Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Die Blutgräfin
Der Vampir-Horror-Roman
Die Blutgräfin
Die Blutgräfin
Mein Senf
...ach, war das schön. Eigentlich hatte ich bei dem Walker/Straßl wieder mit einem Werwolf Roman gerechnet oder zur Abwechslung mal mit etwas Neuen über Vampire. Aber nein, diesmal gab es eine Liebesromanze mit geschichtlichen Hintergrund, einen Streifzug durch das Wien der 70er Jahre und ein wenig Gebrüder Grimm. Überhaupt war man bei diesem Roman wieder voll drin in der Zeit von Schlaghosen und Plateauschuhen. Ist ja auch kein Wunder, denn das Ding ist schließlich von Dreiundsiebzig. Straßl beschrieb nicht nur Land und Leute dieser Zeit, sondern verlor auch ein paar Worte über die politische Lage. Alf (warum muss ich nur immer an das Fellmonster von Melmak denken?) war ja eigentlich auf Urlaubstrip und wollte nach Ungarn weiterreisen. Nachdem er Ornella kennengelernt hat, kam er mit dem Vorschlag um die Ecke, dass sie doch mitreisen könnte. Das traute sie sich aber nicht, da der Ostblock bekanntlich großen Einfluss auf seine Mitgliedsstaaten hatte und Ornellas Muti (kleiner Scherz) sowie ihr Papa mit ihr als Baby aus Ungarn geflüchtet waren und sie deshalb in dem Land der scharfen Paprikawurst mit einer Verhaftung rechnen musste. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, aber so war das damals.
An der Grenze zur DDR dürfte dieser Roman, wenn ihn denn mal einer verschickt hat, keine Einreisegenehmigung erhalten haben. Da waren die strengen Zöllner recht pingelig oder sie haben vielleicht die Hefte selber gerne gelesen bzw. die Titelbildern klasse gefunden, was ja gerade bei „diesem“ Thole kein Wunder gewesen wäre. Indirekt hatten wir damals, als es den Hexenhammer noch gab, auch mal etwas mit den Grenzern zu tun. Mitte der 80er wechselten wir Briefe mit vier Mädchen aus Kotzen (kein Scherz, den Ort gibt es wirklich) und schickten ihnen Fanzines und Sinclair-Romane. Darauf sind sie, und wohl auch etliche Leute aus ihrem Bekanntenkreis, richtig abgefahren. Die Dinger wurden unter der Hand weiter gegeben und obendrein waren sie eine beliebte Tauschware gegen anderen Lesestoff. Doppelte waren auch willkommen. Nun, die Sachen wurden des öfteren abgefangen oder wenn sie durchkamen, fehlte nicht selten das Titelbild oder ganze Seiten waren herausgerissen. Die DDR Behörden sahen in John Sinclair wohl den Klassenfeind. Unglaublich. Um die Mädels doch noch mit Lesestoff zu versorgen, haben wir verschiedene Adressen und Absender benutzt. Ob es was gebracht hat? Von unserer Seite war das Ganze ja eher harmlos, aber man kam sich trotzdem vor wie in einem Spionagefilm. Spannende Sache damals, zumal wir nach einiger Zeit auch nichts mehr von ihnen gehört hatten.
Zu diesen Ausflügen in den kalten Krieg und der Geschichte von Elisabeth Bathory gab es aber noch andere wissenswerte Dinge, die Hub Straßl den Lesern nebenbei vermittelte. Ein Beispiel war das mit dem Mezzanin, was sich für mich wie ein fieses Arzneimittel aus alten Tagen anhört. Nein, ein Mezzanin ist oft in alten Häusern zu finden, denn es handelt sich um ein Halbgeschoss, welches zwischen Erdgeschoss und der ersten Etage liegt oder auch in den Dachschrägen. Bei uns nennt man so etwas wohl eher Kabuff oder Studentenbude weil es nicht selten an der Deckenhöhe mangelte oder überhaupt sehr winzig war. Das Wiener Rathaus ist übrigens auch ein Bau mit Mezzaninen.
