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The Wheel of Time - The Fires of Heaven"

Robert Jordans Wheel Of TimeThe Fires of Heaven
Von Eigentümlichkeiten und Klischees

Elfen sind stets hochmütig und stehen Menschen reichlich ablehnend gegenüber. Die Entwicklung des Schießpulvers fällt immer mitten in die Handlungszeit einer Saga; zuvor war es vollkommen unbekannt. Wann immer es den Protagonisten schlecht geht, erinnern sie sich an die alten Sagen, die ihnen in ihren Kindertagen erzählt wurden und in denen die Helden nie mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten.

Fantasy-Klischees wie diese – welcher Fan phantastischer Unterhaltung kennt sie nicht?

Man liebt sie oder man hasst sie, aber man kommt einfach nicht um sie herum. Selbst moderne Fantasyromane strotzen mitunter nur so vor klischeebeladenen Handlungselementen.


Auch Robert Jordans »The Wheel of Time« bildet hier keine Ausnahme. Im Laufe der vielen Tausend Seiten, auf denen die Geschichte erzählt wird, haben sich so manche Eigentümlichkeiten angesammelt, die mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt werden. Lesern, die sich die einzelnen Romane mit einigem Abstand zu Gemüte führen, fällt das vermutlich nicht einmal sonderlich auf. Doch wenn man die Reihe in einem Rutsch durchliest – was zugegebenermaßen keine ganz leichte Aufgabe ist – dann merkt man schnell, dass Jordan eine Vorliebe für gewisse Darstellungen und Beschreibungen hat, die er wieder und wieder zum Besten gibt.

Im fünften Teil der Zauberspiegel-Kolumne zum großen Fantasyepos werde ich auf einige dieser Eigenarten eingehen. Doch zunächst möchte ich Euch einen weiteren Band der Serie vorstellen: »The Fires of Heaven«, Buch fünf von »The Wheel of Time«.

The Wheel of Time - Fires of Heaven»The Fires of Heaven«
Das Rad der Zeit dreht sich – und die Entscheidungsschlacht gegen den Dunklen Herrscher rückt unaufhaltsam näher. Die Siegel von Ba'alzamons Gefängnis werden immer brüchiger, und es kann nicht mehr lange dauern, bis es dem Schäfer der Nacht gelingen wird, seinem Verlies zu entkommen. Doch auch wenn die Lage noch so verzweifelt zu sein scheint, noch regt sich Widerstand gegen die Machenschaften der Dunkelfreunde.

Rand ist es gelungen, Asmodean, einen der Forsaken, zu bezwingen. Obwohl es in seiner Macht gestanden hätte, den Diener Ba'alzamons zu töten, hat er ihn am Leben gelassen. Was auf den ersten Blick wie Irrsinn anmutet, hat durchaus seine Bewandtnis: Asmodean ist der einzige Mann, der Rand im Umgang mit saidin, der männlichen Hälfte der Wahren Quelle, schulen kann. Unfähig, Magie ohne Rands Einwilligung zu wirken, muss der bezwungene Forsaken dem Wiedergeborenen Drachen dienen. Doch kann Rand ihm trotz seiner vermeintlichen Schwäche vertrauen?

Unterdessen befinden sich Elayne und Nynaeve nach ihren Erlebnissen in Tanchico auf dem Rückweg zur Weißen Burg von Tar Valon, nicht ahnend, wie sehr sich die Machtverhältnisse dort mit dem Sturz Siuan Saches zu ihren Ungunsten verändert haben. Doch auch so gestaltet sich die Reise als gefährlich. Gejagt von den Mitgliedern der Schwarzen Aja und sogar von einer der Forsaken selbst, sehen sich die beiden jungen Frauen und ihre Begleiter gezwungen, eine ungewöhnliche Tarnung anzunehmen.

Der Kampf um das Schicksal der Welt erreicht einen neuen Höhepunkt. Neue Feinde, aber auch neue Freunde und Verbündete kommen zum Vorschein – und so manche uralte Prophezeiung neigt sich ihrer Erfüllung entgegen...

