Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Das Hotel der Toten - Damona King Nr. 50

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Das Hotel der Toten«
Damona King Nr. 50 von Jason Dark

Lasst doch mal die Frauen ran! Ich bin jetzt mit so vielen britischen, amerikanischen und auch so manchem deutschen Geisterjäger durch durchschnittliche 64 Seiten gestratzt, gehechtet und geballert, da kann ich die softe weibliche Begleitung, die Unschuld vom Lande und die Teilzeitgespielin cum Bürosekretärin kaum noch verknusen, ohne sauer aufzustoßen bei so viel Maskulinität.


Als probieren wir mal Damona King! Kein gestählter Brite, dafür eine waschechte Schottin, noch dazu die „Tochter einer weißen Hexe“ und laut Untertitel die „Bezwingerin der Finsternis“. Ja, Freunde, noch bevor der Begriff „Postfeminismus“ überhaupt im Duden vorgemerkt war, haben die Jungs bei Bastei schon ordentlich mit Vorschusslorbeeren geklotzt und hatten dann 128 Romane später nicht mal Unrecht, aber das konnte anno 1979 ja noch keiner wissen, als die wacker-männlich-herbe Autorenriege von Bastei sich daran machte, die üblichen Kämpfe gegen die Finsternis mal von Damenhand erledigen zu lassen.

Damona King war da immer so etwas wie das „Missing Link“ zwischen John Sinclair (von echten Schrot und Korn) und den parallel dazu laufenden Romantikgruselromane von „Spuk-“ und „Geheimnisroman“, die bei der männlichen Kioskkundschaft damals sicherlich eher als Heimatromane nach Sonnenuntergang liefen.

Tatsächlich war die Zeit auch noch nicht besonders reif für so eine Serie, denn ein Publikum von Statur und Dauerhaftigkeit konnte sie nie erreichen, aber zu Beginn der 80er gab man solchen Serien immer noch mehr Vertrauensvorschuss als kurz vor dem Serienexodus gute fünf Jahre später. So kam die Serie immerhin über 100 Romane (insgesamt 107) und fand danach sogar noch ein recht erfolgreiches Ende mit 22 Romanen im Gespenster-Krimi, wo man die Subserienschwemme für das letzte probate Mittel vor der Zwangssterilisation einführte. Und – jaja, so etwas gab es wirklich nochmals, nicht nur bei „Der Hexer“ und „Die Terranauten“ - man spendierte ihr sogar so etwas wie ein rundes Ende, dass so ordentlich abgefasst war, dass A.F.Morland aka Friedrich Tenkrat später bei „Tony Ballard“ etwas inhaltlich Ähnliches versuchte – wenn auch aus meiner Sicht nicht ganz so erfolgreich.

Die ersten 38 Romane wurden ja bereits bis 2015 im Zauberspiegel besprochen, wenn auch – angesichts recht zerfahrener Qualität – nicht besonders gut. Also steige ich der Einfachheit halber (ich besitze auch nur knapp 20 von den Romanen) gleich mit Jubi-Band 50 ein, mit dem dann so langsam alles etwas besser wurde, denn Martin Eisele war just eingestiegen und seine vielen Beiträge brachten etwas mehr Struktur in die Serie – und Wolfgang Hohlbein sollte dann mit ihm die zweite Hälfte der Serie prägen.

Band 50 aber ging als heimlicher Jubiläumsband erstmal wieder an Jason Dark aka Helmut Rellergerd, der schon Band 1 verfasst hatte, danach aber nur noch für seinen Haus- und Hofgeisterjäger gesorgt hatte. Noch bevor ich zum Inhalt komme, kann ich sagen, dass dieser Band jetzt kein inhaltliches Glanzlicht mit ganz neuen Wendungen und richtungsweisenden Veränderungen geworden ist, aber als Einstieg in Stärken und Schwächen dieser Serie funktioniert er eigentlich ganz prima...

