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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die Insel der Verstorbenen (Gaslicht Roman 538)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die Insel der Verstorbenen«
Gaslicht Roman 538 von Cathy Cunningham

Hossa! Ja Freunde, ich bin zurück auf unbekanntem Terrain, dem Roman um „Liebe und Geheimnis“ und ich hab die Vorgehensweise mal flott wieder auf Eins zurück gedreht, den Roman-Battle habe ich mit „Spuk“- vs. „Geheimnis“-Roman nun einmal durchgezogen. Das liegt im Wesentlichen an dem vorliegenden Roman.


Die Insel der Verstorbenen ist so stulle, dass ich ihm einen eigenen Artikel zuschustern musste, denn alles übrige wird ihm nicht gerecht.

Klar, ich habe mich jetzt nicht unendlich in diese endlos laufende Mysterymixtur eingelesen, die aus deutschen Beiträgen und reichlich weltweiten Übersetzungen besteht, aber so ein Schnupperkurs prägt – dem seligen John Sinclair war ich auch binnen 64 Seiten verfallen. Aber wenn man so etwas wie „Die Insel der Verstorbenen“ liest, diesen unglaublichen Mix, auf den ich gleich noch komme, dann gehen die Augenbrauen von ganz allein auf Wanderschaft (mindestens bis Höxter!), das kann man nicht im Schnellverfahren abhandeln.

Zunächst mal: ich habe keine großartigen Infos über „Cathy Cunningham“ gefunden, aber offenbar blieb dieser Roman ihr einziger Beitrag zum Oeuvre. Um so überraschender die Entdeckung, dass sich „Curse of Valkyrie House“, wie die Schwarte wohl im Orginal heißt, auch auf britischen Literaturlisten wiederfindet und auf der Insel wohl 1981 veröffentlicht wurde. Dann nahm sich Gisela Schleicher der Vorlage an und übersetzte sie im Handstreich, so dass noch 1982 im „Gaslicht“ erschien, in der Pabel-Phase der Serie also.

Ich weiß nicht, was die – eventuell recht hastige – Eindeutschung dieses Mythen-Kuddelmuddels, bei dem es sich ganz nebenbei sowieso noch um altgermanisches „name dropping“ bei den Orten handelt, der Vorlage an Chaos zusätzlich angetan hat, aber letztendlich ist es angesichts dieser erzählerischen Müslimischung sowieso irgendwann egal.

Fakt ist, aus „Valkyrie House“ wurde Walkürenheim und wie die Insel Walhallastatt  in Wirklichkeit hieß, will ich Google Maps lieber gar nicht fragen. (Ich hab es natürlich getan und keine vergleichbar betitelte Insel gefunden.) Das alles spielt im Puget Sound und wer nicht ganz geographiesicher ist, dem sei gesagt, das findet im Staate Washington statt, also an der nördlicheren Pazifikküste, kurz vor der kanadischen Grenze, auf einer Inselgruppe namens „San Juan“, irgendwo zwischen Seattle (im Süden) und Vancouver auf der kanadischen Seite (im Norden).

Da kann man sich schon mal sicher sein, dass sich wirklich kaum jemand mit der Gegend auskennt. Ist aber letztendlich auch egal, könnte auch auf einer einsamen Kanalinsel spielen oder notfalls auf Helgoland.

Die Frage war ja auch, ob wieder etwas Handfestes, etwas Übernatürliches dabei wäre oder ob es mehr in die gefühlsbetonte Romantikrichtung gehen würde, zum Krimi oder zum Familiendrama. Und die Antwort war: ja, alles, irgendwie zumindest und doch nichts richtig.

Wer aber hier auf „love story“ gesetzt hat: da hab ich auf RTL 2 schön Überzeugenderes gesehen, was wortwörtlich vorab geskriptet war.

Aber mal dem inhaltlichen Wirrwarr der Reihe nach

Die Insel der Verstorbenen»Und wenn ich mit Argumenten nicht weiter komme, dann heul ich halt 'ne Runde!«
Unsere Heldin heißt Chris Mandell und ist auf dem beschwerlichen Weg auf die ziemlich frische Insel Walhallastatt, wo die Stürme wehen und sonst auch nicht so viel Komfort herrscht. Sie ist Doktorantin und wie diese karriereorientierten Frauen nun mal sind, geht das Leben nur weiter, wenn sie die Assistentenstelle bei DEM EINEN Nobelpreisträger für Physik und Astrophysik macht, der den nötigen Weltrang verströmt.