Graue Haare und jugendliche Recken – Von den Eigenarten einer großen Saga
In einem sehr interessanten Interview hat mir Thomas Plischke, der Autor der Fantasyreihe »Die Zerrissenen Reiche«, verraten, wie sehr er sich bemüht, seinen Romanen durch spezielle Wendungen in der Sprache seiner Protagonisten einen eigenen, unverwechselbaren Charakter angedeihen zu lassen. Diese Aussage macht eines deutlich: Eigenarten wie bestimmte, häufig wiederkehrende Sprichwörter, das Auftauchen sich ähnelnder Landschafts- und Stadtbeschreibungen oder die wiederholte Verwendung markanter Wesenszüge bei verschiedenen Charakteren gehören zu einer Saga wie eisgekühlte Getränke zum Sommer. Man käme auch ohne sie aus, doch eigentlich will man das gar nicht.

All diese Eigenarten sind letzten Endes nämlich wichtige Bestandteile des Epos, das man gerade liest. Ob vom Autor absichtlich ins Spiel gebracht oder einfach nur bestimmten (unbewussten) Vorlieben zuzuschreiben, die er nun mal hat: Eigentümlichkeiten wie die oben genannten machen eine Saga erst zu dem, was sie letztendlich ist.

Auch in »The Wheel of Time« gibt es eine ganze Reihe solcher Merkmale, die sich ständig wiederholen. Ob das nun gut ist oder schlecht, ob es einen nervt und man Robert Jordan Einfallslosigkeit vorwirft oder ob man diese Charakteristika als liebevolle Details der Handlung betrachtet, bleibt jedem selbst überlassen; ich maße mir in dieser Hinsicht kein Urteil an. Alles, was ich im Folgenden tun möchte, ist, euch auf einige der Eigentümlichkeiten der großen Fantasysaga hinzuweisen, über die man beim Lesen zwangsweise stolpert.

  • Jugendliche Helden
    Eine Eigenheit, die bei Weitem nicht nur auf »The Wheel of Time« zutrifft: Kinder und Jugendliche sind es, die dazu ausersehen sind, die Welt zu retten. Ob Tad Williams »Osten Ard«-Saga, Brandon Sandersons »Mistborn«-Trilogie oder eben Jordans »The Wheel of Time«, immer fällt es jugendlichen Recken zu, dem Bösen die Stirn zu bieten. Natürlich werden sie dabei von einer ganzen Reihe älterer Charaktere unterstützt, doch am Ende sind es besagte Kinder und Jugendliche, die die Entscheidung im Kampf gegen die jeweiligen Schurken herbeiführen müssen.
    Interessanterweise ist das in Krimis anders; hier trifft man überraschend häufig auf abgehalfterte, seelisch zermürbte Ermittler jenseits der 45, aber das ist eine andere Geschichte...

  • Männer im besten Alter tragen grau...
    ...zumindest, wenn es um ihre Haarpracht geht. Jordan hat ein Faible für harte Kerle in leicht fortgeschrittenem Alter, die sich durch ein ganz bestimmtes Merkmal auszeichnen: Das Haar an ihren Schläfen weist erste graue Strähnen auf.
    Achtet beim Lesen der Romane einfach mal auf die Beschreibung von Soldaten und Kriegern. Es ist schon lustig, wie selten einer dieser beinharten Kerle volles, dunkles Haar oder eine komplett ergraute Mähne vorweisen kann. Und das Grau ist dann auch nicht irgendwo, nein, die blassen Strähnen finden sich immer an der gleichen Stelle.

  • Die Frau im Haus
    »The Wheel of Time« verfügt ja über eine ganze Reihe von weiblichen Charakteren, die die unterschiedlichsten Charakterzüge aufweisen. Doch auch wenn sich Jordan Mühe gegeben hat, die Frauen in seiner Erzählung möglichst abwechslungsreich und vielseitig zu gestalten, so gleichen sich seine weiblichen Protagonisten doch fast durchweg in einer Hinsicht: Es sind alles sehr dominante, selbstbewusste Frauen und Mädchen, welche auch die härtesten Kerle mühelos nach ihrer Pfeife tanzen lassen. So gut wie jede Akteurin der Geschichte kommandiert ihre männlichen Counterparts herum, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen – und die Männer gehorchen. Sie mögen zwar durchweg unzufrieden vor sich hin grummeln (was eine weitere Eigenart von Jordans Stil ist), doch letzten Endes machen sie, was ihnen aufgetragen wurde.
    Der einzige weibliche Charakter, der einem Mann deutlich unterlegen ist, ist Andors Königin Morgase, und das auch nur deshalb, weil sie unter einem Zauberbann steht.


