz und Silberkugeln auskommt, um mal zu schauen, ob Rellergerd und Tenkrat damals wirklich das Maß aller Dinge waren. Beim Schaufeln plumpste mir die Nr.46 vor die Füße, das schien mir alt genug zu sein, als die Chose am Kiosk lag, hatte Gerd Müller die Deutschen gerade zum 2.WM-Titel geschossen und ich kam im Kindergarten frisch in die „Enten“-Gruppe.
Also flugs aufgeschlagen, den Seitengilb ignoriert und mal schauen, wie man damals Dämonenopfer verhackstückt hat...
Zum Inhalt:
Irgendwo in Schottland, in der Nähe von Sanquhar, steht ein dreihundert Jahre altes, halb verfallenes Farmhaus, genannt „Cripple House“, das lieber niemand haben will, weil es dort umgeht.
Jeff Clarke will aber mit Susan Hogarth eine Runde schmusen und daher wagt er den Tabubruch, obwohl ihm (und ihr) dabei die Hose flattert. Ein Gewitter zieht auf, eine Mädchengestalt sitzt am Tisch im Haus, die mal ein normales Gesicht und mal einen Totenschädel als Haupt präsentiert. Unsere Liebenden nehmen die Beine in die Hand und kommen gerade so mit dem Leben davon.
Das steht für Peter Newton und Janet Culver natürlich nicht zu erwarten. Peter hat das Haus just geerbt (von einer gewissen Gloria Carter, die junge Dame mit dem Totenschädel) und fühlt sich nun als potentieller Landhausherr. Man reist von Glasgow aus an, doch bei Ankunft kriegen sämtliche Einheimischen bezüglich einer simplen Wegbeschreibung große Augen. Anschließend sofortige Flucht aller Beteiligten.
Das hält unser Pärchen aber nicht auf, also gelangen sie in der Einöde ans Ziel. Das Gebäude ist marode, Licht gibt es auch nicht und man müsste mal wieder durchwischen. Und dann ist da noch ein Totenschädel in einer Nische, mit krummen und langen Zähnen. Janet geht sofort der Stift, aber Peter hat für den nächsten Tag schon ein halbes Dutzend Freunde eingeladen und drängt zur gemeinsamen Übernachtung.
Kaum hat man sich eingerichtet, geht der Zauber auch schon los: von der Decke tropft eine rötliche Flüssigkeit, bei der nun nötigen Inspektion des Dachbodens zeichnen sich körperlose Fußumrisse ab, die auf die Besucher durch den Bodenstaub zugehen. Janet plumpst auf dem Rückweg die Treppe runter und nimmt per Stirn einen Balken mit. Daraufhin bekommt sie nicht mit, dass das Getropfte einen Totenschädel bildet.
Jeder halbwegs rationale Mensch würde jetzt seine sieben Sachen fluchtartig zum Auto schaffen, aber Peter bleibt dank Janets fiebriger Ohnmacht erst mal vor Ort, obwohl ihm selbige Bewußtlosigkeit als zu lang und unnatürlich vorkommt. Auf einem Gemälde entdeckt er zusätzlich ein erst kopfloses Mädel, dann einen Totenschädel, kurz darauf zerbröselt sein Reiseproviant zu Staub. Weil er aber seine Angetraute nicht wach bekommt, tut er das einzig Unrichtige und lötet sich ordentlich zu.
Er erwacht, weil ihn jemand im Dunkeln knutscht, aber Janet ist es nicht. Janet ist überhaupt nicht da, doch auch die Brünette hat sich in Luft aufgelöst, dafür erklingt Gelächter aus der leeren Luft. Janet sitzt derweil draußen und wehrt sich gegen Peters Rücktransportpläne mit Zähnen und Klauen. Anschließend erwacht sie mit veritablem Filmriss, woraufhin man gemeinsam schlafen geht.
Am nächsten Morgen ist alles anders: nun will sie nicht mehr weg, weil es so schön ist. Peter fährt notgedrungen – Janet verpennt den halben Tag – allein in den Ort und holt frischen Proviant, wobei er den Einfluss des Hauses auf sich deutlich spürt.
Um die Mittagszeit tauchen dann die Freunde auf: Ron, Rita, Dan, Lynn, Harry und Ursula vervollkommnen den potentiellen Bodycount. Ron fingert keck an dem Totenschädel rum und wird prompt in die Pfote gebissen. Der Schädel entwickelt daraufhin Rutsch- und Schwebequalitäten, widersetzt sich Eisenstangenattacken und verschwindet auch mal zwischendurch, lässt sich aber weder beschädigen noch zerstören.
