Der Luftpirat und Matthias - Band 18 Kapitän Mors und die Verräter
Band 18 –
Kapitän Mors und die Verräter
Band 18 – Kapitän Mors und die Verräter
Mors geheime Insel. Ein Bergwerksstädtchen im Ural (Russland).
Was bisher geschah
Europa, um 1905. Kapitän Mors war einst ein genialer Ingenieur, der im Kaukasus lebte und von Russland politisch verfolgt wurde. Im Geheimen baut er mit treuen Gehilfen ein gigantisches Kriegs-Luftschiff aus Metall, rüstet es mit hypermodernen selbsterfundenen Superwaffen aus, zieht als Robin Hood der Lüfte durch die Welt und überfällt Schiffstransporte, Gold- und Diamantenminen, um das Geld den Armen zu schenken.
Die großen Konzerne der Welt versuchten bisher vergeblich, des Luftpiraten habhaft zu werden. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Auf der geheimnisvollen Insel des Kapitäns wird fieberhaft gebaut. Ein Observatorium entsteht. Denn Mors geheime Pläne nehmen immer mehr Gestalt an. Endlich enthüllt er seine wahren Visionen dem engsten Vertrauten Lindo, ohne wie früher nur in dunklen Andeutungen zu reden: Er plant den Bau eines Raumschiffs. Das sogenannte „Weltenfahrzeug“ soll einige Rätsel lüften, die den Kapitän schon lange beschäftigen. Zum Beispiel sind da die regelmäßigen Lichtsignale vom Mars, die nur von intelligenten Lebewesen stammen können. Der Käpten räumt leicht blasiert ein:
„Glaubst du nicht, dass auch für meinen Feuergeist die Zeit kommt, wo ich vielleicht Langeweile empfinde, die Wunder der Erde zu besuchen? Die Zeit kommt und vielleicht bald, ich fühle es.“
Und dann umreißt Mors die späteren Abenteuer - oder doch einen Teil von ihnen, denn ganz wird er sein geliebtes Luftschiff und seine irdischen Abenteuer nie aufgeben:
„Dann will ich imstande sein, über die Erde hinauszugehen. Dann will ich ein anderes Fahrzeug bauen. Noch anders geformt als das lenkbare Luftschiff, ein Weltenfahrzeug, ein Fahrzeug, mit dem ich den Luftraum der Erde verlasse und mit welchem ich den Mond und vielleicht auch die Planeten besuchen kann. Das ist das Ziel, dem ich zustrebe.“
Doch da gibt es noch eine Menge Kleinkram zu erledigen, bevor das erste Raumschiff der Heftromangeschichte starten kann. Zum Beispiel muß ein ganz besonderes Metall dafür beschafft werden: Platin. Und das will der Luftpirat wie immer aus einem Bergwerk klauen.
Dafür knattert er mit dem berüchtigten lenkbaren Luftschiff in den Ural, in die Nähe eines Kleinstädtchens, in dem Platin abgebaut wird. Die Sache scheint recht unkompliziert: Russen sind trunksüchtig, dämlich und bestechlich. Man schickt zwei Spione aus, die die Wachen der Lagerhallen mit so viel Geld bestechen sollen, dass sie heimlich die Tore öffnen, und weg ist das Zeug.
Was dem Piraten entgangen ist: Der Besitzer hat gewechselt. Das Bergwerk ist von einer amerikanischen Firma gekauft worden, die jetzt dort den Abbau organisiert. Mister Morgan, der Chef, ist bestens im Bilde über die Untaten des Luftpiraten, denn seine Firma gehört zu einem Großunternehmen, das schon öfter mit ihm zu tun hatte und durch Überfälle geschädigt wurde.
Und auch der Zufall kommt ihm zur Hilfe: Ein russischer Angestellter belauscht zufällig durch eine dünne Wirtshauswand das Gespräch zweier Spione des Luftpiraten, ein amerikanisches Geschwisterpaar, das lange in Rußland gelebt hat. Morgan beschließt, die beiden „umzudrehen“.
Geschickt überredet er die Geschwister, auf seine Seite überzuwechseln. Besonders die Frau ist bereit – längst hat sie das einsame Leben auf dem Schiff und der Insel des Luftpiraten satt. Morgan stellt die beiden vor die Alternative: Lebenslänglich Gefängnis – oder für Amerika und gegen Kapitän Mors arbeiten. Und so wechseln beide schließlich das Lager.
Der Plan ist einfach und wirkungsvoll – zwei Russen, angebliche Wachen und Kenner des Bergwerks, sollen Mors am nächsten Morgen führen und die Türen öffnen. Beide werden auf dem Luftschiff willkommen geheißen und von den Geschwistern vorgestellt. Nichts Böses ahnend, weist Mors ihnen Kabinen an und wünscht Gute Nacht.
Seine ruhelose Tüftelarbeit an den Raumschiff-Plänen und ein Spiegel retten ihn vor dem Tod. Er ist noch wach in seiner Kapitänskajüte, und durch seinen Spiegel sieht er das Quartett – die beiden Russen und seine Spione – schwerbewaffnet nahen. Er ist gewappnet, stürzt einen schweren Tisch um und liefert sich dahinter ein wildes Gefecht mit den Angreifern. Selige Zeiten, als Revolverkugeln noch keine Tischplatten durchschlugen!