  • So viel Blut und Asche...
    Wenn schon nicht in der Handlung (auch wenn es da durchaus schon mal heftig zur Sache geht, gerade im fünften Band), dann doch in der Sprache. So manche Figur (etwa Matt oder der shienarische Soldat Uno) flucht häufig und gerne. Statt einfach die allseits bekannten Kraftausdrücke zu verwenden, die wir aus unserer (Alltags-)Sprache kennen, hat sich Jordan ein ganz eigenes, serienimmanentes Vokabular an Flüchen ausgedacht. Wann immer etwas schief geht, kommen Blut und Asche ins Spiel: „Blutige/s/r....“ heißt es dann, oder auch gerne „Blut und blutige Asche“.
    Kann man sich bei den zuvor genannten Eigenarten der Reihe noch darüber streiten, ob sie nun zufällig entstanden sind oder von Jordan ganz bewusst eingebaut wurden, so gibt es hier keinen Zweifel. Die blumige Sprache, die bei den Frauen in der Geschichte immer wieder auf Ablehnung stößt (noch so eine Eigentümlichkeit...), wurde vom Autor extra für seine Saga kreiert. Was Jordan dazu veranlasst haben mag, ist mir nicht bekannt; vielleicht hatte er einfach eine heftige Abneigung gegenüber einer allzu unsauberen Sprache in seinen Romanen, wusste aber, dass er unmöglich komplett auf deftige Flüche verzichten konnte.
    Doch eigentlich ist der Grund, warum er seine Protagonisten so eigentümlich fluchen lässt, vollkommen egal. Fest steht jedenfalls, dass die Art und Weise, wie die Helden aus »The Wheel of Time« ihrem Unmut Luft machen, der Saga ihren ganz eigenen Stempel aufdrückt und so dazu beiträgt, sie von anderen Fantasyepen abzugrenzen.
    Es ist eben so, wie Thomas Plischke gesagt hat: Die Sprache der Romanfiguren prägt den Charakter einer Saga in einem nicht unerheblichen Maße.


  • Die Sache zwischen Mann und Frau
    Hatten wir das nicht gerade erst? Nein, hatten wir nicht, denn diesmal spiele ich auf eine andere Sache an.
    Jordan erzählt seine Geschichte bekanntlicherweise aus der Sicht verschiedener Charaktere. Die drei zentralen Figuren hierbei sind die ta'veren Rand, Matt und Perrin. So verschieden sie auch sein mögen, eine Sache ist ihnen gemein: Wann immer sie Probleme mit dem anderen Geschlecht haben, denken sie daran, dass einer der beiden anderen die jeweilige Situation nun viel besser gemeistert hätten als sie selbst.
    Dieses Element ist so was wie der Koch in »Enterprise« oder Sgt. Seiler in »Stargate – Kommando SG 1«: ein Running Gag, der jemandem, der ihm zum ersten Mal begegnet, reichlich unspektakulär erscheinen mag, der „Eingeweihte“ aber immer wieder zum Lachen bringt. Es ist immer wieder erheiternd, wenn zwei der Helden eine ganz ähnliche Situation versieben und dann denken, dass einer ihrer Freunde es besser hinbekommen hätte, nicht ahnend, dass dieser sich zeitgleich mindestens ebenso dumm angestellt hat.
    Hmm. Wenn man das hier so erzählt, klingt das Ganze nicht wirklich komisch. Ich kann euch aber versprechen: Jordan hat die entsprechenden Szenen durchaus lustig hinbekommen, so dass man beim Lesen wirklich ins Schmunzeln gerät.


