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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Das Rätsel des Monstersees - Gespenster-Krimi Nr. 399 von Frederic Collins

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Das Rätsel des Monstersees«
Gespenster-Krimi Nr. 399 von Frederic Collins

Wie doch die Zeit vergeht!

Zwei Jahre lagen zwischen den Veröffentlichungen des letzten Testfalls (Gespenster-Krimi 298) und dem vorliegenden Band und gut sechs Jahre zwischen diesem und dem vorletzten.


Und es gestaltet sich als ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Was in der Blütezeit der 70er noch frisch und relativ roh veröffentlicht werden konnte, komplett mit recht graphischen Gewaltdarstellungen und griffigen Details war alsbald inhaltlich und darstellerisch bereinigt worden. Da marschierten immer noch Monstren durchs Moor, marodierten Werwölfe durch den nächtlichen Forst und menschliche Opfer kamen mannigfaltig ums Leben, aber es wurde eben dann doch erzählerisch ausgeblendet, abgemildert oder gänzlich blutentleert (nicht vampirisch selbstverständlich) präsentiert.

Hart an der Grenze zur 400er-Marke – Höhepunkte, die die meisten Anthologieserien seltsamerweise komplett vernachlässigten – wirkt der Gespenster-Krimi plötzlich klinisch rein.

Die Story hat immer noch so ihre Qualitäten, aber alles wirkt auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, damit es auch ja keine Querelen mehr mit der Zensur gebe, wie der „Dämonenkiller“ es ja des öfteren erleiden musste.

Für den weithin lesenden Horrorfan gestaltet sich der damalige Output (Wunderers Roman erschien im Mai 1981) inzwischen als erschreckend brav – der Körper wurde zunehmend zum Heiligtum, dem kaum mal eine lebensnotwendige Körperflüssigkeit oder ein wichtiges Organ/Glied entnommen wurde oder verlustig ging.

„Das Rätsel des Monstersees“ entpuppt sich dann auch als das Beste und das Schlimmste aus beiden Welten – hier trifft die totale Gruselromankonfektion britischen Zuschnitts auf einen im Grunde recht interessant-mysteriösen Fall, dessen gruselig-unwirkliche Elemente stets durch die ungemein platten und klischeebekleisterten Figuren wieder zunichte gemacht werden.
Warum nicht einfach mal den Mann ohne Eigenschaften ins Grauen stürzen? Warum nicht mal einen Charakter im Romanverlauf entwickeln? Warum nicht mal Figuren außerhalb von Opas Mottenkiste, die nach meiner bescheidenen Meinung für die Romane zwischen 1970 und 1989 zumeist irgendwo während des Hochs der Edgar-Wallace-Filmserie gefüllt wurde.

Das hier ist und war kein schlechter Roman, aber es ist auch gleichzeitig ein gutes Beispiel dafür, was an den Einzelromanen irgendwann so ermüdend wurde, dass die Heftromane alsbald mehr als Jugendsünde in der literarischen Entwicklung positioniert wurden. Gutes und Schlechtes kann sich durchaus die Waage halten – allein bleibt die Frage, ob das Existenzgrundlage genug war.
Sieht man die Entwicklung, die die Grusel- und Horrorliteratur genommen hat, wundert das Aussterben so vieler Serien gar nicht mehr...

Aber schauen wir mal, mit was man so einen Roman so füllen konnte...

Das Rätsel des MonsterseesZum Inhalt:
In Schottland gehen unheimliche Dinge vor sich.

Frank Asher wird Opfer eines Tentakelmonstrums, das ihn in die Tiefen eins Sees zieht. Kurz darauf steht er leicht verwirrt vor seiner Ehegattin daheim in Edinburgh, obwohl er doch noch eine Woche durch die Highlands wandern wollte. Kurz darauf verschwindet er wieder und überfällt dann eine Bank in London. Doch wenig später ist er wieder daheim und hat diverse Zeugen, die bestätigen können, dass er die Bank nicht ausgeraubt haben kann. Das Gleiche wiederholt sich mit dem ebenfalls vorbestraften Ernest Cukore, der einen Posttransport überfällt.

Weil die Vorfälle so seltsam sind, beauftragt Scotland Yard-Chef Sir Basil, ein rundlicher Bürokrat, seinen Ex-Mitarbeiter Don Kenton, inzwischen Privatdetektiv, obwohl er ihn nicht leider kann, mittels geheimen Spezialauftrag der Aufklärung. Grund sind seine unkonventionellen Ermittlungsmethoden, die ihn den Job auch hatten hinschmeißen lassen.