Mors kann sich in ein hinteres Kabinett retten, wo einige seiner Gasgranaten aufbewahrt werden. Damit setzt er die Angreifer außer Gefecht. Dann schlägt er Alarm.
Die Mannschaft hat nicht mehr viel zu tun und muß nur noch die ohnmächtigen Feinde einsammeln und fesseln. Der sehr wütende, aber äußerlich eiskalte Luftpirat befiehlt einen sofortigen Direktangriff aufs Bergwerk. Dabei erbeutet er 2000 Kilo Platin und läßt die amerikanische Leitung tobend zurück. Einem der Russen, die ihn eigentlich hatten umbringen wollen, hat ihm nun beim Angriff geholfen und Insiderwissen weitergegeben. Ihn läßt Mors wieder frei. Die andern drei werden hart bestraft – die Frau mit lebenslänglicher Haft auf der geheimnisvollen Insel, die andern beiden Männer durch den Strang. Das Heft endet düster: Am Stahl-Sporn des Luftschiffs
„...hingen an zwei Seilen die Leichname Walkers und des Russen, die im Luftstrom hin und her schaukelten und mit den verglasten, gebrochenen Augen grauenvoll in das Leere starrten.“
Kommentar
Ob man dieses harsche, recht ruppige Heft mag, ist wohl Geschmackssache. Jedenfalls ist es mal keine romantische Geschichte, und eigentlich zeigt sich keiner der Parteien so recht von seiner Schokoladenseite. Deswegen finde ich diese Folge recht bemerkenswert. Fast realistisch, ja zynisch zeigt sie, wie leicht es ist, Spione umzudrehen, Leute zu ködern.
Die Stärken dieses Heftes, mal abgesehen von der nüchternen bis finsteren Schreibe, liegen aber eher in den Details als im Plot. Obwohl durchgehend spannend geschrieben, ist doch die gesponnene Verräter-Intrige recht hausbacken und auch in dieser Reihe schon ähnlich zu lesen gewesen. Auch die eingesetzten Waffen sind inzwischen altbekannt – die „Dunstkugeln“, die Elektro-Pistolen. Übrigens erstaunlich, dass ein „Essigschwamm“, an die Nase gehalten, den Luftpiraten und seine Mannschaft vor den narkotischen Dämpfen ihrer eigenen Granaten schützt. Klingt absurd, aber ist nicht ganz unmöglich – es könnte ja durchaus eine Substanz in dem Schwamm sein, die das Gas neutralisiert...oder filtert.
Interessant ist natürlich vor allem das erste Kapitel, das endgültig die Weichen stellt für spätere Weltraumabenteuer. Das Bekenntnis des Kapitäns, mit seinem Luftschiff an die Grenzen des Erstaunlichen zu stoßen und deswegen neue Gefilde entdecken zu wollen, ist programmatisch. Hier wird die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in der Spannungsliteratur vollzogen. Waren den Abenteuerschriftstellern Rächerjagden rund um die Welt oder lange exotische Expeditionen in unbekannte Reiche immer genug der fesselnden Unterhaltung, so zeichnet sich jetzt, um 1908, ganz allmählich eine Neuorientierung ab. Die Autoren des Luftpiraten sind die ersten weltweit, die den Kosmos für Serienabenteuer entdecken und damit die Tür zur Sience fiction aufstoßen, wie wir sie heute kennen. Natürlich haben sie Vorbilder Kurd Lasswitz, Oscar Hoffmann und H.G. Wells gelesen, wie bei den Passagen über den Mars deutlich wird:
„Menschen gibt es eigentlich nur auf der Erde“, aber dort oben“, er deutete auf den roten Stern, „da wohnen aller Wahrscheinlichkeit nach Geschöpfe, die nach meiner Überzeugung mehr Intelligenz besitzen als wir Erdenbewohner, und das ist kein Wunder, denn jener Stern, dieser Planet, muß ja viel früher erkaltet sein als unsere Erde, folglich muß sich auch früher da oben das Leben entwickelt haben. Da ist alles weit fortgeschrittener als wie (!) bei uns. (…) Jene Wesen, die ich da oben vermute, ja noch mehr, die ich als bestimmt voraussetze, die geben uns aller Wahrscheinlichkeit nach Signale.“
Die These von dem älteren Zivilisationssystem auf dem Mars haben auch schon Lasswitz und Wells postuliert, ja sogar in einem der ältesten Mars-Romane der Moderne, „Jenseits des Zodiakus“ (1880) spielt sie eine Rolle. Bald wird sie Allgemeingut und fast ein Klischee in der Unterhaltungsliteratur. Gleich das allererste SF-Pulp-Heft, die Erstausgabe von Gernsbacks „Amazing Stories“ wird 1926 mit einer schaurigen Geschichte aufwarten, in der die Marsianer uns die Meere absaugen, um ihre Meertäler wieder zu füllen.
Hier allerdings im Luftpiraten-Heft Nr. 18 ist das alles noch frisch und sehr unheimlich.