Das Hotel der TotenAb in den Süüüüden...dem Nebel hinterher...
...und zwar in die Schweiz! Ja, genau, da machen arivierte Geisterjägerinnen mit ihrem Geschpusi mal so richtig Ausspannen vom Weltretten. In Graubünden, da wogen die Almen und man kann ordentlich Brotzeiten einwerfen – die braucht man auch. Denn der alte Piri liefert in der Nähe des Öfteren Leichen an ein fernab stehendes altes Hotel in luftiger Höhe ab. Das gefällt den dort Logierenden aber nicht besonders, denn es verlangt sie künftig nach lebendigen Lieferungen, was den in die Jahre Gekommenen vor einige Herausforderungen stellt.

Passend dazu logieren, wie erwähnt, Damona King und ihr Partner Mike Hunter in der Nähe zwecks Erholungsurlaub und lassen es sich gutgehen. Ein Spaziergang über einen nahen Friedhof kann man als böses Vorzeichen verstehen, denn jemand hat offenbar ein Grab geschändet. Prompt kassiert die Polizei die beiden ein, man kann sich aber blendend heraus argumentieren, was nicht gerade für die Helligkeit der Schweizer Behörden spricht.

Am nächsten Morgen bricht man zu einem Hubschrauberrundflug auf, geflogen von dem örtlichen Piloten René Thorn (sehr schweizerischer Name), der nicht nur die Schönheit des Landes verheißt, sondern die beiden auch in die Nähe besagten Hotels bringt. Unpassenderweise gerät der Heli genau über dem Hotel ins Trudeln und macht eine satte Bruchlandung. Thorn stirbt, Mike wird schwer verletzt, Damona kann sich mühevoll befreien.

Da taucht auch schon ein leicht verquollener, schmieriger und ziemlich stinkender Kerl aus dem Hotel auf und stellt sich als Rudolf Oganian vor. Der führt natürlich Böses im Schilde (halbwegs geistig rege Leser haben übrigens schon auf Seite 4 begriffen, dass es in der Story um Ghouls gehen wird). Oganian nimmt die beiden zwar auf, verhält sich aber sonst ziemlich bedrohlich und boshaft. Seine Angestellten sehen merkwürdig aus, der Typ an der Rezeption erinnert an einen Totengräber, die übrigen Gäste reagieren kaum und das Telefon geht auch nicht.

Da ist natürlich was im Busch und das Gefühl, in eine Falle geraten zu sein, wird stärker. Leider hüllt bald tiefer Nebel das Hotel ein und Mike blutet ziemlich stark. Damit nicht genug: vom Fahrstuhldach tropft (Ratten-)Blut in die Kabine und die ganze Butze stinkt nach Verfall, sieht aber noch halbwegs ordentlich aus.

Damona verarztet Mike behelfsmäßig, sieht dann aber, wie die Leiche des Piloten geborgen wird und verlässt das Hotel, um sich das anzusehen. Prompt wird Mike von einem messerschwingenden Besucher attackiert, der über eine Klappe im Badezimmer eingedrungen ist (darüber hinaus hängt im Bad noch ein Erhängter). Mike wehrt sich mühsam, der Gegner flüchtet schließlich, danach gehen die Lichter aus.

Damona wird derweil draußen im Nebel von zwei zum Leben erweckten Monsterstatuen aus der Luft angegriffen, gegen die sie sich nur mit Mühe und mit Hilfe ihres Hexensteins wehren kann.

Mike erwacht derweil wieder, doch seine Flucht aus dem Hotel wird durch vier Sargträger verhindert, die ihn in denselben verstauen und abtransportieren. Prompt erzählt man Damona bei ihrer Rückkehr, Mike hätte ausgescheckt. Damona ist kurz davor, ordentlich Dampf zu machen, als der alte Piri wieder klopft. Der alte Mann ist im Nebel einem bayrischen Bergwanderer namens Toni Kirschner begegnet und hat ihn kurzerhand k.o geschlagen – die lebende Ware, wie gewünscht. Während Damona nun plötzlich acht Leichen in ihrem Zimmer vorfindet, treffen sich Mike und Toni unten im Keller und beginnen einen Verteidigungskampf und irgendwann fällt den Betroffenen auch endlich ein, wie man gegen Ghouls vorgeht...