Don hat auch gleich alle Hände voll zu tun – seine Freundin Linda, ein Rasseweib aus reichem Hause hat mit dem Journalisten Tony Webb einen neuen Verehrer an ihrer Seite und bei Don kocht der Eifersud alsbald hoch. Dann wird er auf der Straße angegriffen – wie sich herausstellt von dem Taschendieb Charlie Bornet – dem dritten Opfer der Serie. Dabei bekommt er den neugierigen Tony auch gleich als ungewollten Partner, den er duldet, weil er seine Linda im Auge behalten will.

Derweil geht in den Highlands der vierte Mann in Gestalt von Eddie Lancaster flöten, was dessen Freundin Glenda Credon arg verängstigt, als er verwirrt in ihrem Hotelpub, dem Innochriad Inn wieder erscheint.

Don, Linda und Tony sind derweil via Edinburgh ebenfalls nach Innochriad weitergereist und fragen sich durch die kleine, einsame Ortschaft und landen ebenfalls in dem Inn – wo Don Eddies Abwesenheit auffällt und Tony sich als Glendas Bekannter entpuppt. Prompt taucht auch die Polizei auf, um Eddie Lancaster zu verhaften, weil er ein Fährschiff in Dover ausgeraubt haben soll. Großer Tumult entsteht, denn Eddie hat auch wieder ein Alibi.

Unterdessen sind die übrigen drei „Täter“ bereits aus London verschwunden und auf dem Weg nach Innochriad.

Sir Basil hat in der Zwischenzeit einen gewissen Sergeant Brook als zusätzlichen Ermittler entsandt, der aber bei der Verstecksuche an eben dem mysteriösen See strandet, den es in der Umgebung des Ortes gar nicht geben soll. Er begegnet einem bösartigen Einheimischen, der den See als „Zeitfenster“ betitelt, bevor das Tentakelmonstrum auch Brook in die Tiefe zieht.
Sein Todesschrei verschreckt die tafelnden Inn-Insassen, zu denen sich auch die feindseligen vormaligen Opfer gesellt haben. Kenton eilt sofort an den Ort des Geschehens und begegnet auch dem unfreundlichen John McCullogh und seiner apathischen Restfamilie, die Kenton trotz Tonys Hilfe nicht aus ihrem Tran lösen kann.

Wieder im Inn werden erstmal verschiedene Theorien diskutiert, bis Don Kenton darauf kommt, dass er den Namen des Besitzers gar nicht kennt. Er platzt in dessen Büro und überrascht ihn bei einem magischen Bannritual – einem weißmagischen, wie er später aufgeklärt wird. Offenbar arbeitet der Wirt gegen McCullogh an. Der See dagegen ist, ein magisches Intrument, aus dem man zu verschiedenen Zeiten wieder auftauchen kann – womit auch die Überfälle geklärt wären. Kenton entlarvt den Wirt später als einen McCullogh – als Pete McCullogh, den Bruder des Schwarzmagiers, an den er aber nicht richtig heran kommt. Der Plan ist, nach Mitternacht das weißmagische Ritual zu wiederholen, aber Pete stirbt durch eine schwarzmagische Falle und es ist so an Kenton, sich auf den Weg zu dem magischen See zu machen...

Schottische Impressionen
Wie ich bereits erwähnte: schlecht ist das nicht, was Wunderer hier zusammen gerührt hat. Einzelne Komponenten haben durchaus Qualität, anderen könnten sogar zu besonderen Momenten taugen, wenn Wunderer nicht so an seinen Pappdeckelcharakteren kleben würde.
Vor allem die Seeszenerie mit der apathischen Familie und der Showdown in einer unterseeischen Höhe mit einem protoplasmischen Tentakelmonster sind gut – die Idee des Monstrums hätte sogar mehr verdient gehabt als ein simples dreiseitiges Finale.
Potential ist auch in der Abgeschiedenheit des seltsamen Inns vorhanden, allein macht man aus den bizarren Geschehnissen nicht genug. Anstatt eine unheimlich-mysteriöse Gesamtatmosphäre aufzubauen und den Leser rätseln zu lassen, werden die Spannungsspitzen immer wieder von Banalitäten unterbrochen oder man nutzt die vorhandenen Ressourcen (die besessenen Kriminellen) einfach nicht, sondern vergeudet sie als Hintergrundbedrohung.