Dumm nur, dass der gute Mann ein tierischer Chauvi sein soll, der auf GAR KEINEN FALL eine Frau will. Prompt wird sie NICHT ausgewählt, doch als der Erwählte wegen Krankheit ausfällt, macht sie sich natürlich als B-Besetzung trotzdem auf die Socken, obwohl sie höchstwahrscheinlich vor Ort gleich wieder umkehren kann.

Mit diesen Aussichten lässt sie sich also von dem leicht angegammelten Hausfaktotum Royce (der mit den schlechten Zähnen und dem miesen Humor) nach Walhallastatt tuckern und zwar in das einer nordeuropäischen Burg nachempfundene „Walkürenheim“. Denn dort wohnt, residiert und dreht am Rad: unsere nobler Preisträger Dr. Andre Hurlburt (Aaaah, diese Migräne...)!

Der fühlt sich von „schwachen“ Frauen in seinem Spieltrieb gestört, rennt gern in Wikingeraufmachung durch die Hallen, salbadert kollernd mythologischen Kokolores und ist rundherum eigentlich ein richtiger Arsch. Natürlich lässt er die Uni-Uschi kalt lächelnd abblitzen und weist seinen Igor schon mal an, sie nach dem Frühstück zurück zu schippern.

Auf ihrem Zimmer macht Chris erstmal „mimimi“, doch da geschieht es! Auftritt Lucinda Carlington, Andres Schwester und verwitwete weiße Hexe. Die Gute hat sofort einen „soft spot“ für Chris und erzählt ihr erstmal einen Vers über die Insel, die besitztechnisch zwischen den Familien Nielson und Kirsten (natürlich verfeindet) aufgeteilt war. (Der ursprüngliche Erbauer wird „Old Siggy“ genannt und damit sind die Pferde für mich gesattelt!) Viele Tote, viele Feinde, ein Flucht hängt natürlich auch noch über dem Eiland und deswegen dreht Lucinda unserer Heldin erstmal einen Kreidekreis und fängt an, am Wetter zu manipulieren. Prompt kommt Sturm auf und Chris muss am nächsten Tag erst mal bleiben.

In der Folge kaut Chris für sich erstmal alle Alternativen (Heulen! Erpressung! Als Mannweib tarnen!) und verlangt dann beim Frühstück eine gepflegte Entschuldigung/Anhörung. Ist nur blöd, wenn man noch gar keinen Vertrag hat.

Natürlich ist das Fachwissen ausschlaggebend, also sortiert sie ihrem „hero“ erstmal die Sternenatlanten. Mit dem Computer hat sie auch Erfahrung, also leiert sie unter dem Salbadern der Schwester ihm eine zweiwöchentliche Testphase aus den Rippen. Das schafft den stärksten Wikinger!

Mit Arbeiten ist aber Essig, stattdessen schmeißt Lucinda eine Zweier-Seance, die aber schief geht. Anschließend brennt es schon mal in einem Zimmer spontan, was aber angesichts der beruflichen Qualitäten unserer Doktorantin fast unter geht: der Doktor ist schon mal beeindruckt von ihrer Tatkraft und Schnelligkeit.

Dann geht der Computer putt und so darf Chris eine Runde reiten gehen und lernt den netten Pferdepfleger Tim Holt kennen, von dem wir leider laut Infokasten auf Seite 3 schon wissen, dass er noch ins Gras beißen muss, was die Spannung beträchtlich mindert. Beim Reiten erschlägt um ein Haar ein Ast die Schöne, was Lucinda das Großprojekt Seance wieder aufnehmen lässt.

Zu Fünft macht man sich ans wilde Beschwören und siehe die, eine Flamme wächst zu ungeheurer Größe und eine mysteriöse Stimme kündigt den ersten Todesfall bis zum nächsten Morgen an.

Während alle noch rätseln, geht die Nacht dahin. Da, ein gellender Schrei und irgendwer hat Tim erstochen! (Surprise!!!)