Es ist mir ein Rätsel, wo hier die Rätsel sind...
...könnte man sich denken, wenn man diesen Ausflug in die Berge so liest. Immerhin, er liest sich flott weg, ein guter Schnellhappen, aber bei weitem kein erfolgreicher Jubiläumsband. Die Geschichte ist einfach zu „klein“, um wirklich zu überzeugen. Obwohl es eine Menge atmosphärisch sehr einfallsreicher Szenen dazu zu versnacken gibt, wirkt vieles gestreckt und hat bei weitem nicht das Format, das Vertrauen in die geisterjagende holde Weiblichkeit zu erhöhen.

Das liegt vor allem an Wahrnehmung und Verhalten bezüglich des Offensichtlichen – zumindest für eine Geisterjägerin. Da hätten wir das mysteriöse, düstere Hotel in den Bergen (könnte auch ein anderes Gebäude sein, war aber seit „Shining“ gerade „state of the art“) voller finsterer Gesellen, die sofort „Hier wohnen Ghouls“ schreien, sofern man schon mal einen Gruselroman gelesen hat.

Dann hätten wir einen vollkommen unmotivierten Hubschrauberabsturz ohne Grund genau über dieser Location. Das führt zur Verletzung von Mike, womit die „In der Falle“-Situation erst richtig Gestalt annimmt. Hoch in den Bergen, durch den Nebel abgeschnitten, in einem Haus voller Toter und niederer Dämonen: das gibt gute Bilder im Kopf und erhöht die Spannung. Doch leider hat Rellergerd einen höchst durchschnittlichen Tag: sein Oberbösling Oganian ist so offensichtlich schleimig-hinterhältig, dass wirklich keine Fragen offen bleiben. Daher um so seltsamer, dass Frau King und Company erst einmal endlos rumeiern (der gute Ghoul steht sogar unter ausgeschriebenen Schwulitätsverdacht wegen seines Parfüms...ich meine, hallo?) und rätseln, warum alles so seltsam ist.

Der beteiligte Hexenstein ist übrigens über weite Strecken total ineffektiv, was sich dann beim Kampf mit den geflügelten Steinstatuen fortsetzt, denn offenbar reagiert er nur, wenn das Böse einen schon am Schlawittchen packt. Warum die Viecher überhaupt fliegen – immerhin sind Ghoule niedere Dämonen und haben keine magischen Kräfte – wird übrigens auch nicht geklärt. Die Chose mit der Ratte ist genauso nebulös wie der Gehängte im Bad (beide ohne Folgen und Bezug), während Mike saumäßig schwach ist, aber dennoch im Gruppennahkampf einen von ihnen zum Rückzug ringt. Die Ankündigung, er sei dann abgereist (im Nebel) ist genauso deppert und bringt natürlich mehr Widerstand, als ihn kommentararm verschwinden zu lassen. Warum in Damonas Zimmer übrigens noch dazu acht Leichen untergebracht werden (nicht „lebende“, einfach nur simple Leichen), ist auch noch so eine Aktion, die man ganz gern erklärt hätte, aber vielleicht sind Ghoule in ihrer Freizeit auch nur ein bißchen doof. Oder eben einfach geschmacklos!

Und jetzt zur Qualitätssicherung noch zwei Seitenzahlen: auf sage und schreibe Seite 55 fällt Damona plötzlich ein, dass Ghouls durch Feuer vernichtet werden können (das ist so, als wenn jemand im Horrorfilm irgendwann schreit: „Ach ja, das Benzin!“, um das Böse zu vernichten) und auf Seite 58 trifft diese Erkenntnis auch den guten Mike, der inzwischen mit Toni im Keller ein Runde rumfrotzelt und über Bier scherzt. Das Finale, komplett mit Hotelabfackeln geht dann auch recht zügig.