Nachdem das Phänomen ordentlich, aber nicht zwingend logisch durchdiskutiert ist, wird das Haus durchsucht und nach einigen Schwierigkeiten gelangt man auch in den Keller. Dort findet man einen halb vergammelten Sarg, ein kopfloses Skelett und verschlossene weitere Türen. Das kommt beim weiblichen Urlauberanteil nicht gut an, doch der Fluchtversuch endet in Regen und unheimlichen Moorlöchern, so dass man zwangsläufig umkehren muss.
Ron mutiert nach dem Biss inzwischen munter vor sich hin und setzt ungewollt Körperbehaarung an. Und während der guten Nacht erklingen um Mitternacht Schritte und ein leuchtendes, kopfloses Skelett macht einen Besuch in den oberen Etagen...
Eindrücke:
Ich bin jetzt mal fies und gemein und stoppe die Detailbeschreibung an dieser Stelle auf Seite 37, denn bis dahin hat Kurt Luif – der abonnierte Vampir- und Dämonenkillerautor liefert hiermit seinen einzigen GK ab – eine so wunderbar atmosphärische wie typisch idiotische Blaupause für Filme wie „The Evil Dead / Tanz der Teufel“ produziert, das ich ihn dafür einfach lieb haben muss.
Klar, die Figuren sind das Übliche, die Entscheidungen im Haus zu verweilen trotz diverser gegenteiliger Anzeichen mehr als hanebüchen und die Gruseleffekte hat man aus allen verfügbaren Klassikern von Hammer-Filmen bis zu M.R. James zusammen gesammelt, aber obwohl eigentlich wenig passiert, funktioniert das alles.
Fehlt eigentlich nur noch der typische Bodycount und der startet dann auf Seite 38 – und das nicht zu knapp. Luif kennt keine Verwandten, er greift mal ganz tief in die Ketchuppulle und veredelt so binnen 10 Seiten einige zerfetzte Kehlen mit deftigen Blutfontänen und lässt auch sonst den Terrorhammer kreisen. Der gute Ron mutiert übrigens derweil selbst zum haarigen Rumpelwicht und meuchelt mit, marschiert dann aber fröhlich außer Haus und in die nächste Ortschaft, wo er beim Bäcker anklopft und dieser um ein Haar in seinen Brotteig fällt.
Es ist schon fast enttäuschend, wenn die Story auf Seite 49 plötzlich die Wendung zum traditionellen Horror-Heftroman nimmt und Inspektor Cliff Roberts ins Spiel kommt (Benachrichtigungsverlauf: Bäcker...Dorfpolizei...Polizei...Roberts!), der schon Erfahrung mit derlei übernatürlichen Fällen hat, dazu noch eine mobile Eingreiftruppe mit Flammenwerfern und einen Hubi/Heli zwecks schnellen Zugriffs. Dennoch bleibt der Roman hochunterhaltsam, mischt vampirische und wölfische Mythenbestandteile wild durcheinander, lässt noch ein paar Nebenfiguren über die Klinge springen, bis ein Brief praktisch auf der drittletzten Seite alle Vorgänge in einen sinnvollen Zusammenhang setzt. Das bewahrt den Leser aber nicht vor der bösen Pointe auf der allerletzten Seite.
Es ist sicher spürbar: „Das Dämonenhaus“ hat mir gefallen. Gebe ich zu, endlich mal hat eine Geschichte funktioniert, obwohl sie mit Klischees verziert war und doch die wesentlichen Bestandteilen letztendlich auffindbar waren.
Wie jedoch das alles vermischt wurde, ist besser gelungen und wirkt stringenter als in anderen Fällen, allein die Entscheidung, aus den ersten 60 Prozent des Romans eine Art auswegloses Closed-Room-Puzzle zu machen, halte ich für mutig. Wären die Figuren dabei noch etwas verzweifelter und weniger ignorant und die Charaktervertiefung nicht so marginal (stattdessen dreht das Argumentieren immer wieder ins Leere oder es werden drei Seiten an das Öffnen der Kellertür verschwendet), wäre das vielleicht ein Klassiker.
Andererseits: der Roman schaffte es als Nr.3 schon in die Best-of-Reihe „Dämonenland“, wo Luif jedoch unter seinem anderen Pseudonym (aus dem DK) „Neal Davenport“ geführt wird und wurde sogar (in Teilen) in ein Hörspiel gleichen Namens transformiert.
Beeindruckend ist auch, einen Roman nach so etwas dann zu einer ordentlichen Runde auf dem Terrorkarussell zu machen, bei der dem Goregehalt noch nicht die engsten Zügel angelegt waren und man es bis zur letzten Seite ordentlich krachen ließ, die perfekte entgegen gesetzte Anlage von leisem atmosphärischen und lautem Kreischhorror mit Monstergebrüll.