Während alle noch auf die Polizei warten (geschätzte Ankunft: irgendwann), erreichen wir die ominöse Seite 38 und bei Dr.Hurlburt (ayaya...) kommt es zu einem emotionalen Paradigmenwechsel und zwei Zeilen weiter knutscht er Chris die Mandelln weg (pardon, der blöde Wortwitz musste sein...).

Das wars dann auch mit Romantik, die Polizei flutet das Haus, kurz darauf geht erstmal Lucinda flöten (per Geheimgang). Die taucht aber wieder auf, dafür gibt’s in der Folge grünes Leuchten, viel Fluchgelaber über die Familie Kirsten und wieder eine Todesankündigung per Geisterstimme.

Es bleibt dann aber doch beim Versuch, die deutsche Köchin Hilda (na, logo!) war nur in der Küche ausgerutscht.

Als man diese dann auf ihre Heimatinsel schippern will, fährt Chris unerklärlicherweise mit und auf der Rückfahrt lässt endlich Handlanger Royce metaphorisch die Hosen runter...

»Wait a minute! Wait a minute! You ain't heard nothin' yet!«
Jaja, da darf ich schon mal den alten Al Jolson bemühen, denn wem diese überkrasse Stilmixtur noch nicht den Rest gegeben hat, der darf sich dann auch noch auf einen Bombenshowdown freuen, in dem ein mysteriöser Tattergreis ständig von Walküren erlöst werden will (nachdem er Chris entführt hat) und sich dann als Spross der Kirstenfamilie entpuppt (der Finsteres im Sinn hat).

Chris wird im zerfallenen Gut der Familie eingekastelt, entkommt und wird wieder eingekastelt (das alles für einen flotten Horror-Maskeneffekt), während ihrem Holden irgendwann plötzlich „Zweifel“ an seinem Gefolgsmann Royce kommen und er ihn zwecks Verhör an den nächsten Baum bindet (was der einfach mal mit sich machen lässt). Der sonst feuerrote Hering Lucinda, den man wegen des Esoterik-Hexen-Dachschadens ständig im Verdacht hat, für den ganzen Okkultkäse verantwortlich zu sein, muss in die Schmollecke abtreten, während im Finale dann plötzlich seltsame kleine Höllenkreaturen und Feuerbälle auftreten, die man aber grünlich verpuffen lassen kann (fragt mich nicht, fragt mich nicht, ich verstehs doch auch nicht). Dabei wird dann auch gleich  noch Thor angebetet und Satan gemeint – was hat die Cunningham da bloß alles eingeworfen?

Hinterher weiß übrigens so gut wie keiner, ob es auf Walhallastatt denn nun umgeht oder auch wieder nicht. Die seltsamen Geisterstimmen hat dann zwar Royce auf dem Gewissen, doch wie all der Spuk (der im letzten Drittel mitsamt dem Drama Überhand nimmt) zu erklären ist, dafür reicht der Platz und wohl auch die Vorstellungskraft der Autorin nicht aus.

Nach der Lektüre kam ich mir vor wie nach sechs Runden in der Schiffsschaukel, wobei man das „Buch“ tatsächlich in mehrere Abschnitte einteilen kann, bei denen man dann immer was zu wundern oder zu meckern hat.
Zu Beginn weiß man nicht, worüber man sich denn nun mehr ärgern soll: über den vergeblichen Versuch einen Zwitter aus ambitionierter Karrierefrau und scheuem Bambi zu kreieren, über den man sich nicht bei jedem Gefühls-U-Turn zu Tode fremdschämt – oder über die Karikatur eines exzentrischen Nobelpreisträgers, der gern mit Speer und Hörnerhelm durch die Wohnstatt hechelt und bullernd lachend dummes Zeug brabbelt, für das ihn Frau Schwarzer umgehend sicherheitskastriert hätte.

In diese Konstellation (komplett mit „Verdächtig, weil häßlich“-Faktotum und dicker Küchenmamsell) haut dann Weißhexchen Lucinda mit schwarzer Robe und Silberstern, Kräutertee und Salz/Kreidekreis wie die Faust in die Pudding und man begreift auf keiner Zeile, wie es die Geschwister auch nur ansatzweise im gleichen Haus aushalten. Und warum Chris überhaupt bleiben will.