Nein, mit solchen Fähigkeit hat man die Hauptfigur natürlich nicht sofort ins Herz geschlossen, vielmehr kraucht das alles nahe an der Inkompetenz entlang. Magische Kräfte: Fehlanzeige. Einsatz des Hexensteins: offenbar nur einmal pro Fall möglich und dann recht dürftig im Ausdruck.

Dark schreibt zwar versiert, aber wenn ich Damona und Mike still und heimlich gegen John und Suko austausche und den Stein gegen Professor Zamorras Amulett, merkt vermutlich niemand den Unterschied. Es ist einfach ein unscheinbares Romanthema (vor guter Kulisse), treusorgend und aufregend umgesetzt und routiniert runter geschrieben. Einige Gespräche zu viel, einige Kämpfe zu lang. Mehr nicht. Nicht genug.

Das genügt natürlich nicht für ein abschließendes Urteil und da freue ich mich auf weitere Stichproben aus der späteren Phase der Serie – vielleicht sind da ja sowohl Eisele als auch Hohlbein im Paket enthalten, das würde sicherlich den ersten Eindruck abmildern.

Sollen aber noch mehr Romane aus den ersten 49 (oder die meisten gar) in etwa der Qualität von Darks Arbeit hier entsprechen, wundert es mich, dass sich die Serie so lange gehalten hat. Dann würde es nämlich an den nötigen Alleinstellungsmerkmalen mangeln.

Hex, hex...

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-07-05 11:04
Du triffst den Nagel mal wieder ziemlich genau auf den Kopf. Hier ging es um Jubliläum=Dark=Verkaufsspritze, ob das was mit der Serie zu tun hatte, war für die Redaktion nebensächlich. Ich hatte DK immer nur sporadisch gelesen. .

Ich war erst öfter dabei, nachdem Eisele mit der 42 im Alleingang die zyklische Handlung einführte. Und als Leser fand ich es ziemlich frustrierend, wenn dann Romane wie der hier von Rellergard oder später vor allem Sommers Zweiteiler kamen, die die immer komplexer werdende Handlung fröhlich ignoriert haben. Alles, wo nicht Delgado oder Wolf draufsteht, kann man locker ignorieren.

Dass die Serie überhaupt bis zur 50 gekommen ist, war schon erstaunlich. Eine Hexe mit den Initalien DK und ihr Sidekick, der Hunter heißt? Ernsthaft? 8) Und es war halt eine Neuauflage des frühen Zamorra; jeder macht, was er will und drückt am Ende den Resetknopf.
#2 Toni 2016-07-05 11:19
Wie immer ein Knorke Artikel :-)
Ich muss gestehen, dass ich die beiden Romane von Rellergerd in meiner Sammlung hatte, aber nicht eine Zeile davon gelesen habe. Ab Nr.42 hätte es sich wohl gelohnt.
#3 Schnabel 2016-07-05 12:13
1979 fand sich auf der Leserkontaktseite vom Vampir-Horror-Roman Nr. 356 folgender Kommentar zu der Damona King-Serie von mir wieder:
"Haben Sie eigentlich schon den Abklatsch von Coco Zamis gelesen? Sie ist die Tochter eine Hexe und ihr Freund heißt wirklich nur rein zufällig Mike Hunter, der Name erinnert mich irgendwie an eine andere Serie, kann sie nicht DÄMONENKILLER geheißen haben?"
Der Kommentar des damaligen Vampir-Redakteurs Rainer Delfs war folgender:
"Nun, wenn andere Verlage oder Autoren den DÄMONENKILLER so gut finden, daß sie ganz auf die Linie einschwenken, so ist das auch ein Kompliment an die DÄMONENKILLER-Serie und ihre Autoren."
1979 gab es ja die Coco Zamis-Jugendabenteuer (TB 52 - 58 + 60) und ein gewisser J.S.Autor hatte zufällig die Idee zur Damona King-Serie.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.