  • Traumhafte Endkämpfe
    Nachdem die letzten beiden Eigenarten von Jordan ganz bewusst zum Einsatz gebracht wurden, kommen wir wieder zu einem Element, bei dem nicht ganz klar ist, ob die Ähnlichkeiten Absicht oder Zufall sind: die traumhaften Endkämpfe zum Finale eines jeden Romans der Saga.
    Man darf das Wort „traumhaft“ in diesem Zusammenhang ruhig ernst nehmen. Ich will hier nämlich nichts über die Qualität der Darstellung der Kämpfe aussagen, sondern über die Art und Weise, wie sie geführt werden. Statt sich auf Duelle in der (Serien-)Realität zu beschränken, auf magische Zweikämpfe oder große Schlachten, hebt Jordan die finalen Gefechte zwischen den Forsaken sowie Rand und seinen Freunden immer auf eine höhere Ebene. Die entscheidenden Auseinandersetzungen mit den höchsten Dienern Ba'alzamons finden in Traum- oder Parallelwelten statt. Zwar ähneln diese Welten dem eigentlichen Universum der Reihe, und nicht selten haben die Kämpfe auch physische Auswirkungen auf dieses, doch sie sind nun einmal nicht das, was die Protagonisten als „Realität“ bezeichnen würden.
    Weiterhin fällt bei diesen Szenen auf, dass nicht nur die jeweiligen Ebenen, sondern auch die Kämpfe an sich einen traumartigen Charakter haben. Anstelle der gradlinigen Beschreibung eines Duells auf Leben und Tod taucht der Leser jeweils ein in ein mystisches, nicht immer leicht zu durchschauendes Geflecht aus magischen Verwicklungen und mental geführten Gefechten. Mir persönlich liegt das ehrlich gesagt nicht so; ich bin eher ein Freund des erwähnten gradlinigen Stils, bei dem man genau nachvollziehen kann, was nun eigentlich gerade geschehen ist. Es scheint allerdings, dass Jordan hier eine andere Meinung vertreten hat als die meine. So kommt es, dass die Endkämpfe jeweils, ganz dem Sinne des Genres entsprechend, reichlich phantastisch anmuten.
 
Selbst entdecken ist die halbe Freude...
Die gerade aufgelisteten Eigentümlichkeiten sind nur einige, von denen es in den Romanen noch eine ganze Menge mehr zu entdecken gibt. Etwa das doch schon sehr stereotyp wirkende Bild der Wirte in Schenken und Tavernen, oder...

Doch halt, genug davon. Ich könnte zwar noch seitenweise so weitermachen, doch das würde den Romanen so einiges von ihrer Faszination nehmen. Wirklich genießen kann man solche Eigenarten nämlich nur dann, wenn man sie als das zugeführt bekommt, was sie in Wahrheit sind: Als Teil einer spannenden und phantastischen Handlung, die eben so ihre ganz eigenen Running Gags, Besonderheiten und Serien-internen Klischees besitzt.

Und ohnehin macht das selbstständige Entdecken dieser und ähnlicher Eigentümlichkeiten doch den halben Spaß an der Sache aus. Mindestens.

 

Kommentare  

#1 Oliver Fröhlich 2009-05-04 09:21
Da hast du vollkommen recht, Jochen. Ich sehe die Wiederholungen auch als ein Mittel an, mit dem Robert Jordan einen Wiedererkennungswert schafft. Besonders solche Running Gags wie die von dir erwähnten Unsicherheiten der Hauptpersonen gegenüber dem weiblichen Geschlecht ("Mat hätte sich nicht so blamiert, der wusste, wie man mit Frauen umgeht", dachte Rand.), finde ich sehr schön.

Es gibt allerdings einen Wesenszug bzw. eine Handlungsweise von nahezu allen Frauen in der Serie, der (bzw. die) fürchterlich nervt, wenn man es erst einmal bemerkt hat. Ist dir schon mal aufgefallen, dass alle Frauen sich grundsätzlich und ständig die Kleider glattstreichen? :-x
#2 Gabriel Adams 2009-05-04 19:44
Hallo Olsen,

freut mich, mal wieder was von dir zu hören!
Was die Sache mit dem Kleiderglattstreichen angeht, hast du vollkommen recht. Wenn man die Serie aufmerksam liest, findet man Dutzende solcher Kleinigkeiten. Um bei den Frauen zu bleiben: Es ist schon interessant, wie gutaussehend sie doch eigentlich alle sind...

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