Ehrlich gesagt wusste ich bis jetzt nicht viel über Erzsebet (ungarische Schreibweise) bzw. Elisabeth Bathory, außer das was man mal so aufgeschnappt hat. Entscheidend für zahlreiche Erwähnungen in diversen Gruselgeschichten dürften die Jahre nach dem Ableben ihres Mannes und ihres Bruders sein, denn da hat die Gräfin eine Menge Geld und Gut vererbt bekommen und somit auch jede Menge Macht und Einfluss erhalten. Zu dieser Zeit drehte die Dame wohl völlig am Rad und bekam ihren Beinamen „Blutgräfin“. Heute würde man sie eine Massenmörderin nennen.1610 stürmte ihr eigener Vetter auf Befehl des ungarischen Königs Matthias II. das Schloss von Cachtice und stolperte, seinem Bericht nach, schon am Eingang über einen Haufen Frauenleichen. Angeblich hat sie sich des öfteren an ihren Dienerinnen vergriffen und diese umgebracht. Zumindest war das der Grund, warum man ihr den Prozess machte und sie anschließend noch vier Jahre, bis zu ihrem Tode, eingemauert in einem kleinen Zimmer verbringen musste. Zeugen, unter schrecklicher Folter „geständig“ gemacht, gab es genug und auch die erwähnte Dienerin Darvulia, die böse Hexe aus dem Roman, wurde auf diese Weise befragt. Bevor man sie anschließend verbrannte, wurden den Zeugen noch die Finger herausgerissen. Da hatte die Gräfin noch richtig Glück mit den relativ milden Anklagepunkten und dem darauffolgenden Urteil, denn in Wirklichkeit soll sie zwischen dreißig und achtzig Mädchen getötet haben, um mit deren Blut ihre Haut jung zu halten und somit ihre Jugend wieder zu erlangen, zumindest optisch. In Wien hat sie sich oft aufgehalten und dort unter dem niederen Adel ihre weiblichen Opfer gesucht. Es könnte aber auch alles eine Intrige gewesen sein, denn die Habsburger und die Bathorys hatten zB. beide ein Auge auf Transsylvanien geworfen. Um dem (politischen)Gegner einen schlechten Ruf zu verpassen, kamen solche Diffamierungen oft sehr gelegen. Ein Körnchen Wahrheit ist aber bekanntlich immer an solchen Sachen und zudem kann man aus manchen Steilvorlagen vergangener Epochen wunderschöne Gruselromane basteln.
Und das hat Walker/Straßl mit diesem Heft auch gemacht und zwar in der so genannten Ich-Form oder Ego-Perspektive, die er sehr gut beherrschte. Kennt ihr diese Geschichten, wo der Protagonist persönlich mit einem kommuniziert und man deshalb weiter liest und später merkt, dass der Autor einen damit ausgetrickst hat? Hugh Walker hatte diese Tricks wirklich gut drauf und im Nu war man mitten in der Story. Nix mit Kaugummi-Anfang, aber auch nicht rasant. HW wickelte einen mehr mit seinen geschwungenen Worten ein und zeigte diesmal, dass er sich auch in Geschichte auskannte oder wiedergeben konnte. Jetzt die alten Grenzverläufe zwischen Ungarn, Slowenien usw. wiederzugeben die er mal nebenbei erwähnt hat, spare ich mir lieber.
Seancen sind ja bekanntlich häufig in die Hose gegangen. Filme und Bücher sind voll damit und bei Madame Ferenczek hat es auch nicht richtig hingehauen. Neu war für mich, dass das Blut, welches sich materialisierte aus Madames Körper kam, weil Ornella den Geist berührt hatte. Die Spiritistin schilderte einen Fall, bei dem eine Kollegin einen Geisterhund berührt hat und sie daraufhin 10 Kilo abgenommen hat. An welcher Stelle blieb offen.
Zum Schluss kann ich nur sagen, das mir DIE BLUTGRÄFIN viel Spaß gemacht hat und Hub Straßl immer mehr ins rollen kam. Vampire und Werwölfe hatten Pause, aber der Grusel funktionierte auch mit einer Hexe. Die Spaziergänge im nächtlichen Wien waren auch sehr schön und romantisch beschrieben. Die wird es in dieser Form wohl nicht mehr geben und deshalb sind solche Romane immer wieder auch ein Ausflug in diese (für mich) schöne Zeit. Natürlich hat man damals alles durch die Kinderbrille gesehen. Die Wirklichkeit dürfte dann doch etwas anders gewesen sein. Etwas unschuldige Liebe gab es übrigens auch, aber man ließ sich Zeit und der erste Abend war eh tabu. Das Titelbild spricht dagegen eine ganz andere Sprache. Die abenteuerlichen Erkundungsgänge durch das alte Gemäuer der Wiener Bathory-Villa waren klasse und die beschriebenen Folterszenen waren auch nicht ohne, wenn man nicht allzu abgestumpft ist. Einmal musste Alf zB. einem geretteten Opfer den zugenähten Mund wieder aufschneiden oder der stinkende Haufen Leichenteile in der Zelle... Alles in Allem eine gute Investition (1,-DM) für zwei Stunden gruseliges Lesevergnügen.