Später rückt man dann immer näher an den Fluch ran und lässt alle übrigen Themen fallen, was dann eben auch Spukeffekte und Todesopfer bedingt. Aber wenn ich die Figuren schon mit dem Vorschlaghammer zurecht kloppe, dann kommt dabei bestimmt nicht „Pretty Woman 2“ heraus, sondern die kürzeste Liebesaffäre aller Zeiten und noch dazu die spontanste. Das kommt aus heiterem Himmel und binnen 15 Zeilen aus dem Nichts und führt genau zu einem Kuss und dann ist der Frauenunwillige nicht bekehrt, sondern hat sich selbst spontan umentschieden.
Deswegen packt er dann zum Showdown auch den Wikinger wieder aus, das macht Happy End aber nicht viel überzeugender.
Das Positivste, was ich dazu sagen kann, ist, dass Cunningham darauf verzichtet, es noch noch schmonzettiger zu gestalten, denn wenn sich auch die Action steigert (und Chris an sich in Not natürlich keinen notwendigen „Männer“-Job hinkriegt, wie Flucht oder erfolgreich Gegenwehr leisten), bleibt der Ton zumindest angemessen. Eine noch schnell hinzu erfundene Romantikader wäre dem Entsetzen dann auch zuviel geworden.

Das Finale wirkt dann überkonstruiert mit dem sabbernden Mummelgreis, hinter dessen Falten nach gebührender Kunstpause plötzlich das rachsüchtige Gesicht eines gierigen Erben hervor tritt, der vielleicht oder eben auch nicht mit dem Teufel im Bund ist oder sein könnte. Beim Endkampf gilt dann wieder Disney: Es kracht und zischt – zu seh'n ist nüscht! Ich krieg nicht mal richtig raus, wie man den Zauselwiderborst dann am Ende besiegt hat und war total verblüfft, als auf der letzten Seite von seiner Verhaftung berichtet wird.

Wer auch immer behauptet hat, dass sich Übersetzungen manchmal mehr lohnen, hat entweder gescherzt oder liebt es, wenn man nach der Lektüre erstmal kunstvoll seine Socken wiederfinden muss, weil die einem alle zwei Seiten wegfliegen.

War der Geheimnis-Roman noch unbeschwert und sofort tv-tauglich, kann man diese Vorlage echt niemandem gefahrlos anvertrauen, außer nach dem dritten Sangria-Eimer: man will die Frau nicht, man will den Mann nicht, es ist nicht romantisch und zwischen Mystery, Effekten und echten Spukerscheinungen will und kann sich niemand entscheiden.

Ich verbleibe in der Hoffnung, dass das bei Gaslicht nicht immer so war und eigentlich möchte ich das nochmals testen, vielleicht finde ich dann ja mal einen traditionelleren Stoff, aber ich beschwere mich jetzt nicht mehr so schnell über die holprig erdachten oder extrem vorformatierten Texte deutschen Dauerautoren.
Immerhin löblich, dass auch in anderen Ländern den Verfassern offenbar munter die Gäule durchgegangen sind.

Als „Spannungsroman“ - wie der Titel verspricht, möchte ich es noch halbwegs durchgehen lassen, wenn man relativ unbedarft ist, aber nach drei Durchgängen hab ich noch immer keinen brauchbar romantischen Handlungsstrang gefunden, der einem der beiden Geschlechter gerecht geworden wäre...

...aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Für Gaslicht-Romane aber stelle ich schon mal die überraschende Regel auf: da ist offenbar alles möglich!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-08-02 10:02
Zitat:
da ist offenbar alles möglich!
Chris ist also offensichtlich das typische Eiersalatsandwich. Wie passend.

Zitat:
Wer auch immer behauptet hat, dass sich Übersetzungen manchmal mehr lohnen, hat entweder gescherzt oder liebt es, wenn man nach der Lektüre erstmal kunstvoll seine Socken wiederfinden muss, weil die einem alle zwei Seiten wegfliegen.
Das Letzere :-) Irgendwann wird 08/15 doch langweilig. Aber natürlich ist es besser, wenn der Autor sein Handwerk besser versteht als offensichtlich hier. Und 80er Gothics taugen selten was. Da ging es mit dem Genre drüben bergab und die Autoren waren viel zu bemüht, weil sie nicht mehr unvoreingenommen waren.

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