Daß die Geistererscheinungen (Dämonen kommen in dem Roman übrigens nicht so recht vor, aber Luif lässt das erfrischend ambivalent.) zu ziemlich beliebigen Mitteln greifen und was sie denn nun eigentlich wollen, kommt erst in der zweiten Hälfte zum Tragen, aber ich habe mich an der morbiden Stimmung, dem düster-gräulichen Verfall und an der „Andersartigkeit“ der Angreifer sehr erfreut. Und schön zu erfahren, dass niemand im Raum sicher ist!
Der Gespenster-Krimi hat mir also einen schönen Empfang bereitet, also werde ich noch ein wenig darin rumwildern, mein Zweitversuch wird ähnlich „alt“ werden, aber hoffentlich noch ganz so glatt gebügelt sein, wie so mancher Vielfachbeitrag etablierter Autoren.
Darauf jetzt einen Apfel...pardon...Appel...
Kommentare
Ich teile auch nicht die Ansicht, dass die Serienphase am Ende des GK die Qualität angehoben hätte. Sicher ist richtig, dass die Leser das bekamen, was sie wollten - Serien bis zum abwinken -, und dass keiner mehr etwas mit Einzelbeiträgen anfangen konnte oder wollte. Aber ob Sachen wie Frank Connor oder Mack Norman nicht doch nur austauschbar sind, ist letztlich reine Geschmackfrage. Eigentlich ist es ein Phänomen, dass sich die Reihen überhaupt so lange hielten.
An dem Roman kann man schön die Frage diskutieren, wo der Unterschied zwischen einem VHR und einem GK lag. Zu der Zeit war Luif doch ein fester Bestandteil von Pabel, und eigentlich gibt es keinen Grund, warum das kein Burcette hätte werden können.
Originelle These, das mit dem Aufschwung am Schluß.
Ich habe mich eh immer mehr für die einzelhefte bei GK interessiert und deshalb die letzten 100 nicht so im Auge - immerhin, es gibt die sonderbaren Hohlbein-Hefte...Dass die letzten GK-Damonas besser sind als die Reihe selbst, ist interessant, hab ich so noch nie gehört. So weit bin ich nie gekommen. ich fand die Damona-Reihe nie so interessant wie andere, trotz guter Ausgangsidee -wann hat man schon mal ne Serienheldin im Heft-Horror? (abgesehen von der zuweilen sehr flott geschriebenen, recht unterschätzten Jessica Bannister bei bastei )?
Immerhin gab es aber im GK mehrere interessante Varianten von "Helden", das war recht abwechslungsreich - damals hatte ich die vielen Einzelabenteuer ja auch noch nicht so intensiv verfolgt und empfand Serien als Nonplusultra. Damals zumindest.
Was Damona King angeht: bei den ewigen Anlaufschwierigkeiten der eigentständigen Serie waren die GK-Beiträge imho ein bisl runder und fokussierter, die Serie brauchte bis Band 60, um in Schwung zu kommen.
@Toni: Scheint ja sein einziger Beitrag zu sein - kleiner Ausrutscher, der offenbar nicht genug ankam!
"1973 sandte ich das Expo "Das Dämonenhaus" an Pabel. Es hatte einen ganz anderen Titel und sollte sehr stimmungsvoll an einem österreichischen See spielen. Bernhardt lehnte ab! So schickte ich es an Kelter, die hatten gerade eine Grusel-Reihe gestartet, und einen Krimi von mir veröffentlicht. Die waren auch nicht begeistert, sie rieten mir, die Handlung nach England oder Schottland zu verlegen. Zähneknirschend akzeptierte ich das, obwohl es überhaupt nicht hinhaute, von Stimmung keine Spur, der Roman wurde zu dem, was er nun ist, eher mäßig. Den Kelter-Leuten gefiel er auch nicht: Mit ein paar boshaften Bemerkungen versehen bekam ich ihn zurück. Ziemlich angefressen hockte ich nun da und probierte es schließlich bei Bastei. Wie er dort gefiel? Keine Ahnung, ich bekam jedenfalls einen Vertrag."
"[...] aber die Zeit für Einzelromanserien war wohl einfach vorbei und die meisten Szenarien durchgespielt. "
Und Zitat: Schnabel:
"[...] sie rieten mir, die Handlung nach England oder Schottland zu verlegen. Zähneknirschend akzeptierte ich das, obwohl es überhaupt nicht hinhaute, von Stimmung keine Spur, [...]"
Ich glaube das sagt irgendwie schon einiges aus, wenn man die Zitate mal genau ansieht.
Ich mochte damals die Einzelromane sogar ziemlich gerne, während mich Serien mit der Zeit langweilten (der Held nervte mit der Zeit beängstigend). Aber die Verlage ballerten da jede Menge eben durch wirklich eingefahrene Schienen, was dem Einzelroman wirklich nicht gut tat. Die schauten einfach zu viele Hammer-Filme in den Führungsetagen der Verlage und das färbte halt negativ ab.