Übrigens gibt es hier beim Zauberspiegel einen schönen Artikel von Horst über Hugh Walkers Hexenromane. Sehr interessant, denn da kommt der Autor selber mit ein paar Infos und Hintergründe rüber. Leider habe ich den Artikel zu spät entdeckt (der ist von 2011 oder so) und konnte mich deshalb nicht mit fremden Federn schmücken. Aber so viel Nerdwissen hätte mir sowieso keiner abgekauft...
Was gab es sonst noch?
Beim Titelbild kann ich diesmal nur sagen: Man Thule, dat bisken Stoff hättest du auch noch weglassen können! Beim heranziehen mit der Kamera (nur interessehalber) kann man wirklich einzelne Haare erkennen. Wo sage ich nicht, aber damals hat anscheinend niemand mit den „Telefonen“ unserer Zeit gerechnet. Da kann man mal sehen, wie genau und exakt der Holländer gemalt hat. Ein Bob Ross mit breiten Pinsel war er nicht, obwohl mir Ross`s Maltechnik auch sehr gefallen hat. Der haute ein Bild innerhalb einer halben Stunde raus und sagte zwischendurch immer „...God bless you...“ schneller als man einschlafen oder auf die Fernbedienung drücken konnte. Thole dürfte länger gebraucht haben, aber dafür waren seine Motive auch, sagen wir mal, anders als die von Bob. Eher das Gegenteil.
Bei Franz Berthold waren es diesmal ein Opfer im Eisenkäfig und die Dienerin/Hexe Darvulia, die den Lesern in die Augen blickten. Eben Berthold, der wie immer mit seinen Zeichnungen etwas Stimmung zwischen die Seiten brachte.
In Sachen Hygiene hat sich seit damals auch etwas geändert. Ornella wurde von Alf gefragt, warum sie immer ihre Haare wäscht (sie musste ja das Blut loswerden) obwohl die Woche noch nicht um ist. Was, einmal in der Woche? Duschen am Morgen war zu dieser Zeit noch nicht überall an der Tagesordnung, weil normale Mietwohnungen mit Wannen ausgerüstet waren und die hat man dann eher Freitags befüllt. Wochentags wurde mehr mit dem Waschlappen gearbeitet und wenn ich mich recht entsinne, kenne ich dieses einmal-in-der-Woche -Kopfwaschen über der Schüssel auch noch. Heute stehen einem bei diesem Gedanken die Haare zu Berge, und das nicht erst nach einer Woche. Wir hatten übrigens gar kein Badezimmer, sondern nur ein Waschbecken und eine Toilette im Mezzanin, eine Halbetage tiefer. Irgendwie gefällt mir dieses Wort (Mezza...) richtig gut. Gebadet wurde einmal in der Woche bei der Oma. Überhaupt würde das Mietshaus in dem ich aufgewachsen bin (Baujahr 1905) aus heutiger Sicht in fast jedem Gruselroman oder Film eine prima Kulisse abgeben. Ein tiefer, feuchter Keller ohne Licht, ein Dachboden der nach altem Holz, frischer Wäsche und Kerzenwachs duftete, auch hier gab es kein Licht, dazu noch jede Menge Spinnweben und Schimmel an den Wänden. Wenn ich mal wieder meine dollen fünf Minuten hatte sagte mein neun Jahre älterer Bruder immer, dass mein Bett zu nah an den Pilzen steht. Aber lassen wir das, die Wohnung hat schließlich nur 250.- DM Miete im Monat gekostet. Bei fünf Zimmern plus Mezzanin...
Kommentare
Straßls Romane sind auch deshalb so eindringlich, weil ihr Schauplatz so nachvollziehbar war. Diesen Horror in Deutschland/Österreich hat nach ihm keiner mehr so hinbekommen.
Und es war eine gelungene Variante der Bathory-Story. Ist unbestritten einer von Straßls gelungensten Romanen. Und auch wenn die ewige Lobhudelei langsam langweilig wird - okay, ist -, ist das Cover in meiner Top3 von Thole.
Schöner Beitrag! Verglichen mit heute waren das fast idyllische Zeiten. John Sinclair als Klassenfeind.
Da ich aber die Sammlerausgaben von Emmerich Books & Medien zu Hugh Walker habe, konnte ich diesen Roman natürlich auch genießen. Wer "Die Blutgräfin" also noch suchen sollte, der sollte hier zum Band "Hexenbrut" von Hugh Walker greifen.
Ja, 250,- DM für diese Bude waren allerdings zu viel, denn Heizung gab es auch nicht. Aber wenn man überlegt was heute eine 5 Raum Wohnung um die 100 qm kostet, wird einem schlecht. Zumindest bei uns in Essen.
Zu den Wohnverhältnissen kann ich auch nur sagen, dass ich den alten Kasten geliebt habe. Viel kaputt machen konnte man nicht mehr. Was willst du als Junge mehr...