Aber schlussendlich ist auch dieser Roman halt „run of the mill“, mehr vom Immergleichen.
Manche Elemente taugen dabei schon fast zur Selbstparodie. Wieder ein Roman mit Yard-Beteiligung, wieder ein nonkonformer Beamter als Protagonist, wieder Bürokratenleichen in der Polizeibehörde, die mehr hindern als helfen. Die Mädels sind alle rassig und schnuckelig, die Männer haben meist eine Vorstrafe. Von dem Bösling ist meistens nur Gelächter zu hören und wenn gerade nichts Übernatürliches ist, dann bricht die große böse Soap Opera über die Figuren herein.
Könnte man die anderen Mängel noch ertragen, hat letzterer Punkt wirklich zum großen Aufstöhnen geführt – die ganzen Figuren benehmen sich wie die kleinen Kinder.

Kenton steht sich meistens selbst im Weg, ist zwar angeblich ein ungewöhnlicher Denker, hat aber immer dann Zweifel, wenn „Weiss“ und „Schwarz“ ihn in den Popo beißen. Seiner Freundin gegenüber ist er hypereifersüchtig – schon aus einem Minderwertigkeitskomplex heraus – und faucht sie ständig an, wenn er nicht damit beschäftigt ist, den armen Tony nieder zu bürsten, der ihm spätestens beim dritten Mal das Maul polieren müsste. Zwischendurch führt er noch dazu beständige Tänzchen mit Sir Basil auf, von dem er immer mit „Mister“ angesprochen werden will, weil er ja nur noch indirekt in dessen Diensten steht. Basil wiederum ist ein moppeliger Klischeeklumpen von Dauerzweifler, der Kenton erst engagiert, dann aber die Wahrheit nicht wissen will und solange rumpupt, bis man ihm die Beweise um die Ohren haut, assistiert von einem ebenfalls klischeehaft drögen Inspektor.

Wen das alles auch ermüdet, der darf sich dann am Ende noch daran erfreuen, dass am Ende diverse Erzählfädchen mangels Platz offen in der Gegend rumhängen, etwa was mit Ersoffenen aus dem See nach dem Tod des Monsters passiert, inclusive Tony. Immerhin darf er noch schnell in einem Nebensatz den Gedanken äußern, dass das reiche Häschen an seiner Seite wohl doch nichts für einen Vollhorst wie ihn ist und er eine baldige Trennung plant.

Da bleibt der fade Nachgeschmack eines nicht soliden Helden mit Kratzern, sondern eines reizhaften Unsympathen.

Alles also nicht ganz ausgereift, aber mit Ansätzen, wieder mal ein Opfer gedrängter Vielschreiberei, bei dem dem Leser das Fazit bleibt, dass der Autor sich mit mehr Zeit vielleicht besser mal an einem ausführlicheren Roman hätte versuchen sollen. In den Maßgaben für Heftromane, die zu diesem Zeitpunkt offenbar so langsam eingeritten waren, fühlt sich das Genre irgendwie behelfsmäßig kastriert an, etwas, was man bei Filmen als angejahrten Grusler aus der Mottenkiste bezeichnet.

Dennoch: die nur mäßig variierte Formel zeigt deutliche Ermüdungsbrüche und macht mehr Lust, ganz alte Hefte auszugraben und auf vergessene Perlen zu hoffen.

Der nächste Sprung folgt aber nun nur noch mit einigen Wochen Abstand und da lasse ich einen der namhaftesten Vielschreiber Deutschlands an die Tasten, der zwar später die Bücher recht zweifelhaft nur so ausgespuckt hat, der aber in Sachen Heftroman durchaus ein Garant für gute Qualität war, in der Blüte seiner Jugend: Wolfgang Hohlbein darf mal zeigen, was er so drauf hat...

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-03-31 15:12
Weia! Ein Bi-Ba-Banküberfall in einem Gespensterkrimi, immer ein Garant für was Albernes.

Wunderers Gespensterkrimi sind irgendwie alle gleich. Ein paar nette Ideen, die sich nicht entfalten, und eine handzahme Handlung, die keinem wehtut. Bei Kelter war er meist motivierter.

Und du hast völlig recht mit dem Verweis auf die Edgar Wallace-Filme. Dieses Pseudo-England hat man völlig verinnerlicht. Eddi Arendt im Schottenrock, und der Held ein Typ wie Fuchsberger, nur noch hohler.

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